Spahn: Maßnahmen zur Virus-Eindämmung zeigen Wirkung

Spahn: Maßnahmen zur Virus-Eindämmung zeigen Wirkung
Giffey warnt vor Zwei-Klassen-Gesellschaft
Spahn und Giffey appellieren an die Bevölkerung, sich weiter an die Abstandsregeln zur Eindämmung des Coronavirus zu halten. Es gebe erste Erfolge, doch sie seien gefährdet, wenn eine Lockerung zu früh komme.

Berlin (epd). Kurz vor Ostern hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erste Erfolge der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus konstatiert und gleichzeitig zur weiteren Einhaltung der Abstandsregeln aufgerufen. Die Einschnitte in den Alltag zeigten Wirkung, sagte Spahn am Donnerstag in Berlin. Die Zahl der neu gemeldeten Infektionen flache sich ab. Laut dem Robert-Koch-Institut liegt die Zahl der Covid-19-Fälle in Deutschland Stand Freitagvormittag bei 113.525, die Zahl der Todesfälle bei 2.373.

Die Zahl der neu übermittelten Fälle sei weiter auf einem hohen Niveau, sagte der RKI-Präsident Lothar Wieler am Donnerstag. Zu Beginn der Woche habe sie bei rund 4.000 täglich gelegen, am Donnerstag wieder bei 5.000. Die Schwankungen seien natürlich, zeigten aber auch, dass von einer Entspannung noch nicht ausgegangen werden dürfe. Der Anteil der Verstorbenen liege bei 1,9 Prozent aller Erkrankungen, sagte Wieler. Er sei gestiegen, weil es zunehmend Ausbrüche in Pflegeheimen und Krankenhäusern gebe.

Die von Bund und Ländern beschlossenen Einschränkungen des öffentlichen und privaten Lebens haben zum Ziel, die Zahl der Ansteckungen zu verringern. "Das ist gelungen", sagte auch Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD), die gemeinsam mit Spahn und Wieler am Gründonnerstag vor die Presse trat. Als Seniorenministerin sprach sich Giffey dagegen aus, ältere Menschen zu ihrem eigenen Schutz stärker einzuschränken als jüngere. "Ich bin nicht der Meinung, dass wir eine Zwei-Klassen-Gesellschaft aufmachen sollten zwischen denen, die rausdürfen und denen, die drin bleiben müssen", sagte sie.

Spahn und Giffey appellierten an die Bevölkerung, sich weiter an die Maßnahmen zu halten. Man müsse jetzt konsequent bleiben, sagte Spahn. Dabei räumte er ein, der Verzicht auf Besuche bei Familie und Freunden zu Ostern falle schwer. Je besser aber die Befolgung der Regeln auch über das Osterfest gelinge, desto wahrscheinlicher werde eine schrittweise Rückkehr zur Normalität. Dabei solle jedoch nicht zu schnell vorgegangen werden. Es sei besser, einzelne Schritte zu machen und die Folgen abzuwarten, bevor man weitergehe.

Am Mittwoch wollen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder beraten, ob die derzeit bis zum 19. April geltenden Kontakt- und Bewegungseinschränkungen gelockert werden und die Schließung von öffentlichen Einrichtungen und Geschäften schrittweise aufgehoben werden kann.

Auch Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) warnte vor einer zu frühen Lockerung der Einschränkungen. "Man sollte nicht aus dem Bauchgefühl heraus entscheiden nach dem Motto: Jetzt reicht's", sagte die stellvertretende CDU-Vorsitzende der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Samstag). Wann und wo das öffentliche Leben wieder hochgefahren werden könne, müssten Politiker gemeinsam mit Experten entscheiden, sagte Klöckner. Wirtschaften in Zeiten der Pandemie müsse aber möglich sein, wenn Sicherheitsabstände und andere Maßnahmen für den Infektionsschutz eingehalten würden.

Die Stiftung Patientenschutz forderte derweil klare Kriterien für die Einbindung von Pflegeheimbewohnern in die weitere Strategie. "Wer Lockerungen nach Ostern ins Spiel bringt, der muss garantieren, dass der Grundschutz dauerhaft steht", sagte Vorstand Eugen Brysch am Freitag in Dortmund. "Pflegeheime sind keine Gefängnisse." Heimbewohner würden aber "in Haft genommen", weil die Gesundheitsministerien von Bund und Ländern sowie die Heimbetreiber beim Grundschutz in der Altenpflege "sträflich versagen".

Der Ethikratsvorsitzende Peter Dabrock plädierte dafür, stärker mit der Gesellschaft über mögliche Lockerungen zu diskutieren. "Der Rechtfertigungsdruck für Einschränkungen steigt mit jedem Tag", sagte er dem Nachrichtenportal "t-online". "Ganz ohne Debatte gerät ein höheres Gut in Gefahr: Man riskiert, dass viele Menschen das Vertrauen in die Politik verlieren."

Das Deutsche Kinderhilfswerk appellierte an die Politik, die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen besonders zu berücksichtigen. Deshalb sollten Schulen, Kitas und Spielplätze möglichst bald schrittweise geöffnet werden. Dies sei beispielsweise mit geteilten kleinen Gruppen möglich, erklärte die Organisation am Freitag. "Das strukturelle Problem der schlechten Bildungschancen für Kinder aus benachteiligten Verhältnissen hat sich schon nach drei Wochen Schulschließung weiter verschärft."

epd co/bm/lwd nam