Rotes Kreuz erreicht umkämpfte Stadt Homs

Rotes Kreuz erreicht umkämpfte Stadt Homs
Einen Tag nach der Flucht der Deserteure aus Homs haben Truppen des syrischen Regimes die Kontrolle in der einstigen Hochburg des Widerstandes übernommen. Ein Hilfskonvoi des Roten Kreuzes und des syrischen Roten Halbmondes erreichte die wochenlang umkämpfte Stadt.

Der Geheimdienst sei zusammen mit der Armee und Milizionären des Regimes in das Viertel Baba Amro gekommen und habe eine große Zahl von Zivilisten festgenommen, berichteten Gegner des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Zehn junge Männer seien öffentlich hingerichtet worden. Die Vereinten Nationen reagierten besorgt auf Berichte über derartige Gräueltaten. Neben Hinweisen auf verschiedene brutale Verbrechen in Baba Amro gebe es einen Bericht über eine Massenexekution am Donnerstag, der 17 Menschen zum Opfer gefallen sein sollen.

"Wir sind durch solche Angaben sehr beunruhigt, auch wenn wir sie im Moment nicht verifizieren können", sagte der Sprecher des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR), Rupert Colville, in Genf. "Es darf Racheakte wie Exekutionen, Folter oder willkürliche Verhaftungen nicht geben." Die Hochkommissariat für Menschenrechte appelliere an die syrischen Behörden, sofort sicherzustellen, dass keine derartigen Verbrechen verübt werden, sagte Colville.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte, die Gewalt des Regimes gegen die Zivilbevölkerung sei "völlig inakzeptabel". Die EU werde alles tun, damit diejenigen, "die heute Menschenrechte aufs Schärfste verletzen, in Zukunft auch zur Verantwortung gezogen werden", sagte Merkel nach dem EU-Gipfel in Brüssel.

Plündernde Milizionäre

Oppositionelle berichteten, alle Anführer des Aufstandes in Baba Amro hätten sich vor dem Eindringen der Armee in Sicherheit bringen können. In den Foren der Oppositionellen hieß es am Freitag, Bürgerjournalisten, das medizinische Personal der Behelfsklinik des Viertels und die Deserteure hätten rechtzeitig fliehen können. Unter ihnen sei auch Oberstleutnant Abdul Rasak Tlass, der Kommandeur einer Brigade von Deserteuren. Die Regierungstruppen hatten das seit Wochen belagerte Viertel am Donnerstag nach dem Rückzug der Deserteure gestürmt. Die Milizionäre hätten aus den Häusern in großem Stil Wertgegenstände gestohlen. Etliche Häuser seien angezündet worden.

Inzwischen erreichte ein Hilfskonvoi des Roten Kreuzes mit sieben Lastwagen Homs. Freiwillige Helfer stünden bereit, um notleidende Menschen in dem vorher tagelang umkämpften Viertel Baba Amro zu versorgen, berichtete die Sprecherin des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK), Carla Mardini. Wann die Behörden den Helfern den Zugang zu dem Viertel ermöglichen werden, blieb zunächst unklar.

Ein Sprecher des Roten Kreuzes in Damaskus sagte, die Krankenhäuser in Homs seien gut ausgestattet. Lediglich in den Behelfskliniken, die in Privathäusern eingerichtet wurden, herrsche Mangel. "Wir sind jetzt mit Einwilligung beider Seiten dort", erklärte er. Anhänger der Protestbewegung suchen die staatlichen Krankenhäuser oft nicht auf, weil sie Angst haben, dort getötet oder festgenommen zu werden.

[listbox:title=Mehr im Netz[Sana-Meldung zur angeblichen Entdeckung der getöteten Journalisten##Aufnahme von angeblichem Granatbeschuss bei Protest in Al-Rastan]]

Die Protestbewegung hatte für diesen Freitag zu Demonstrationen unter dem Slogan "Freitag der Bewaffnung der Freien Syrischen Armee" aufgerufen. Aktivisten veröffentlichten ein Video, das ihren Angaben zufolge zeigt, wie die erste von mehreren Granaten die Teilnehmer einer Anti-Regime-Kundgebung in der Ortschaft Al-Rastan trifft. 16 Menschen seien bei der Kundgebung getötet worden, hieß es. Landesweit zählten die Aktivisten bis zum Nachmittag 37 Todesopfer.

Aktivisten veröffentlichten zudem zwei Videos, in denen angeblich gezeigt wird, wie die bei einem Angriff auf Baba Amro getötete US-Reporterin Marie Colvin und der französische Fotograf Remi Ochlik am vergangenen Montag nachts in einem Garten beerdigt wurden. Ein Arzt der Behelfsklinik des Viertels, der auch in einem Video mit der verletzten französischen Journalistin Edith Bouvier aufgetaucht war, hält eine Art Grabrede auf die beiden.

Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana behauptete am Freitag, die Leichen der getöteten Ausländer seien entdeckt worden. Allerdings ist in der Sana-Meldung von drei Leichen die Rede. Der dritte angeblich getötete Journalist - der Spanier Javier Espinosa - hatte Syrien jedoch diese Woche in Richtung Libanon verlassen. Bouvier und dem französischen Fotografen William Daniels war am Donnerstag die Flucht in den Libanon gelungen. Sie reisten am Freitag nach Angaben der libanesischen Nachrichtenagentur NNA nach Paris.

dpa