Bedrängen von Abgeordneten wird Fall für die Justiz

Bedrängen von Abgeordneten wird Fall für die Justiz
Am Rande einer wichtigen Bundestagsabstimmung zur Pandemie bedrängen Corona-Leugner Abgeordnete. Das hat Konsequenzen - womöglich auch strafrechtliche.

Berlin (epd). Die Störaktionen durch Corona-Leugner im Bundestag haben Konsequenzen. Nach einer Sitzung des Ältestenrats am Donnerstag sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, in Berlin, dass nun alle Vorgänge gesammelt und der Staatsanwaltschaft übergeben würden, "weil wir das für kriminelles Handeln der AfD und ihrer Abgeordneten halten". Strafrechtlich relevant seien die Geschehnisse deshalb, weil Abgeordnete - unter ihnen auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) - bei der Ausübung ihrer Tätigkeit bedrängt worden seien. Ziel sei es gewesen, am Mittwoch die Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz im Bundestag zu verhindern.

Laut Paragraf 106b im Strafgesetzbuch droht denen, die die "Tätigkeit eines Gesetzgebungsorgans" stören oder behindern, eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Schneider sagte, dass am Vortag zwei AfD-Abgeordnete Personen "eingeschleust" hätten, die auch bei der Polizei aktenkundig seien. Die Parlamentarier hätten sie trotzdem frei herumlaufen lassen. Dadurch sei ein "subtiles Bedrohungsszenario" entstanden. Das sei kein Versehen gewesen, sondern Strategie der AfD, äußerte sich Schneider überzeugt. Die Partei habe ihre "hässliche, antidemokratische Fratze" gezeigt. Damit sei klar, dass selbst eine technische Zusammenarbeit mit dieser Fraktion nicht mehr gegeben sei.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), erklärte, dass der Vorfall "mit allen zur Verfügung stehenden rechtlichen Mitteln sanktioniert werden muss". Hier sei auf eklatante Weise gegen gute demokratische Traditionen und Anstandsregeln verstoßen worden. "Wer an den Grundsätzen des freien Mandats zu rütteln versucht, bekommt unseren Widerstand zu spüren."

Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmann, erklärte, die "von der AfD eingeschleusten Personen wollten offensichtlich die freie Mandatsausübung der Abgeordneten und damit die Funktionsfähigkeit unseres Parlaments stören". Um den Bundestag zu schützen, sei es notwendig, "dass jegliche Störungen mit Maßnahmen des Haus-, Ordnungswidrigkeits- und gegebenenfalls des Strafrechts konsequent geahndet werden". Alle Rechtsverletzungen und Sanktionsmöglichkeiten gegenüber Abgeordneten müssten geprüft werden.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland wies die Vorwürfe zurück. Allerdings hätten sich zwei Gäste "der Kontrolle durch die Einladenden entzogen", räumte er ein. Dabei seien Dinge vorgefallen, "die ich zutiefst bedaure". Die Abgeordneten selbst, die diese Gäste eingeladen haben, seien aber unschuldig.

Nach Informationen von "Zeit Online" war eine Frau, die Altmaier im Bundestag gefilmt und beschimpft hatte, über das Büro des AfD-Abgeordneten Petr Bystron in das Gebäude gelangt. Das Nachrichtenportal berichtete unter Berufung auf einen internen Bericht des Bundestags, der an die Parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen gegangen war, dass die Bundestagspolizei am Rande der Abstimmung über das Infektionsschutzgesetz auf Personen aufmerksam geworden war, die mit einer Kamera und einem Handy auf "Abgeordnete und ein Mitglied der Bundesregierung zugegangen waren und unter anderem Fragen zum Abstimmungsverhalten und zum aktuellen Plenarthema gestellt haben". Einige Personen seien als Gäste des AfD-Abgeordneten Udo Hemmelgarn ins Gebäude gekommen.

Der Berliner Rechtswissenschaftler Christian Pestalozza sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd), dass bei solchen Vorfällen zwar ein Schatten auf die Abgeordneten falle, die diese Personen in den Bundestag eingeladen hätten. Allerdings heiße das nicht, dass diese Abgeordneten als Anstifter oder wegen Beihilfe herangezogen werden könnten.

Am Freitag soll bei einer Aktuellen Stunde im Plenum des Bundestags über die Vorfälle gesprochen werden.