Ramelow beklagt Vorverurteilung bei Flüchtlingssuizid

Ramelow beklagt Vorverurteilung bei Flüchtlingssuizid
Nach dem Tod eines Flüchtlings in Thüringen sorgten Berichte über eine Anstachelung zum Suizid durch Anwohner für Wirbel. Regierungschef Ramelow beklagt eine Vorverurteilung Ostdeutschlands. Christen wollen ein Zeichen für Mitmenschlichkeit setzen.

Schmölln/Köln (epd). Nach dem Suizid eines jugendlichen Flüchtlings in Schmölln kritisiert der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) eine reflexhafte Verurteilung Ostdeutschlands. Das sei "bitter", denn die Flüchtlingsarbeit in Thüringen sei sehr vorbildlich, sagte Ramelow im Deutschlandfunk: "Fremdenfeindlichkeit ist kein ostdeutsches Problem, sondern ein weit in Europa verbreitetes Problem." Derweil zeigten sich Kirchenvertreter am Montag betroffen von dem Suizid. Die Christen im ostthüringischen Schmölln wollten nun ein Zeichen der Mitmenschlichkeit setzen und eine Gedenkandacht oder ein Friedensgebet abhalten, erklärte der evangelische Diakon Christoph Schmidt.

Nach dem Tod des Flüchtlings aus Somalia hatten am Wochenende Berichte über eine mögliche Anstachelung zum Suizid durch Anwohner für Wirbel gesorgt. Die Polizei widersprach Medienberichten, wonach Schaulustige den Somalier mit Rufen wie "Spring doch" ermuntert haben sollen. Beamte vor Ort hätten solche Rufe nicht gehört, sagte der Schichtleiter im Landeseinsatzzentrum in Erfurt, Stefan Erbse.

"Es bleibt eine große Tragik"

Ramelow betonte im Deutschlandfunk, nach dem Wochenende zeige sich nun, dass das Geschehen durchaus eine andere Entwicklung gehabt habe als zuerst gedacht. Die Rufe hätten sich auf den Zeitpunkt bezogen, als die Feuerwehr längst mit dem Sprungtuch da war, erläuterte er. Daraus ergebe sich eine andere Logik. Dennoch müsse man jetzt nachfragen, warum der junge Mann wieder in der Wohngruppe war und beenden konnte, was er vorhatte, sagte Ramelow: "Es bleibt eine große Tragik." Man habe den Selbstmord eines jungen Mannes nicht verhindern können.

Der junge Flüchtling war nach Angaben des Landratsamtes wegen psychischer Probleme in Behandlung. Erst am Freitag wurde er aus der Klinik entlassen. Vor diesem Hintergrund sei inzwischen ein sogenanntes Todesermittlungsverfahren aufgenommen worden. Man werde unter anderem der Frage nachgehen, warum der Jugendliche in Behandlung war und warum er aus der Psychiatrie entlassen wurde, berichtete MDR Thüringen mit Verweis auf die Staatsanwaltschaft in Gera.

In Gottesdiensten gedacht

In Gottesdiensten am Sonntag war dem Verstorbenen in Schmölln mit Kerzen und in den Fürbitten gedacht worden. Es sei immer tragisch, wenn ein Mensch keinen Ausweg mehr aus einer für ihn hoffnungslosen Lage sehe, egal, ob er schon immer hier wohne oder er als Flüchtling nach Thüringen gekommen sei, erklärte der evangelische Regionalbischof von Gera, Diethard Kamm. Wichtig sei es jetzt, all jene, die sich in Schmölln vorbildhaft für die Integration der Zufluchtsuchenden einsetzten, zu ermutigen, fügte er hinzu.

Der evangelische Diakon Schmidt zeigte sich vom "Ausmaß der Unmenschlichkeit" im Zusammenhang mit dem Tod des jungen Mannes entsetzt. Vor allem die Reaktionen in den sozialen Netzwerken seien "unwürdig", sagte der kirchliche Sozialarbeiter dem Evangelischen Pressedienst (epd). Besonders schlimm sei es, wenn Rechtspopulisten den Tod des jungen Mannes für ihre Zwecke missbrauchten. So wolle das rechtextreme Bündnis "Thügida" in Schmölln aufmarschieren. Das diskreditiere die Arbeit mit den Flüchtlingen, die seit zwei Jahrzehnten in der Stadt vorbildhaft laufe, noch zusätzlich, sagte Schmidt.