Dusel: Digitalisierung braucht Barrierefreiheit

Dusel: Digitalisierung braucht Barrierefreiheit
Beim ersten "European Inclusion Summit" tauschen sich Behindertenbeauftragte, Betroffene und Experten aus ganz Europa aus - wegen Corona nur digital. Doch der Beauftragte Dusel erwartet dennoch wichtige Impulse für die Inklusion.

Berlin (epd). Der Behindertenbeauftragte der Bundesregierung, Jürgen Dusel, hat dazu aufgerufen, bei der fortschreitenden Digitalisierung aller Lebensbereiche unbedingt auf Barrierefreiheit zu achten. Andernfalls würden Millionen Menschen zwangsläufig von sozialer Teilhabe und Gerechtigkeit ausgeschlossen, sagte er am Dienstag in Berlin beim ersten "European Inclusion Summit". Ziel der zweitägigen Veranstaltung sei es, sich über die künftige EU-Behindertenpolitik auszutauschen "und, wo es möglich ist, von einander zu lernen". Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) äußerte Unterstützung für das Bemühen um mehr Inklusion, betonte aber, dass es "Ausdauer und Beharrlichkeit braucht".

An der von Dusel organisierten Tagung nehmen Behindertenbeauftragte, Sozialexperten, Ombudsleute und Menschen mit Behinderung aus mehr als 30 Staaten teil. Neben der Digitalisierung sind der Schutz von Frauen und Kindern mit Behinderung vor Gewalt und die inklusive Entwicklungspolitik Themen der Expertenrunden.

Der Beauftragte sagte weiter, der Austausch über die künftige EU-Behindertenpolitik müsse weitergehen, vor allem mit Blick auf den Europäischen Rechtsakt zur Barrierefreiheit aus dem Jahr 2019, der nun in nationales Recht überführt werden muss. Experten und Betroffene sollten Antworten finden etwa zum Stand der Inklusion in Europa, Erfahrungen in den Mitgliedsstaaten und Best-Practice-Beispielen für mehr Teilhabe.

In Europa lebten 87 Millionen Menschen mit Behinderungen, erklärte Dusel. Ziel aller Bemühungen um Inklusion müsse es sein, "dass sie die gleichen sozialen Rechte wahrnehmen können wie alle anderen Menschen auch". Das sei längst nicht selbstverständlich im internationalen Vergleich, sagte er. Deshalb sei wichtig, EU-weit für die demokratischen Werte und damit auch für die Inklusion im Rahmen der zukünftigen "European Disability Strategy 2020-2030" einzutreten.

Für Deutschland biete sich die Chance, jetzt in Sachen Barrierefreiheit im privaten Bereich, bei Anbietern von Produkten und Dienstleistungen deutlich weiterzukommen, betonte der Beauftragte. Dazu gebe es vielversprechende Beispiele aus Österreich und Schweden. Ein Fehler der Vergangenheit sollte sich nicht wiederholen: "Wir dürfen keine neue digitale Infrastruktur entwickeln, um dann hinterher festzustellen, dass sie nicht barrierefrei ist."

Minister Heil sagte, der fachliche Austausch über Grenzen hinaus sei in Corona-Zeiten von unschätzbarem Wert. Er warb dafür, mehr Menschen mit Handicap in den regulären Arbeitsmarkt zu bringen. Hier seien die Unternehmen gefordert. Noch nicht genug Menschen mit Behinderung hätten eine Beschäftigung gefunden, trotz der Ausgleichsabgabe für Firmen. "Und auch die Corona-Krise hinterlässt hier leider Spuren", sagte Heil, der auf gestiegene Quoten von Arbeitslosen verwies. "Es reicht also nicht, wenn wir die Hürden auf dem Papier beseitigen, auch die Barrieren in den Köpfen müssen fallen." Inklusion müsse EU-weit für Firmen eine betriebswirtschaftliche Selbstverständlichkeit werden, "auch und besonders mit Blick auf den wachsenden Fachkräftemangel".