Sylter Konferenz über Leiden der Kinder-Verschickungen

Sylter Konferenz über Leiden der Kinder-Verschickungen

Westerland (epd). Die erste Konferenz zur Aufarbeitung von Kinder-Verschickungen in Erholungsheime startet an diesem Donnerstag auf der Nordsee-Insel Sylt. Die "Initiative Verschickungskinder" hat Betroffene zum Erinnerungsaustausch mit pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Fachleuten eingeladen. "Ziel ist es, die Aufmerksamkeit auf ein bisher unerforschtes Leid von Nachkriegs-Kindern zu lenken und die Betroffenen zu beraten", sagte die Gründerin der Initiative, Anja Röhl, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Kongress "Das Elend der Verschickungskinder" findet bis Sonntag im Saal der Kirchengemeinde Westerland statt.

Nach grober Schätzung wurden zwischen den 50er und 90er Jahren etwa acht Millionen Kinder ab dem zweiten Lebensjahr über mehrere Wochen oder Monate von ihren Eltern getrennt und in Kinderkurheime gebracht. Häufige Ziele waren die nord- und ostfriesischen Inseln sowie die Mittel- und Hochgebirge. Die Kinder hatten Bronchitis, Über- oder Untergewicht oder chronische Blässe. Den Eltern wurde deshalb zu einem Erholungsaufenthalt geraten, den die Krankenkassen bezahlten.

Jedoch kamen viele dieser Kinder traumatisiert zurück. Die Betroffenen berichten von Essenszwang und gewalttätiger Einfütterung bis hin zum Erbrechen. Auch von harten Strafen wie Schlafentzug oder Ans-Bett-Fesseln erzählen die Betroffenen, die dem Pflegepersonal hilflos ausgeliefert waren. Eltern hatten kein Besuchsrecht.

Anja Röhl ist selbst betroffen und wurde mit vier Jahren nach Amrum verschickt. Sie gründete die "Initiative Verschickungskinder" im September dieses Jahres. Anhand eines Fragebogens, den sie mit Wissenschaftlern entwickelt hat, will sie Betroffene ermutigen, ihre Leidensgeschichte in den Heime zu erzählen. "Durch unseren Aufruf wollen wir herausfinden, ob es sich bei den traumatischen Erlebnissen um Einzelfälle oder ein Massenphänomen handelt", erklärte Röhl.

Mittlerweile haben sich mehr als 1.000 Menschen mit ihrer Geschichte bei ihr gemeldet. Einige haben ihr Leid bereits über die Kommentarfunktion auf der Internetseite www.verschickungsheime.de dokumentiert.