Unicef: Lage der Kinder in Syrien dramatisch

Unicef: Lage der Kinder in Syrien dramatisch
Weniger Gefechte im nordwestlichen Idlib
Tod, Hunger, Flucht: Seit Beginn des Syrien-Konflikts vor neun Jahren erleben die Kinder des Landes ein Martyrium. Unicef ruft zu weiterer Unterstützung auf.

Genf/Köln (epd). Zum Jahrestag des Kriegsbeginns in Syrien am kommenden Sonntag haben Hilfsorganisationen auf die dramatische Situation der Kinder aufmerksam gemacht. Zu Beginn des zehnten Kriegsjahres bestimmten immer noch Tod, Angst und nackte Not das Aufwachsen von unzähligen syrischen Mädchen und Jungen, teilte das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen am Freitag in Köln mit. "Vier von fünf Mädchen und Jungen sind heute auf humanitäre Hilfe angewiesen", erklärte Unicef-Geschäftsführer Christian Schneider. "Wir dürfen sie nicht alleinlassen." Sie brauchten warme Kleidung, Gesundheitsversorgung, Bildung und Nahrungsmittel, vor allem aber Schutz und Sicherheit.

Rund 9.000 Mädchen und Jungen sind den Angaben zufolge seit 2011 bei Angriffen und Bombardierungen in Syrien getötet oder verletzt worden. Alle zehn Stunden sterbe ein Kind an den Folgen des Krieges. Schätzungsweise 5.000 Kinder seien zwangsrekrutiert worden, darunter sogar erst Siebenjährige.

Besonders schlimm sei die Lage derzeit im Nordwesten des Landes in der Provinz Idlib, hieß es. Seit Anfang Dezember sind dort laut dem UN-Büro zur Koordinierung humanitärer Hilfe (Ocha) 960.000 Menschen vor Bombardierungen und Bodenkämpfen geflohen, davon seien schätzungsweise 60 Prozent Kinder. Seit der Ankündigung einer Waffenruhe vor einer Woche durch Russland und die Türkei ist die Gewalt in Idlib laut Ocha zwar zurückgegangen. Luftangriffe seien eingestellt worden. Doch die Zivilbevölkerung nach wie vor gefährdet, da es weiter Bodenbeschuss registriert werde.

Nach Einschätzung der Hilfsorganisation Islamic Relief steht die Gesundheitsversorgung in der Region Idlib kurz vor dem Zusammenbruch. Krankenhäuser seien überlastet und unterbesetzt, es fehle an grundlegenden und lebensrettenden Geräten und Medikamenten, um selbst Grunderkrankungen wie Grippe und Durchfall zu behandeln.

Laut Unicef ist die Lage der Kinder und ihrer Familien auch in Gebieten schwierig, in denen es keine akuten Kämpfe gibt. Über die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen und jede dritte Schule seien außer Betrieb. Unicef schätzt, dass 2,8 Millionen Mädchen und Jungen keine Schule besuchen. Familien, deren Existenz zerstört wurde, könnten ihre Kinder nicht mehr versorgen. Sie müssten ihren Haushalt verkaufen oder ihre Kinder arbeiten schicken.

Den höchsten Preis für den Krieg zahlten die Kinder, sagte Klara Koch, Syrien-Expertin im Kindermissionswerk "Die Sternsinger". "Viele von ihnen haben niemals Frieden erlebt. Eine ganze Generation wächst mit traumatischen Erfahrungen und ohne Schulbildung auf."

Anlässlich des Jahrestages des Kriegsbeginns rief Unicef alle Konfliktparteien in Syrien dazu auf, die lebensnotwendige Infrastruktur wie Schulen, Krankenhäuser oder Wasserwerke zu schützen, die Waffenruhe im Nordwesten Syriens einzuhalten und einen besseren Zugang zu humanitärer Hilfe zu ermöglichen.

Der 15. März 2011 gilt als Beginn des Syrien-Konflikts. Immer mehr Menschen protestierten gegen das diktatorische Regime von Präsident Baschar al-Assad. Das Regime schlug die Proteste nieder, die Auseinandersetzung eskalierte in einen Bürgerkrieg mit internationaler Beteiligung. Rebellen und Terrorbanden besetzten viele Gebiete. Mit militärischer Hilfe Russlands, des Irans und ausländischer Milizen eroberte Assad fast alle Regionen zurück. Knapp zwölf Millionen Menschen sind laut den UN innerhalb und außerhalb Syriens auf der Flucht.

epd lwd/her nam