Chef der DFB-Ethik-Kommission verteidigt Entscheidung im Fall Tönnies

Chef der DFB-Ethik-Kommission verteidigt Entscheidung im Fall Tönnies
30.08.2019
epd
epd-Gespräch: Michael Bosse

Düsseldorf (epd). In der Affäre um die als rassistisch kritisierten Äußerungen von Clemens Tönnies hat der Vorsitzende der Ethik-Kommission des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Nikolaus Schneider, den Verzicht auf eine Anklage gegen den Schalke-Aufsichtsratsvorsitzenden verteidigt. Es sei bei der Entscheidung darum gegangen, Tönnies eine Grenze zu setzen und ihn zugleich zu ermutigen, sich durch "tätige Reue" zu engagieren, sagte der Theologe und frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Nikolaus Schneider, am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Düsseldorf. Man habe sich - auch aus theologischer Sicht - dazu entschlossen, "Härte gegen die Sünde", aber "nicht gegen den Sünder" zu zeigen.

Laut Schneider handelt es sich bei der Entscheidung der DFB-Ethik-Kommission durchaus um eine "Gratwanderung". So bewerte das Gremium die Aussage Tönnies' zwar als rassistisch, gehe aber nicht davon aus, dass der Aufsichtsratschef des Bundesligisten ein Rassist sei. Tönnies habe sich im Verfahren vor der Ethik-Kommission glaubhaft von der Aussage distanziert, sagte Schneider, der bis 2013 Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland war. Offenbar habe der Schalke-Boss den diskriminierenden Satz über Afrikaner spontan in seine Rede auf dem Tag des Handwerks in Paderborn einfließen lassen, um bei seinem Auftritt eine "Bierzelt-Atmosphäre" zu schaffen.

Tönnies hatte in seiner Rede am 1. August höhere Steuern im Kampf gegen den Klimawandel kritisiert. Vor knapp 1.600 Gästen fügte er nach einem Bericht der "Neue Westfälischen" hinzu, stattdessen sollten lieber jährlich 20 Kraftwerke in Afrika finanziert werden: "Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn's dunkel ist, Kinder zu produzieren." Diese Aussagen wurden bundesweit heftig kritisiert.

Schneider sagte, als Wiedergutmachung habe Tönnies, der sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender für drei Monate ruhen lässt, vor der Ethik-Kommission unter anderem angekündigt, sein bisheriges Engagement für Afrika auszuweiten. Zudem soll er sich bereits mit afrikanischen Spielern von Schalke getroffen und sich bei ihnen entschuldigt haben. Auch mit dem ehemaligen Fußballnationalspieler und DFB-Integrationsbeauftragten Cacau suche Tönnies das Gespräch.

Die Ethik-Kommission überwacht den neuen Ethik-Kodex des DFB. Darin bekennt sich der Verband zu Qualität, Objektivität, Ehrlichkeit, Fairness und Integrität. Man setze sich mit seiner Arbeit ein für die "Integrität des Sports", betonte Schneider. Themen wie Diskriminierung, Gewalt in Stadien oder auch Korruption seien Schwerpunkte der Arbeit.

In ihrer bisherigen Arbeit habe die Kommission "eine hohe zweistellige Zahl" an Fällen behandelt, schätzte Schneider. Stellt das Gremium gravierende Verstöße gegen den Ethik-Kodex fest, kann das Verfahren an die Ethik-Kammer des Sportsgerichts des DFB weitergeleitet werden. Dort können Rügen, Geldstrafen oder auch eine Sperre für DFB-Ämter gegenüber den Beschuldigten verhängt werden. Bisher sei allerdings noch in keinem behandelten Fall Anklage vor der Ethik-Kammer erhoben worden, räumte der Theologe ein.