Forscher: Rechtsextremistische Netzwerke zunehmend gewaltbereit

Forscher: Rechtsextremistische Netzwerke zunehmend gewaltbereit
20.02.2020
epd
epd-Gespräch: Holger Spierig

Bielefeld (epd). Der Extremismusforscher Andreas Zick warnt nach den Anschlägen in Hanau vor einer zunehmenden Gewaltbereitschaft rechtsextremer Netzwerke. Diese hätten sich in Deutschland in den letzten Jahren radikalisiert, und die Gewaltbereitschaft habe sich dort verfestigt, sagte Zick am Donnerstag in Bielefeld dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Menschenfeindiche Orientierungen, Verschwörungsmythen, rassistische Identitätsvorstellungen und die Idee, eine Widerstandsbewegung zu sein, werden im Rechtsextremismus aufgegriffen und in Gewalt überführt."

Rechsextremistische Gewalt sei lange Zeit weniger ernst genommen worden als islamistische Gewalt, kritisierte der Wissenschaftler. Die Gesellschaft tue sich offenbar schwer damit, die zunehmende Radikalisierung als Extremismus zu erkennen, der mitten aus der Gesellschaft komme. Deutliche Gewalthinweise seien häufig als Randphänomene wahrgenommen worden. Es sei auch nach wie vor schwierig, für diesen Bereich hinreichend Forschungsgelder zu akquirieren, um eine solide, unabhängige und längerfristige Rechtsextremismusforschung zu etablieren, beklagte der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung an der Universität Bielefeld.

Nötig ist nach Worten des Wissenschaftlers eine Stärkung der Zivilgesellschaft sowie von Präventionsarbeit vor Ort. Die Zivilgesellschaft sei heute zunehmend selbst auch Opfer und werde in den Konflikt hineingezogen, warnte Zick.

Zick forderte eine stärkere Wachsamkeit gegenüber einem zunehmenden Extremismus. Eine Bekämpfung von Rechtsextremismus sei nicht allein Sache von Behörden und Strafverfolgung. "Wir müssen ernst nehmen, wo Rechtsextremismus beginnt: Bei weit geteilten menschenfeindlichen Vorurteilen in der Gesellschaft", appellierte der Wissenschaftler. Das gelte auch gegenüber Propaganda, die noch nicht direkt kriminell oder strafrechtlich relevant sei.