"Haie gehören ins Meer, nicht in die Suppe"

"Haie gehören ins Meer, nicht in die Suppe"
In China sind Haifischflossen eine Delikatesse - die sich endlich nicht mehr nur Reiche leisten könnten. Weil die Kampagnen der Artenschutzorganisation WWF endlich Früchte tragen, verschwindenden die Haifischflossen nun von immer mehr Menükarten der Restaurants und aus den Supermarktregalen. Dieser Etappensieg zum Schutz der Haiarten hat bei so manchen Familienessen während des chinesischen Neujahrsfestes im Januar für reichlich Zunder gesorgt.
22.02.2012
Von Michael Lenz

Die jahrelange Kampagne "Say No To Shark's Fin" der Artenschutzorganisationen WWF zur Ächtung der von Chinesen als Delikatesse angesehenen Haifischflossensuppe zeigt Erfolg. Internationale Hotelketten und große Supermarktunternehmen haben die Haifischflossensuppe für immer geächtet – einige pünktlich zum chinesischen Neujahr, andere schon zum westlichen Silvester.

Dieser Etappensieg zum Schutz der Haiarten hat bei so manchen Familienessen während des chinesischen Neujahrsfestes im Januar für reichlich Zunder gesorgt. Wei Tze erinnert sich: "Mein Vater war außer sich. Er sieht die Verbannung der Haifischflossensuppe als einen Anschlag westlicher Besserwisser auf eine uralte chinesische Tradition", erzählt der 38 Jahre alte Werbegrafiker aus Singapur. Elaine Tan, Chefin des WWF Singapur, bestätigt den einsetzenden Bewusstseinswandel in Singapur: "Vor allem Jüngere sagen immer häufiger ‚Nein' zur Haifischflossensuppe."

Internationale Hotel- und Supermarktunternehmen haben aus dem Wertewandel die Konsequenzen gezogen. "Als Asiens ältestes Hotelunternehmen hoffen wir, dass unsere Entscheidung andere Unternehmen des Gastgewerbes zur Nachahmung inspiriert und dass unsere Branche dazu beiträgt, die Biovielfalt unserer Ozeane zu bewahren", begründete die Luxushotelkette Peninsula aus Hongkong den Verzicht auf die Haifischflossensuppe. Die Hotelgruppe Shang-ri La geht bei ihrem Meeresschutz noch einen Schritt weiter und hat außer der Haifischflossensuppe auch die in ihrem Bestand bedrohten Blauflossenthunfische sowie chilenische Seebarsche von der Karte gestrichen.


73 Millionen Haie müssen jährlich ihr Leben lassen - wegen der Flossen

Silvy Pun freut sich über den Erfolg für den Artenschutz. "Das ist zweifellos eine sehr positive Entwicklung für den Erhalt der Haispezies", sagt die Haiexpertin der Artenschutzorganisation WWF Hongkong. Über Hongkong und Singapur, so der WWF, werde der größte Teil des Welthandels mit Haifischflossen abgewickelt.

73 Millionen Haie, so der WWF, müssen jährlich ihr Leben lassen. Viele davon nur ihrer Flossen wegen. Immer mehr Haiarten drohen durch Überfischung für immer zu verschwinden. 1996 waren nur 15 Haiarten von Artenschützern als vom Aussterben bedroht gelistet, 2010 waren es laut der Roten Liste der International Union for Conservation of Nature (IUCN) bereits 181. Tendenz steigend. Bei einigen Arten, wie den Hammerkopfhaien, hat laut WWF der Bestand in den letzten 50 Jahren um bis zu 90 Prozent abgenommen.

Der Effekt der Überfischung wird verschärft durch die extrem langsame Reproduktion der Haie. Anders als die meisten Fischarten wachsen Haie nur sehr langsam und erreichen teilweise erst mit 30 Jahren die Geschlechtsreife. Einige Arten bringen dann nur alle zwei Jahre wenige Junge in ihre maritime Welt. Die "Gewinnung" von Haifischflossen ist zudem ein brutales und blutiges Geschäft. Nicht selten werden den Haien bei lebendigem Leib die Flossen abgeschnitten und der Rest des Tieres wieder ins Wasser geworfen. Ohne Flossen bewegungsunfähig versinkt der Hai und ertrinkt jämmerlich.

Die Verbannung der Haifischflossen von den Menüs hat eine "nicht zu unterschätzende Symbolkraft"


Die Verbannung der Haifischflossen von den Menüs der Luxushotels und aus den Regalen der Supermärkte ist vielleicht noch nicht der große Wurf zum Schutz der Haie. In den vielen kleinen Restaurants von Hongkong und Singapur war zum Drachenjahr die Haifischflossensuppe nach wie vor der große Renner. Durch den wachsenden Wohlstand in China, in Hongkong, in Singapur kommt bei immer mehr Menschen zu Festen diese Delikatesse auf den Tisch, die früher nur dem Kaiser von China und den Reichen vorbehalten war. Elaine Tan vom WWF Singapur betont aber die "nicht zu unterschätzende Symbolkraft" des in Hongkongs und Singapurs Medien kontrovers diskutierten Vorpreschens der Nobelherbergen und Supermärkte. "Wir applaudieren Unternehmen wie (der Supermarktkette) Cold Storage und der Peninsula Hotel Group für die Übernahme einer Führungsrolle zur Ächtung der Haifischflossen."

Von dem Symbolwert erhofft sich Daniel Doughty von Borneo Conservancy zusätzliche Schubkraft für das geplante Haireservat vor der Küste Sabahs auf Borneo entgegen. Die Gewässer vor der Ostküste Borneos sind Heimat einer noch gesunden und weitgehend intakten, artenreichen Haipopulation. "Wir haben die Unterstützung der Gemeinden an der Küste als auch der lokalen Tourismusbranche. Die Haie hier sind schon lange als Touristenattraktion ein gutes Geschäft", sagt der Malaysier stolz. Aber noch zögert die Regierung des malaysischen Bundesstaates Sabah, nicht zuletzt auf Druck der Haifischerlobby, mit ihrer Zustimmung zu dem 8.000 Quadratkilometer große Semporna Haischutzgebiet. Da kann internationale Hilfe nicht schaden, finden Doughty und seine Mitstreiter aus 20 Organisationen und haben eine internationale Petition für das Semporna Shark Sanctuary ins Netz gestellt.

Die Shang-ri La Hotelgruppe sieht sich auf dem richtigen Kurs. "Wir haben von unseren Gästen eine beeindruckende Zahl von positiven Kommentaren erhalten", berichtet freudig Maria Kuhn, Direktorin für Unternehmenskommunikation. Nicht zuletzt weil auch chinesische Promis wie die 2,29 Meter große Basketballlegende Yao Ming (der, Nome nest Omen, seine Karriere bei den Shanghai Sharks begann) oder Filmstar und Cantopop-Sängerin Miriam Yeung inzwischen finden: "Haie gehören ins Meer, nicht in die Suppe."


Michael Lenz ist freier Journalist in Südostasien.