Streit um Ausbau der Windkraft auf dem Meer

Streit um Ausbau der Windkraft auf dem Meer
Offshore-Windparks sollen einen großen Teil der Energiewende schultern. Könnten sie auch, wenn man eine Lösung findet, die Parks zügig ans Stromnetz anzubinden. Oder sind die Ziele zu hoch gesteckt?
17.02.2012
Von Nadine Murphy

Die deutsche Energiewende hat kaum begonnen, da geht der Streit schon los: Ausgerechnet beim Ausbau der Windkraft auf dem Meer, einem der großen Hoffnungsträger der Bundesregierung auf dem Weg in eine grüne Energiezukunft, verhärten sich die Fronten. Der Anschluss der Windparks an das Stromnetz durch die Netzgesellschaften verzögert sich und damit auch der Bau der Parks. Keiner will die Verantwortung auf sich nehmen. Betreiber wie der Energieriese RWE denken über Schadenersatzforderungen nach. Netzbetreiber Tennet ruft nach Lösungen aus Berlin.

Die Ziele der Bundesregierung sind hochgesteckt und Zweifel werden lauter, ob sie eingehalten werden können: Bis 2020 soll der Ausbau der Windenergie auf 10.000 Megawatt (MW) ansteigen, 2030 sollen 35.000 MW am Netz sein. Bisher sind aber erst 200 MW vor Deutschlands Küsten installiert. Das Ausbauziel bis 2020 sei "auf keinen Fall" mehr erreichbar, sagte kürzlich Hans Bünting, der künftige Chef der Erneuerbare-Energien-Sparte RWE Innogy. So verzögert sich der Anschluss des Windparks Nordsee Ost vor Helgoland um ein Jahr, weil der Netzanschluss später gelegt wird. Den Schaden schätzt RWE auf 100 Millionen Euro und prüft Schadenersatzforderungen.

Unvorhersehbare Entwicklungen?

Um weitere Bauentscheidungen treffen zu können, müsse es erst Rechtssicherheit über die Anbindung geben, sagt Bünting. Das gilt vornehmlich für das nächste, dreimal so große Projekt von RWE, einen Windpark nördlich von Juist. Auch beim Versorger Eon ist man sauer. "Die Situation ist katastrophal", sagte der Chef der Sparte Climate & Renewables, Mike Winkel, der "Berliner Zeitung". Eons erster großer deutscher Offshore-Windpark Amrumbank West soll mit 15 Monaten Verspätung angeschlossen werden. Angesichts des unsicheren Netzanschlusses will Eon erst einmal keine neuen Investitionsentscheidungen treffen. Die Netzbetreiber hätten "sich selbst über- und die Probleme unterschätzt", sagt Winkel.

Das weist der Netzbetreiber Tennet, der den Auftrag für den Anschluss der Windparks an der deutschen Küste hat, weit von sich. "Wir haben uns weder überschätzt noch waren wir zu optimistisch. Die Situation hat sich in den vergangenen eineinhalb Jahren stark verändert. Das konnte niemand voraussehen", sagt eine Sprecherin. Die Zahl der genehmigten Windparks habe sich auf mittlerweile 25 verdreifacht, zudem stünden schon wieder 55 neue Parks zur Genehmigung an. "Das ist eine rasante Beschleunigung, gleichzeitig haben sich aber die Rahmenbedingungen nicht mitentwickelt." Es müssten künftig immer mehr Parks parallel angebunden werden, während Fachkräfte, Material und Geräte sowie die Zeit knapper würden.

"Verzögerungen wegen technischer Probleme"

Tennet räumt ein, dass es bei zwei von insgesamt neun Anschlussprojekten Verzögerungen gibt, wegen technischer Probleme der Generalunternehmer. Davon sei der Eon-Windpark Amrumbank West aber nicht betroffen. Aus Sorge vor der zukünftigen Entwicklung hat der Netzbetreiber schon an höchster Stelle Alarm geschlagen. Die Sprecherin verweist auf einem Brief an die Bundesregierung vom November, in dem Tennet auf zu befürchtende Engpässe hinwies.

Tennet begrüßt, dass die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe "Beschleunigung der Netzanbindung" einberufen hat. Zu konkreten Lösungsvorschlägen hält Tennet sich bedeckt. Gut wäre ein langfristiger Offshore-Ausbauplan, heißt es lediglich. RWE dagegen wünscht sich Klarheit darüber, wer bei Verzögerungen haften soll. Bis Ostern, so die Hoffnung der Beteiligten, sollen erste Vorschläge auf den Tisch kommen.

dpa