Orchester wollen wieder vor Publikum spielen

Orchester wollen wieder vor Publikum spielen
Gewerkschaft fordert lokale Öffnung und langfristige Hilfen
Stornierungen, Notspielpläne, Geisterkonzerte: die Pandemie hat die Orchester voll getroffen. Deren Gewerkschaft fordert eine Öffnung der Konzertsäle, angepasst an die lokalen Entwicklungen. Schließlich gehe es um das Grundrecht der Kunstfreiheit.

Berlin (epd). Die Deutsche Orchestervereinigung (DOV) hat den Bund zur längerfristigen Unterstützung von Musikern und Kultureinrichtungen in Städten und Gemeinden aufgerufen. Mit einem auf mehrere Jahre angelegten Bundesprogramm sollten nach Abklingen der Pandemie kommunale Kulturhaushalte direkt gestützt werden, sagte der Geschäftsführer der Orchestervereinigung, Gerald Mertens, am Dienstag in Berlin. Diese Gelder sollten zweckgebunden für kommunale Theater, Orchester, Museen und Bibliotheken zur Verfügung stehen. Die Bundesmittel dürften nur gewährt werden, "wenn sich Kommunen ihrerseits verpflichten, den Kulturhaushalt stabil zu halten". Die DOV ist der Berufsverband und die Gewerkschaft für Mitglieder professioneller Ensembles.

Mertens verwies auf einzelne Städte wie München, Nürnberg oder Jena, wo bereits Einsparungen im Kulturbereich beschlossen worden seien. Dies sei der falsche Weg, um auf die Folgen der Pandemie zu reagieren. Investitionen in Kultureinrichtungen und die freie Szene sorgten für lebenswerte Innenstädte.

Die DOV sprach sich zudem in der Corona-Pandemie für lokal differenzierte Öffnungen von Kultureinrichtungen aus. So wie bei besonders hohen Inzidenzwerten eine Stadt oder ein Landkreis Schulen und Kitas schließen könne, so müsse es bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 50 möglich sein, Konzertsäle, Theater und Museen wieder zu öffnen, sagte Mertens. Dabei müssten natürlich alle Hygienevorschriften beachtet werden. Voraussetzung für einen Neustart seien lokal und zeitlich differenzierte Öffnungsperspektiven für alle Kulturbetriebe.

Von den 129 Berufsorchestern in Deutschland sind den Angaben zufolge derzeit 85 Prozent in Kurzarbeit. Dadurch seien seit April 2020 durchweg alle Arbeitsplätze gesichert worden, sagte Mertens: "Es wäre allerdings fatal, die Pandemie als Musikerin oder Orchester irgendwie zu überleben, um dann anschließend unter gravierenden Kürzungen öffentlicher Kulturausgaben leiden zu müssen."

Insgesamt gibt es aktuell 9.766 Planstellen in den öffentlich finanzierten Berufsorchestern. Zu den 20 Orchestern, die nicht in Kurzarbeit sind, gehören den Angaben nach die elf Rundfunkorchester wegen laufender Produktionen. Auf eine Konzert- und Festivalstatistik 2020 verzichtete die DOV pandemiebedingt.

Mit Blick auf die hart getroffenen freischaffenden Musiker schlägt die Orchestervereinigung kurzfristige Hilfen vor. So sollte die Künstlersozialversicherung befristet höhere Nebenverdienste jenseits von Minijobs zulassen, ohne den Künstlerstatus und die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse in Frage zu stellen. Zudem sollte der Zugang zur Arbeitslosenversicherung für Selbstständige verbessert und ein Kurzarbeitergeld für Zeiten mit geringer oder keiner Beschäftigung eingeführt werden.

Laut Mertens hat der von Berufsmusikern ins Leben gerufene Nothilfefonds bislang mehr als 4,1 Millionen Euro eingenommen. Davon seien bislang knapp zwei Millionen an Freischaffende ausgezahlt worden; jeweils 600 Euro Soforthilfe an 3.300 Antragsteller. Der Betrag solle ab Mitte Februar voraussichtlich auf 2.000 Euro steigen.