Bericht: Viele Islamisten stehen vor der Freilassung

Bericht: Viele Islamisten stehen vor der Freilassung
Grüne legen Aktionsplan gegen islamistische Gefährder vor
Die Grünen fordern konsequentere Maßnahmen gegen islamistische Gefährder und mehr Prävention, um Anschläge zu verhindern. In deutschen Gefängnissen sind laut einer Zeitungsumfrage mehr als 130 Islamisten inhaftiert.

Frankfurt a.M. (epd). Die Bundesregierung hat laut einem Zeitungsbericht keinen Überblick darüber, wie viele Islamisten in Deutschland inhaftiert sind und wann sie freikommen. Nachdem bekanntgeworden war, dass die Attentäter von Wien und Dresden schon im Gefängnis saßen, teilte das Bundesjustizministerium der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" (F.A.S.) mit, nur eine Zahl von Juni 2018 zu kennen. Damals waren bundesweit 136 Islamisten in Haft, der Zeitpunkt ihrer Entlassung war unbekannt. Führende Grünen-Politiker fordern unterdessen ein konsequenteres Vorgehen gegen islamistische Gefährder und mehr Prävention.

Eine Umfrage der F.A.S. unter den Justizministerien der Länder ergab, dass bundesweit weiterhin mindestens 134 Islamisten inhaftiert sind. Manche Länder nennen nur eine grobe Zahl, Hessen spricht von einer "einstelligen Zahl im oberen Bereich", Thüringen von einer "einstelligen Zahl". 13 andere Länder machen exakte Angaben. Besonders viele Islamisten sitzen demnach in Bayern in Haft, nämlich 31, und in Nordrhein-Westfalen, nämlich 36. Mehrere Länder befürchten einen Verstoß gegen den Datenschutz, wenn sie sagen, wann Verurteilte freikommen.

Hessen gibt an, dass mehrere Islamisten zwischen 2021 und 2025 freikommen, in Sachsen steht eine Entlassung in den kommenden Monaten an. In Sachsen-Anhalt kommen zwei noch 2021 frei. Das Saarland entlässt bis 2022 drei. Fünf werden in Baden-Württemberg bis 2023 freikommen. In Bayern werden sechs bis 2024 entlassen. "Unser Ziel im bayerischen Vollzug ist es, die Radikalisierung von Gefangenen zu verhindern und Extremisten zu deradikalisieren", sagte Bayerns Justizminister Georg Eisenreich der Zeitung.

In einem Elf-Punkte-Aktionsplan fordern Grünen-Parteichef Robert Habeck und die Innenpolitiker Irene Mihalic und Konstantin von Notz, dass Gefährder konsequent und engmaschig überwacht werden. "Wir müssen den islamistischen Terror und die mörderische Ideologie dahinter gemeinsam entschieden bekämpfen", sagte Habeck den Zeitungen der Funke Mediengruppe, denen das Papier vorlag.

Die Grünen-Bundestagsfraktion will kommende Woche auf der Basis dieses Papiers ein Gesamtkonzept zum Kampf gegen islamistischen Terror vorstellen. Zu den Plänen der Grünen gehört, offene Haftbefehle gegen Gefährder zu vollstrecken und diese abzuschieben, "soweit es sich nicht um Deutsche handelt, dies rechtsstaatlich möglich ist und faktisch durchführbar ist". Dazu seien allerdings noch Abkommen mit zahlreichen Herkunftsländern nötig.

An Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) appellierten die Grünen-Politiker, salafistische Vereine zu verbieten und verdächtige Geldflüsse stärker zu kontrollieren. Das Waffenrecht müsse verschärft und Gefängnisse müssten "als Brutstätten von Radikalisierung" stärker in den Blick genommen werden. Nötig seien zudem ein bundesweites Präventionsnetz und eine weitere Verbesserung der Imam-Ausbildung in Deutschland.

Nach Einschätzung des muslimischen Seelsorgers Ender Cetin sind Gefängnisse keine Orte der Radikalisierung muslimischer Jugendlicher. Eine Radikalisierung finde dort "sehr selten statt", sagte der Imam am Samstag dem Berliner RBB-Inforadio. Der Einfluss inhaftierter Dschihadisten auf junge Häftlinge sei nach seiner Erfahrung sehr gering.

Die Probleme der Radikalisierung lägen außerhalb der Gefängnisse, vor und nach der Haft, sagte Cetin: "Die Moscheen erreichen diese Jugendlichen nicht." Die Jugendlichen seien auf Identitätssuche und fühlten sich ausgegrenzt. In religiösen Fragen gebe es bei ihnen ein großes Unwissen, obwohl sie sich selbst als sehr religiös ansähen.

epd lwd/lob/jup