Der König der Köche wird 90

Der König der Köche wird 90

Die Arme vor dem Oberkörper verschränkt, weiße Kochkleidung, die französischen Farben Blau, Weiß, Rot am Kragen - Paul Bocuse ist ein Nationalsymbol. Der Meister der klassischen französischen Küche, Medienstar und Unternehmer wird heute 90 Jahre alt.
11.02.2016
epd
Marc Patzwald (epd)

Saarbrücken (epd)Französische Zwiebelsuppe, Rindfleisch auf Burgunderart oder der Coq au vin - kein Koch steht so sehr für die klassische französische Küche wie Paul Bocuse. Geboren am 11. Februar 1926 in der Nähe von Lyon, feiert der Sternekoch in diesem Jahr seinen 90. Geburtstag. "Gutes Kochen zeichnet sich durch ein gutes Produkt, den richtigen Garpunkt und eine gute Würze aus", ist einer seiner typischen Sätze. Die Biografin Ève-Marie Zizza-Lalu beschreibt seine Küche in "Le feu sacré" ("Das heilige Feuer") als "Rückkehr zur absoluten Natürlichkeit".

Er hält sich gerne in der Natur auf, schläft heute noch in dem gleichen Zimmer und Bett, in dem er schon als Kind schlief, wie er gerne erzählt. Seine Ausbildung zum Koch hat er bei Claude Maret im "La Soierie" in Lyon, bei Eugénie Brazier im "La Mère Brazier" in Lyon und bei Fernand Point im "La Pyramide" im französischen Vienne absolviert. Während Letzterer seinen klassischen Küchenstil prägte und ihn zu einem Koch machte, der sich nicht hinter dem Herd versteckt, ermöglichten ihm die anderen beiden einen direkten Blick auf die Produkte: Er musste sich um die Schweine und Rinder kümmern, sie manchmal auch selbst schlachten.

Aufstehen um fünf Uhr, um 23 Uhr ins Bett, zwischendurch kochen und auch spülen. Bocuse absolvierte die normale Ausbildung, er bekam keine Sonderkonditionen, obwohl er aus einer Kochfamilie kommt. Schon sein Vater und sein Großvater kümmerten sich um ihre Restaurants. "Man darf nie vergessen, wie man nach ganz oben gekommen ist", erklärt Bocuse in der Biografie.

Einst verweigerten die Banken Kredite

Mit seiner ersten Frau Raymonde begann der Tag im Restaurant um sieben Uhr und endete um ein Uhr morgens. "In den schwierigen Zeiten verweigerten uns die Banken Kredit und die Marktverkäufer wollten uns nicht bedienen." Deswegen habe er viel Respekt vor allen kleinen Restaurantbesitzern.

Bocuse ist aber nicht nur ein Koch, er ist auch Marketingexperte in eigener Sache. Manche Journalisten haben ihn schon Kaiser oder Prophet genannt. Er selbst sieht sich eher am Ruder eines Schiffs: "Die Rolle eines Küchenchefs ist die Rolle eines Kommandanten."

Weiße Kochkleidung mit französischen Nationalfarben am Kragen, kerzengerade, die Arme vor dem Oberkörper verschränkt - so prangt Bocuse auf vielen Büchern und Magazinen. Und so tritt er auch immer wieder auf. Als der damalige Präsident Valéry Giscard d'Estaing ihn 1975 in die Ehrenlegion aufnimmt, setzt sich Bocuse auch vor dem Präsidenten und den Kameras in Pose - und verschränkt die Arme.

In den 80ern taucht seine Name erstmals auf Fertiggerichten auf. Das Geld für die verkauften Produkte fließt in Stipendien für die Studenten der Hoteliersschule in Écully bei Lyon. 1980 beginnt er, auch in Disney World in Orlando ein Restaurant zu betreiben. Mittlerweile hat Bocuse mehrere Lokale - vor allem in und um Lyon.

Neben seiner "L Auberge du Pont de Collonges", dem Hauptrestaurant, betreibt er auch Außenposten, die sich Nord, Süd, Ost und West nennen. 1958 bekam seinen ersten Michelin Stern, 1965 schließlich den dritten, seitdem hält seine "L Auberge du Pont de Collonges" die Auszeichnung ohne Unterbrechung.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass er auch als Vorbild für den Koch Auguste Gousteau in dem Disneyfilm "Ratatouille" gilt. Dort lernt die Ratte Rémy von eben diesem, im Film verstorbenen und als guter Geist erscheinenden Koch, wie man Gerichte natürlich und klassisch zubereitet. Gousteaus Slogan lautet "Jeder kann kochen". Dementsprechend steht hinter ihm auch ein riesiges Imperium mit Produkten, die alle seinen Namen tragen - wie bei Bocuse.

Drei Sterne - und drei Frauen

Bocuse wiederum hat nicht nur drei Sterne, sondern auch drei Frauen in seinem Leben: Raymonde, Raymone und Patricia. Er ist mit allen zusammen, sie kennen und akzeptieren sich. Mit Raymonde und Raymone hat er auch jeweils ein Kind. "Der Mann muss immer essen und sich fortpflanzen", erklärt Bocuse. Ihm sei bewusst, dass das die Sichtweise eines Machos sei.

"Man muss das Leben in vollen Zügen genießen, denn es ist eine Farce und man weiß nie, wann es zu Ende geht", sagt der Sternekoch. Wie Édith Piaf, die mit ihrem geliebten Boxer Marcel Cerdan in seinem Restaurant aß, bedaure er nichts, höchstens, dass er den Frauen in seinem Leben Kummer oder Schmerz verursacht habe.

Seiner Biografin zufolge glaubt Bocuse an ein Leben nach dem Tod, nachdem im Zweiten Weltkrieg eine Kugel sein Herz nur knapp verfehlte. Für den Sternekoch ist es bis dahin aber noch eine Lebensaufgabe, sein Wissen übers Kochen weiterzugeben, auch wenn er selbst fast gar nicht mehr am Herd steht. "Ich mache mir Sorgen, wie es weitergeht", sagt er: Vorgekochte Kartoffeln und vorbereitete Zutaten in den Küchen der Restaurants und bei den Menschen zu Hause. "Ich habe Angst, dass wir die Handgriffe, die Grundlagen unseres Fachs verlieren."