Steinmeier wünscht Corona-Debatte ohne Aggressivität

Steinmeier wünscht Corona-Debatte ohne Aggressivität
Bundespräsident Steinmeier beklagt, dass der Streit über den Umgang mit dem Coronavirus immer aggressiver wird. Er lädt auch Kritikerinnen der Maskenpflicht zum Gespräch ein. Eine Teilnehmerin erzählt von Protesten, bei denen Rechtsextremisten waren.

Berlin (epd). Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnt in der Debatte um die Corona-Maßnahmen einen offenen Meinungsaustausch ohne Aggressivität an. Zum Auftakt eines Treffens am Dienstag in Berlin mit Bürgerinnen und Bürgern, von denen einige die Beschränkungen im Kampf gegen die Pandemie für falsch halten, sagte er, der Graben zwischen jenen, die bei dem Thema unterschiedlicher Meinung seien, werde immer breiter. Die Diskussion an einer Kaffeetafel sei daher "ein Test", ob ein zivilisierter Austausch dazu noch möglich sei. Demokratie schließlich sei nicht reserviert für Corona-freie Zeiten.

Gespräche an einer Kaffeetafel des Bundespräsidenten gibt es seit gut zwei Jahren. Dabei geht es darum, dass alle ihre Meinung sagen, einander aber auch zuhören. Acht Gäste nahmen diesmal teil, unter ihnen eine Schuldenberaterin, eine Schülersprecherin, ein Virologe und der Geschäftsführer eines Kulturfestivals. Einige hatten zuvor Briefe an Steinmeier geschrieben, darunter die ehrenamtliche Schuldenberaterin aus Schleswig-Holstein, die ihrem Schreiben die Überschrift gab: Nach 70 Jahren kämpft unser Grundgesetz ums Überleben!

Bei Kaffee und Kuchen im Schloss Bellevue war im Bezug auf die Corona-Maßnahmen von "Verbotseifer" die Rede und von einer "Therapie, die den Patienten umbringt". Ein Gast berichtete wiederum darüber, wie eine Schutzmaske ihm die Freiheit gegeben habe, seine Großmutter zu sehen. Gesprochen wurde auch von dem "Stigma", das Kulturveranstaltungen anhafte, wonach diese sehr gefährlich seien. Ein Teilnehmer schlug vor, dass der Staat Kulturschaffenden helfen müsse, wenn sie ein Konzept hätten, wie bestimmte Veranstaltungen trotz Corona stattfinden könnten. Auch Covid-19-Schnelltests wurden als Möglichkeit genannt.

Die teilnehmende Schülerin, die das Tragen der Masken befürwortet, wies wiederum auf den bizarren Alltag der Kinder und Jugendlichen hin: So säßen sie in den Klassenzimmern eng auf eng und ohne Maske zusammen. Doch sobald sie aus der Schule hinausgingen, heiße es: Masken auf und auseinander. Es sei daher eine absolute Doppelmoral, wenn es einen Aufschrei gebe, wenn Jugendliche nachmittags und abends in exakt denselben Gruppen zusammensäßen wie in der Schule.

Kontrovers diskutiert wurde über die Demonstrationen gegen die Corona-Maßnahmen, an denen auch Rechtsextremisten teilnehmen. Eine der Teilnehmerinnen sagte, sie habe ebenfalls demonstriert und sich dabei klar von den Neonazis distanziert. Dennoch seien in der Medienberichterstattung alle als Spinner oder Reichsbürger bezeichnet worden. Das sei für sie fast traumatisch gewesen. Man sollte sich aber auch "umschauen, mit wem man läuft", wurde ihr wiederum entgegengehalten.

Steinmeier resümierte, die Corona-Krise "ist nicht der große Gleichmacher". Die Menschen seien unterschiedlich davon betroffen. Es mache einen Unterschied, ob jemand in einem Haus wohne oder in einer engen Mietwohnung, ob der Arbeitsplatz gefährdet sei oder nicht. Allerdings finde er es unverständlich, wenn wissenschaftliche Erkenntnisse gänzlich in Zweifel gezogen würden. Angesichts steigender Infektionszahlen warnte er davor, das in Gefahr zu bringen, was die Gesellschaft in Deutschland in den vergangenen sechs Monaten erreicht habe.

Die Schuldenberaterin sagte im Anschluss vor Journalisten, dass sie Christin und Linke sei und sich seit langem selbstlos engagiere. Weil sie aber die Corona-Maßnahmen kritisiere, werde sie plötzlich als Rechte diffamiert, als Verschwörerin. "So fühlt sich Mobbing an", fügte sie hinzu.