Koalition streitet über Kirchenasyl

Koalition streitet über Kirchenasyl
Das Kirchenasyl wird zum Zankapfel in der großen Koalition. Innenminister de Maizière spricht von Rechtsbruch, die SPD verteidigt den kirchlichen Schutz von Flüchtlingen. Die Behörden planen unterdessen Verschärfungen für die Betroffenen.

In der großen Koalition ist ein Streit über das Thema Kirchenasyl entbrannt. Die SPD wies am Montag Vorwürfe von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) gegen die beiden großen Kirchen zurück. "Pauschale Kritik am Kirchenasyl halte ich für unangemessen", sagte SPD-Vorstandsmitglied Kerstin Griese. De Maizière hatte den Religionsgemeinschaften indirekt Rechtsbruch vorgeworfen. Die Zahl der Kirchenasyle in Deutschland war jüngst stark angestiegen. Hintergrund sind die weltweiten Konflikte und Kriege sowie die EU-Asylbestimmungen.

Bundesweit kümmerten sich viele Gemeindemitglieder in beeindruckender Weise um Flüchtlinge, sagte Griese. Kirchenasyl sei häufig die letzte Möglichkeit, den Menschen beizustehen. Die kirchenpolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion ergänzte, sie habe Respekt vor allen Menschen, die aus christlicher Überzeugung Hilfe anböten, "auch wenn sie damit in Widerspruch zu staatlichen Entscheidungen geraten".

Verlängerte Überstellungsfrist ab Ende Februar?

De Maizière hatte laut "Spiegel" erklärt, als Verfassungsminister lehne er "das Kirchenasyl prinzipiell und fundamental ab". Als Christ habe er zwar Verständnis, dass die Kirchen "in Einzelfällen" unter dem Gesichtspunkt des Erbarmens Flüchtlinge aufnähmen. Doch es gehe nicht, dass sie sich eigenmächtig über bestehende Gesetze hinwegsetzten. Auch der Präsident des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), Manfred Schmidt, hatte den Kirchen vorgeworfen, deren Praxis diene immer häufiger dazu, die EU-Regelungen zu umgehen. Die Kirchen hatten dies zurückgewiesen.

Hintergrund des Streits ist eine geplante rechtliche Neubewertung des Kirchenasyls durch die Migrations-Behörde. Demnach sollen Menschen, die in Kirchen Schutz suchen, als "flüchtig" eingestuft werden. Das hätte zur Folge, dass sich die sogenannte Überstellungsfrist von sechs auf 18 Monate verlängert. Dies ist der Zeitraum, in dem die Flüchtlinge in jenes Land zurückverwiesen werden können, in dem sie zuerst den Boden der Europäischen Union betraten. Sie könnten also nicht mehr nach einem halben Jahr Kirchenasyl reguläres Asyl in der Bundesrepublik beantragen.

Ein BAMF-Sprecher bestätigte am Montag dem epd entsprechende Überlegungen. Dazu gebe es Gespräche zwischen der Behörde und den beiden großen Kirchen. Diese sollen nach Angaben aus Kirchenkreisen am 24. Februar abgeschlossen werden. Das Ergebnis ist offen.

"Flüchtig" im Kirchenasyl?

Laut den Dublin-III-Bestimmungen dürfen Flüchtlinge zunächst nur dort Asyl beantragen, wo sie zuerst in die EU einreisten. Das gilt nicht mehr, wenn die Überstellungsfrist überschritten ist. Die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche hatte die geplante Neubewertung kritisiert. Der Aufenthaltsort von Menschen im Kirchenasyl sei den Behörden bekannt, sagte die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft, Dietlind Jochims. "Wir sind überzeugt, dass auch Gerichte in diesem Sinne entscheiden werden."

Der Arbeitsgemeinschaft zufolge sind gegenwärtig 200 Fälle von Kirchenasyl mit mindestens 359 Personen bekannt, darunter sind 109 Kinder. Im Jahr 2013 gab es bundesweit erst 79 Fälle. Beim Kirchenasyl handelt es sich um eine zeitlich befristete Aufnahme von Flüchtlingen ohne legalen Aufenthaltsstatus. Es beruht auf einer stillen Übereinkunft zwischen Kirche und Staat. Beide Seiten fühlen sich in der Regel daran gebunden. Doch sind auch Fälle bekannt, in denen die Polizei das Kirchenasyl beendet hat. So wurde im Februar 2014 in Augsburg eine Tschetschenin mit ihren vier Kindern gewaltsam aus einer Kirche geholt und nach Polen abgeschoben.

An diesem Montag wollte de Maizière in Berlin mit dem Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, zusammenkommen. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums sagte dem epd, dabei könne auch das Thema Kirchenasyl zur Sprache kommen. Zuvor hatten sich Bedford-Strohm und führende EKD-Vertreter mit der SPD-Parteispitze getroffen.