Der Weltkirchenrat steckt in der Krise

Der Weltkirchenrat steckt in der Krise
Dem Ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK) droht ein finanzielles Desaster: Der Pensionsfonds des Zusammenschlusses steht mit 24 Millionen Euro im Minus. Zur Rettung der Rentenkasse muss der Kirchenbund das Tafelsilber verkaufen.
14.12.2011
Von Jan Dirk Herbermann

Die Weihnachtszeit des Jahres 2011 ist für die Mitarbeiter des Weltkirchenrates keine Zeit der freudigen Erwartung. Im Gegenteil: Die rund 135 Angestellten schauen mit großer Sorge in die Zukunft. Denn der Pensionsfonds des Weltkirchenrates schiebt ein riesiges Defizit vor sich her: Die Kasse hat ein Minus von 30 Millionen Franken (rund 24 Millionen Euro).

"Der Pensionsfonds befindet sich in einer sehr schwierigen Lage", warnt Olav Fykse Tveit, der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen. "Wir müssen und werden diese Krise lösen, anderenfalls könnte sich die Krise des Fonds zu einer institutionellen Krise des gesamten ÖRK ausweiten."

Schweizer Behörden alarmiert

Die roten Zahlen im Pensionsfonds haben auch die Schweizer Behörden alarmiert. Die eidgenössische Finanzmarktaufsicht verlangt eine langfristig stabile Strategie, um den Fonds aus seiner misslichen Lage zu befreien. Die Kalamitäten des Fonds treffen den ÖRK mit seinen rund 350 Mitgliedskirchen zu einer denkbar ungünstigen Zeit: Der ÖRK muss finanziell abspecken. Sinkende Mitgliedsbeiträge und der starke Schweizer Franken zwingen zu einem harten Sparkurs.

Inzwischen haben sich die Verantwortlichen des ÖRK-Pensionsfonds entschlossen, einem größeren Fonds beizutreten. Die Verhandlungen mit einem möglichen Partner laufen, es ist ein Partner, der auch die Rentenkassen anderer internationaler Organisationen managt. Nur: Um die Gespräche zu einem erfolgreichen Ende zu führen, muss der Weltkirchenrat die fehlenden 30 Millionen Franken aufbringen.

In der Chefetage macht man klar: Ein langfristiger Bankenkredit in Höhe von 30 Millionen Franken mit möglicherweise hohen Zinsen wäre ein riskanter Weg. Also muss man an das Tafelsilber heran. "Der Weltkirchenrat besitzt Immobilien in den Kantonen Genf und Waadtland", erläutert Tveit. Allein das Terrain in Genf, auf dem die Zentrale steht, umfasst 35.000 Quadratmeter. Es ist eine Gelände in bester Lage. Die Immobilienpreise in der UN- und Bankenstadt Genf gehören zu den höchsten in der Welt.

Zwei Fliegen mit einer Klappe?

Tveit betont: Seine Organisation führt Gespräche mit Immobilien- und Baufirmen, um das Grundstück zu vermarkten. Falls der Plan aufgeht, hätte der Weltkirchenrat zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Durch Verkäufe könnte man die fehlenden 30 Millionen Franken für den Pensionsfonds einlösen. Und: Durch Vermietung neuer Gebäude hätte man eine langfristig sprudelnde Einnahmequelle erschlossen. Falls der Plan scheitert, ist die Altersversorgung der ÖRK-Mitarbeiter akut gefährdet. "Wir sind sehr beunruhigt", sagt ein Angestellter, der anonym bleiben will. "Wir fragen uns: Wie konnte es soweit kommen?"

Die Krise hat viele Ursachen: Um Gehälter zu sparen, trennte sich der ökumenische Dachverband von vielen Mitarbeitern, Ende der 90er Jahre standen noch rund 350 Mitarbeiter auf der Gehaltsliste des Dachverbands. Heute sind es etwa 135. Weniger Mitarbeiter bedeutet aber auch weniger Beitragszahler für den Pensionsfonds. Die Zahl der Empfänger von Pensionen verminderte sich aber nicht im gleichen Ausmaß wie die Zahl der Einzahler. Gleichzeitig zogen es viele ÖRK-Mitarbeiter bei ihrem Abschied vor, eine garantierte Summe vom Fonds zu verlangen. "Diese hohen Einmalzahlungen gehen an die Substanz des Fonds", erklärt ein ehemaliger Mitarbeiter des Weltkirchenrates.

Für Generalsekretär Tveit, der 2010 das Amt übernahm, ist der Pensionsfonds aber nur ein Finanzproblem unter vielen. Vor allem die sinkenden Mitgliederbeiträge machen dem ÖRK zu schaffen: Waren es 2009 noch 5,6 Millionen Schweizer Franken, gingen 2010 nur 5,1 Millionen Schweizer Franken in die Kasse ein. Nur 230 der 350 Mitgliedskirchen überwiesen 2010 einen Beitrag nach Genf.

Kirchen bestimmen Zuschüsse selbst

"Wir drängen alle unsere Mitglieder, einen Beitrag zu entrichten", unterstreicht Tveit. Zwar existiert ein Schlüssel, nach dem die Höhe des Beitrages berechnet wird. Letztlich bestimmen die Kirchen aber selbst, ob und wie viel sie zahlen. Die Zahlungen der russisch-orthodoxen Kirche etwa lösen bei vielen anderen Kirchen nur Kopfschütteln aus. Die Russische Orthodoxe Kirche umfasst nach eigenen Angaben weltweit 164 Millionen Gläubige. Und sie besitzt große Vermögenswerte.

Moskau zahlte 2010 einen Mitgliedsbeitrag von exakt 9.648 Schweizer Franken in die ÖRK-Kasse, plus 1.000 Franken für die Programmarbeit des Weltkirchenrates. Zum Vergleich: Der Evangelische Regionalverband Herborn-Biedenkopf in Hessen, der nicht direkt dem ökumenischen Weltbund angehört, gab sich wesentlich generöser. Der Regionalverband überwies dem ÖRK im verganganen Jahr 15.040 Schweizer Franken für Programmarbeit.

epd