Theologen zu Reformationsjubiläum: 2017 ist Anlass zu Freude und Selbstkritik

Theologen zu Reformationsjubiläum: 2017 ist Anlass zu Freude und Selbstkritik
Die beiden großen Kirchen sollten ihre unterschiedlichen Sichtweisen auf die bevorstehende 500-Jahrfeier der Reformation nach Expertenansicht beibehalten.

Das Jahr 2017 biete sowohl Anlass zum freudigen Feiern als auch zu selbstkritischer Besinnung, heißt es in dem Buch "Reformation 1517-2017" eines evangelisch-katholischen Theologenkreises, das an diesem Samstag erscheint. Die Konfessionen sollten es sich nicht nehmen lassen, ihre Grundeinstellung zum Gedächtnis der Reformation "jeweils unterschiedlich zu bestimmen".

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Am 31. Oktober 1517 begann mit dem Wittenberger Thesenanschlag durch Martin Luther (1483-1546) die Reformation. Sie hatte neben der von Luther nicht beabsichtigten Kirchenspaltung weitreichende Auswirkungen auf Politik, Gesellschaft und Kultur. Die 500-Jahrfeier wird seit längerem vorbereitet, unter anderem in der 2008 gestarteten Lutherdekade mit jährlichen Themenschwerpunkten. Die ökumenische Ausprägung von 2017 ist noch offen. Unterschiede gibt es schon in Begrifflichkeiten: Die evangelischen Kirchen wollen ein "Reformationsjubiläum" feiern, während auf katholischer Seite von "Reformationsgedenken" die Rede ist.

In dem Buch werben die Theologen für eine Fortführung des ökumenischen Gesprächs. Als offen wird unter anderem die Frage bezeichnet, was genau unter der "sichtbaren Einheit" der Kirchen zu verstehen sei. Konfessionsverbindende Ehen und Familien seien der Testfall für den "Respekt, den eine Kirche den Mitgliedern anderer Kirchen entgegenbringt", heißt es. Die Gemeinden sollten nach Ansicht der Fachleute ermutigt werden, "möglichst oft ökumenische Gottesdienste zu feiern und den Mitgliedern der anderen Kirchen dabei auch eucharistische Gastfreundschaft zu gewähren".

"Die Kirchen sind füreinander und nicht gegeneinander da"

Der Text wurde im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und katholischer Theologen erarbeitet, dem sogenannten Jaeger-Stählin-Kreis. Die Fachleute befassten sich seit 2009 mit der Vorbereitung des Buchs. Vorsitzende der Gruppe sind der Bischof der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, und der Mainzer Kardinal Karl Lehmann. Herausgeber des deutsch- und englischsprachigen Bandes, der parallel in zwei Verlagen erscheint, sind die katholische Münsteraner Theologin Dorothea Sattler und ihr evangelischer Fachkollege Volker Leppin aus Tübingen.

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Die Publikation umreißt die ökumenischen Perspektiven der Reformation sowie ihrer Wirkungen bis zur Gegenwart. Zunächst werden Vorgeschichte und Verlauf des Reformationsgeschehens im 16. Jahrhundert geschildert sowie systematisch-theologische Perspektiven aufgezeigt. Dabei geht es vor allem um die verschiedenen Vorstellungen des Begriffs "Kirche" und deren Gestalt. Schließlich nimmt der Band die ökumenischen Herausforderungen der Gegenwart und offene Fragen in den Blick. "Die Kirchen sind füreinander und nicht gegeneinander da", heißt es.

Die Autoren heben auch positive Gesichtspunkte des konfessionellen Ringens seit 1517 hervor. In der Kirchengeschichte seit der Reformation hätten sich "immer wieder bereichernder Lernprozesse" ereignet, heißt es in dem Buch. "Manchmal bedarf es eines kritischen Gegenübers, um sich der Begründung der eigenen Identität zu vergewissern." Während die römisch-katholische Kirche reformatorische Einsichten aufgenommen habe, hätten die evangelischen Kirchen in vielfacher Hinsicht von den Erfahrungen anderer christlicher Traditionen gelernt "und ihre Lehre und Praxis entsprechend modifiziert".