Weltklimakonferenz streitet bis zuletzt

Weltklimakonferenz streitet bis zuletzt
Umweltverbände erleichtert über EU-Klimaschutzziel für 2050
Nach der Einigung der EU-Staaten auf ihr Langfristziel der Klimaneutralität richtete sich die Aufmerksamkeit wieder auf die UN-Konferenz in Madrid. In der spanischen Hauptstadt bleiben noch viele Fragen offen.

Madrid / Brüssel (epd). Auf der Weltklimakonferenz sind am Freitagabend die Verhandlungen über die strittigen Punkte in die Endphase getreten. Die Präsidentin der Versammlung, die Chilenin Carolina Schmidt, rief die Delegationen aus mehr als 190 Ländern in Madrid zu einer großen Aussprache zusammen. Erwartet wurde das Ende der Verhandlungen am Samstag.

Die Delegationen hatten noch keine Einigung über die Ausgestaltung eines zukünftigen Emissionshandels gefunden. Deutschland und andere Länder bestanden darauf, dass alte Zertifikate nicht in ein neues Regime übertragen werden dürfen. Wenn keine Lösung beim Emissionshandel in Madrid erreicht würde, müsse die Problematik später wieder aufgegriffen werden, sagte Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD).

Zudem blieb strittig, wie die Weltgemeinschaft den armen Staaten bei der Bewältigung von Verlusten und Schäden durch den Klimawandel helfen soll. Ob ein eindeutiger Appell an die Länder zur Vorlage neuer, ehrgeiziger Klimaschutzziele und -pläne in die Abschlusserklärung kommen wird, blieb ebenso offen. Laut internationalem Fahrplan müssen die Staaten 2020 verbesserte Konzepte präsentieren.

Unterdessen nahmen Umweltverbände die weitgehende Einigung der EU-Staaten auf Klimaneutralität bis 2050 mit Erleichterung auf. Zugleich bekräftigten sie ihre Forderungen nach schnellem Handeln. "Das ist ein spätes, aber wichtiges Signal dafür, dass die EU eine Lokomotive bei der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens werden will", erklärte Germanwatch am Freitag in Madrid.

Eine Warnung kam vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND): Die beschlossenen Maßnahmen seien zwar "ein wichtiger erster Schritt" zur Erfüllung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens. Es sei aber "gefährlich, wenn uns die Politik glauben macht, wir hätten für den notwendigen Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas noch 30 Jahre Zeit".

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich in der Nacht auf Freitag in Brüssel darauf geeinigt, dass die EU bis 2050 klimaneutral werden soll. "Ein Mitgliedstaat kann sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht verpflichten, dieses Ziel für sich umzusetzen", heißt es aber in der gemeinsamen Erklärung. Gemeint ist Polen, das stark von der klimaschädlichen Kohleenergie abhängt. Der EU-Gipfel im Juni 2020 soll sich daher wieder mit dem Thema befassen.

EU-Ratspräsident Charles Michel nannte die Einigung "entscheidend" und versicherte: "Wir wollen Europa als den ersten klimaneutralen Kontinent." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich "recht zufrieden". Es gebe "keine Spaltung Europas in verschiedene Teile, sondern es gibt einen Mitgliedstaat, der noch etwas Zeit braucht", sagte sie in der Nacht.

Am Mittwoch hatte bereits EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen einen Plan für Klimaneutralität bis 2050 vorgelegt. Laut Medienberichten waren neben Polen zunächst auch Tschechien und Ungarn gegen die Zielsetzung. Bei den stundenlangen Gipfelverhandlungen ging es nicht nur um die Klimaneutralität an sich, sondern auch um die Wege dahin. Eine besondere Rolle spielte die umstrittene Nutzung von Atomkraft. In der Gipfelerklärung heißt es nun, einige Mitgliedstaaten hätten erklärt, "dass sie als Teil ihres nationalen Energiemixes Kernenergie nutzen".

Die Co-Vorsitzende der Grünen im Europaparlament, Ska Keller, beurteilte das Ergebnis zurückhaltend. Der Gipfel sei bei der Klimaneutralität "ein Stück vorangekommen", teilte Keller dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. "Fatal ist, dass Polen ausschert", fügte sie hinzu. Die Linken-Europaabgeordnete Cornelia Ernst wies darauf hin, dass Gipfelbeschlüsse einstimmig fallen. Wenn Polen nicht mitmache, "ist eigentlich nichts beschlossen worden", urteilte Ernst.

Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen werden, als auf natürlichem Weg und durch technische Verfahren gebunden werden. Treibhausgase wie Kohlendioxid, Methan und Lachgas verursachen die Erderwärmung.

epd her/ps rks