Bundestag verabschiedet Rettungspaket mit großer Mehrheit

Bundestag verabschiedet Rettungspaket mit großer Mehrheit
Im Bundestag zeigen Regierung und Opposition ungewohnte Einigkeit: Das in der Geschichte der Bundesrepublik einzigartige Rettungspaket zur Bewältigung der Corona-Krise wird im Schnellverfahren mit großer Mehrheit beschlossen.

Berlin (epd). Mit großer Mehrheit hat der Bundestag ein umfassendes Hilfspaket zur Bewältigung der Corona-Pandemie verabschiedet. Die Parlamentarier erteilten der Regierung am Mittwoch in Berlin mit 469 von 527 abgegebenen Stimmen die Erlaubnis, einen Nettokredit in Höhe von rund 156 Milliarden Euro aufzunehmen, um Maßnahmen zum Schutz von Gesundheitssystem, Betrieben und Bürgern zu finanzieren. Rednerinnen und Redner von Regierung und Opposition sprachen sich in der Debatte klar für gemeinsame Anstrengungen zur Bewältigung der Corona-Krise aus.

"Vor uns liegen harte Wochen. Wir können sie bewältigen, wenn wir solidarisch sind", sagte Bundesfinanzminister und Vizekanzler Olaf Scholz (SPD). Es sei eine Krise, die in der Geschichte der Bundesrepublik ohne Vorbild sei. "Dafür gibt es kein Drehbuch." Er räumte ein, dass den Menschen in Deutschland mit den Beschränkungen von Kontakten und Bewegung vieles abverlangt werde. Die Einschränkung des öffentlichen und sozialen Lebens diene aber dazu, die Ausbreitung des Erregers zu verlangsamen.

Scholz richtete zudem die "herzlichen Grüße" von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aus, die "gerne dabei gewesen" wäre. Merkel befindet sich in häuslicher Selbstisolation, weil ein Arzt, der sie gegen Pneumokokken geimpft hat, positiv auf das Coronavirus getestet wurde.

Zu dem beschlossenen Rettungspaket gehören Finanzhilfen für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und niedergelassene Ärzte sowie Zuschüsse, die Kulturschaffende und andere Selbstständige vor dem Ruin bewahren sollen. Unternehmen werden mit Notkrediten unterstützt und Personen, denen die Einnahmen wegbrechen, können Grundsicherung beantragen, ohne dass ihr Erspartes angetastet wird.

Die für die Hilfen notwendige Verschuldung musste von einer "Kanzlermehrheit" von mindestens 355 der insgesamt 709 Parlamentarier gebilligt werden, da diese die Grenzen der im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse überschreitet. Der Bundestag beschloss auch ein Gesetz, das dem Bund zusätzliche Kompetenzen einräumt, mit Verfügungen und Verordnungen auf Notlagen durch die Corona-Krise zu reagieren.

FDP-Fraktionschef Christian Lindner unterstützte in seiner Rede die Maßnahmen: "Jetzt ist die Stunde des Staates." Weil es um Menschenleben gehe, seien auch die gegenwärtigen Freiheitsbeschränkungen akzeptabel. Es müsse aber alles unternommen werden, damit sie schnellstmöglich aufgehoben werden könnten.

Die Chefin der Linksfraktion, Amira Mohamed Ali, forderte einen finanziellen Ausgleich für Mitarbeiter in systemrelevanten Berufen: Ein Zuschlag von 500 Euro pro Monat sei das Mindeste. Sie verlangte außerdem einen Aufschlag von 200 Euro auf Kleinstrenten und Hartz-IV-Leistungen. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt lobte den Gemeinsinn, der derzeit überall erlebbar sei. "Kleine Rettungsschirme" würden an vielen Orten aufgespannt. AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, Zusammenstehen sei jetzt erste Bürgerpflicht.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hob die besondere Rolle des Parlaments hervor. Der Bundestag beweise, dass die freiheitliche deutsche Grundordnung der Tragweite dieser Krise gewachsen sei. Um die Ansteckungsrisiken zu reduzieren, galten im Reichstag Abstandsregeln, Desinfektionsspender waren aufgestellt. Die Geschäftsordnung wurde angepasst: Für die Beschlussfassung ist es derzeit nicht mehr notwendig, dass mehr als die Hälfte der Mitglieder des Bundestags im Sitzungssaal anwesend ist - sondern nur noch mehr als ein Viertel.

Schäuble, Scholz und weitere Mandatsträger dankten den Menschen, die das Land am Laufen halten: Ärztinnen und Ärzten, Pflegekräften, Beschäftigten im Verkauf und im Verkehr, Polizisten sowie Mitarbeitern von Arbeits- und Gesundheitsämtern. Das Parlament würdigte deren Einsatz mit langanhaltendem Applaus.

Das Rettungspaket war am Montag im Kabinett beschlossen worden und ging im Eilverfahren durch den Bundestag. Der Bundesrat kam ebenfalls am Mittwoch für einige Minuten zu einer Sondersitzung zusammen, bei der die Länder keine Einwände gegen den Nachtragshaushalt erhoben. Am Freitag will die Länderkammer in einer weiteren Sondersitzung die Gesetze zur Corona-Krise billigen.

epd mey/bm jup