Hautcremes statt Kalaschnikow

epd-bild/Bettina Ruehl
Ausbildung zum Schreiner im Camp in der Stadt Baidoa.
Hautcremes statt Kalaschnikow
Frühere islamistische Kämpfer werden in Somalia auf ihre Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet
Maslan Mohamed Hassan war Terrorist. Dann stieg er aus und verließ die somalische Shabaab-Miliz. In einem Resozialisierungscamp wird er auf seine Zukunft vorbereitet. Die sieht er als Eigentümer eines Kosmetik-Ladens.
11.01.2016
epd
Bettina Rühl (epd)

Baidoa (epd)Sie können besser mit Kalaschnikows umgehen als mit Papier und Stift. Die 15 Männer und Frauen waren bis vor wenigen Monaten in der somalischen Terrorgruppe Al-Shabaab. Jetzt sitzen sie auf Plastikstühlen im Halbkreis, ihr Ausbilder erklärt die Grundlagen der Buchhaltung. In vier Lagern werden in Somalia ehemalige Kämpfer auf die Rückkehr in die Gesellschaft vorbereitet.

Das Camp in der südwestlichen Stadt Baidoa wird von der deutschen Regierung finanziell unterstützt. Bislang gibt es kaum Erfahrungen mit der Entwaffnung und Reintegration einer größeren Anzahl islamistischer Kämpfer. Besonders schwierig ist das Vorhaben, weil der Krieg in Somalia andauert. Aussteiger laufen Gefahr, ermordet zu werden. Auch diejenigen, die mit ihnen arbeiten, müssen die Rache der Islamisten fürchten. Viele Aussteiger möchten unerkannt bleiben oder überhaupt nicht mit Journalisten reden.

Grundlagen für ein neues Leben

"In den vergangenen drei Jahren sind bis zu 1.000 Milizionäre aus der Terrorgruppe ausgestiegen", sagt der somalische Minister für Innere Sicherheit, Abdirizak Omar Mohamed, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Stärke der 2006 gegründeten Miliz, die zum Terrornetzwerk Al-Kaida gehört, schätzt er auf 3.000 bis 5.000 Kämpfer. Rund 100 davon seien aus dem westlichen Ausland wie Deutschland, Großbritannien und den USA sowie aus arabischen Staaten. Die Islamisten werden von der 22.000-Mann starken Militärmission der Afrikanischen Union (Amisom) bekämpft, die von den USA und der EU unterstützt wird. Sie sind militärisch unter Druck, kontrollieren aber nach wie vor Teile Somalias.

Im Demobilisierungslager von Baidoa leben derzeit gut 100 junge Männer und einige Frauen. Betrieben wird es von der Internationalen Organisation für Migration (IOM). Auch der 22-jährige Maslan Mohamed Hassan lernt hier die Grundlagen für ein neues Leben, seit er 2013 ausstieg.

Hassan möchte nach seiner Entlassung einen Kosmetik-Laden eröffnen - ausgerechnet. In drei Jahren bei der Al-Shabaab verfolgte er Menschen für ihr Interesse an weltlicher Schönheit. Musik, Schmuck, Kosmetika sind den Islamisten verhasst. Hassans Gründe sind pragmatisch: Schon bevor er der Miliz beitrat, handelte er mit Schönheitsprodukten, um sich Geld für seine Schulgebühren zu verdienen.

"Ich wollte die Christen auslöschen"

Den Milizionären habe er sich 2010 angeschlossen, weil ihn ihre damalige Stärke faszinierte. "Viele meiner Freunde machten schon mit - warum nicht auch ich?" Hassan wurde religiös geschult, erhielt eine militärische Grundausbildung. Er habe mit Überzeugung gekämpft und den Krieg geliebt. "Ich wollte die Christen auslöschen."

Trotzdem gilt Hassan laut somalischer Regierung als sogenannter Niedriggefährder oder Mitläufer. "Andere würden gar nicht in Baidoa aufgenommen, sondern der Militärjustiz überstellt", sagt Minister Abdirizak Omar Mohamed. Die Kriterien der Einteilung der Aussteiger behält der Nationale Geheimdienst NISA für sich.

"Über die Abläufe in den Camps bekommen wir viel zu wenig Informationen", bestätigt Valdemar Vrey, Direktor des UN-Programms, das Somalia beim Aufbau eines Rechtsstaats unterstützt. Dazu gehört die Koordination der Demobilisierung. "Es ist eine große Herausforderung, Menschen mit einem bestimmten ideologisch-psychologischen Hintergrund zu rehabilitieren." Wie kann man sicherstellen, dass der ehemalige Kämpfer seiner Ideologie tatsächlich abschwört? Wann kann man ihn gefahrlos in die Gesellschaft entlassen?

Auf der Seite der Sieger sein

In Baidoa werden die Aussteiger von einem Geistlichen betreut, Sheikh Aden Sak Wardhere. "Die meisten haben sich der Terrorgruppe aus finanziellen Gründen angeschlossen", sagt er. Sie hofften auf eine Art Gehalt. Im Gespräch bestätigt aber keiner der Aussteiger, dass er tatsächlich bezahlt wurde. "Wer ein ziviles Auskommen hat, geht nicht zur Shabaab-Miliz", ist Sheikh Aden dennoch überzeugt. Einige seien allerdings auch religiös in die Irre geleitet worden. "Denen muss man erklären, dass der Islam eine friedliche Religion ist."

Hassan hatte andere Gründe. Er habe vor allem auf der Seite der Sieger sein wollen. Als die Miliz von der Amisom in die Defensive gedrängt wurde, verlor sie für ihn an Faszination. Auch interne Säuberungswellen seien Grund für seine Abkehr gewesen. "Ich war dabei, als ein Kämpfer aus den USA ermordet wurde, er hieß Al-Amiriki. Da fing ich an mich zu fragen, was für einen Glauben sie uns eigentlich predigen."

Als er aussteigen wollte, gab Hassan den Ältesten seines Clans telefonisch ein Zeichen. Die bereiteten die Behörden von Baidoa vor, damit er nicht gleich ermordet wurde. Nach ausgiebigen Verhören durch den NISA kam er ins Lager von Baidoa, dem transparentesten und zugänglichsten in Somalia. Fast zwei Jahre ist er schon dort, bald soll er entlassen werden. Hassan gibt sich zuversichtlich. Kein Frust der Welt könne ihn zurücktreiben zur Miliz.