Krabbenfischer der Nordseeküste, vereinigt euch!

Krabbenfischer der Nordseeküste, vereinigt euch!
Mit einer spektakulären Verkaufsaktion protestieren die deutschen Krabbenfischer gegen Monopole und Regierungen. Sie verdienen mit ihrem Beruf zu wenig Geld und wollen sich nun selber helfen.
24.11.2011
Von Hermannus Pfeiffer

Trotz Rekordfängen droht den letzten deutschen Krabbenfischern der Untergang. Der Kilopreis für das "Rote Gold" der Küste ist auf einen Schrottpreis von 1,50 Euro pro Kilo gefallen. Als auskömmlich gelten in der Branche 3,00 Euro. "Die deutschen Krabbenfischer stehen vor einem Katastrophenjahr", beklagt André Hamann, Sprecher der See- und Krabbenfischer an der deutschen Nordseeküste. Dabei hatte im Frühjahr noch alles nach einer erfolgreichen Saison ausgesehen.

Mit Niedrigpreisen müssen Krabbenfänger wie auch Schollen-, Küsten- und Flussfischer seit langem leben. Zum einen macht ihnen die Konkurrenz der industriellen Großfischerei das Leben schwer, zum anderen läuft der Handel über wenige Großhändler. Obendrein sind sich die Fischer untereinander nicht immer grün. Eigentlich. Doch im Frühjahr begannen die Krabbenfischer, den Märkten zu trotzen. So blieben im März nahezu sämtliche Krabbenfischer tagelang im Hafen still liegen und man einigte sich sogar mit holländischen und dänischen Konkurrenten auf Fangbeschränkungen. Damit wollten die Fischer vor allem gegen Dumpingpreise der zwei holländischen Großhändler protestieren, die etwa 90 Prozent des Marktes beherrschen.

"Der Streik hat sich gelohnt", freute sich Krabbenfischer Hamann. Am Beginn hatte der Großhandel rund 1,50 Euro pro Kilo gezahlt, im Spätsommer näherte sich der Preis der 3,00 Euro-Marke. "Damit kann man klar kommen", meinte Hamann noch im August, dessen roter Kutter "Stolper-Bank II" im Hafen des Badeortes Büsum beheimatet ist. Doch im September brach die Streikfront zusammen; viele deutsche und niederländische Fischer fahren seither wieder auf eigene Rechnung raus.

Bestände sind "sehr gut und nachhaltig"

[listbox:title=Info: Die Mini-Flotte[Fischfang ist in Deutschland vor allem Küstenfischerei. Die Hochseefischereiflotte besteht nur noch aus neun Schiffen, die immerhin bis in den Pazifik auf Fang fahren. Die Einrichtung der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone im Jahre 1977 durch die Seerechtskonferenz in New York hatte in der Bundesrepublik zu einem gewaltigen Schrumpfungsprozess geführt, und mit dem Ende der DDR wurde zugleich das Ende der großen ostdeutschen Flotte besiegelt. Dagegen halten Spanien und Portugal, Frankreich, Dänemark und Holland riesige Flotten vor, um Milliarden Euro im Export in die ganze Welt zu verdienen. Viele nationale Regierungen lassen ihren Fischern - trotz anders lautender Empfehlungen von EU-Kommission und Wissenschaftlern - daher zu hohe Fangmengen durchgehen. Da die europäischen Fischgründe trotzdem bei weitem nicht für die Industrieflotten ausreichen, kauft die EU "Quoten" vor allem an der Westküste Afrikas und vor Grönland zu.]]

Gerold Conradi, erster Vorsitzender der Erzeugergemeinschaft Kutter- und Küstenfischer Emsmündung, warnt vor einer "Eskalation", wenn sich auch im Winter einige Fischer "unfair" gegenüber ihren Kollegen verhielten. Viele Fischer, so heißt es im offiziellen Mitteilungsblatt des Deutschen Fischerverbandes, seien nicht mehr weit davon entfernt, "körperliche Gewalt" gegen egoistische Konkurrenten anzuwenden.

Die 220 deutschen Krabbenfischer stehen sinnbildlich für ein europäisches Problem: Eine Viertelmillion Menschen verdienen ihr tägliches Brot mit dem Fang von Meeresfrüchten vor Europas Küsten, in Flüssen und Fjorden. Doch es geht nicht alleine um Jobs, die direkt am Fischfang hängen, es geht ebenso um regionale Standortqualitäten, um Tourismus und um eine uralte Arbeitskultur an den Rändern Europas. Trotz der übereifrigen Kritik durch "grüne" Lobbyorganisationen wie WWF und Greenpeace eine umweltverträgliche Kultur zudem: Das erst 2007 geänderte Nationalparkgesetz erlaubt ausdrücklich die erwerbsmäßige Fischerei auf Krabben - selbst in der höchsten Schutzkategorie. Und aktuell "sind die Bestände sehr gut und nachhaltig", bestätigt Thomas Neudecker vom Johann Heinrich von Thünen-Institut, einer der besten Kenner der Küstenökologie. 

"Die Netze sind prall gefüllt"

In vielen Regionen gefährden die großen industriellen Trawlerflotten oder national subventionierte, hochgerüstete Küstenfangschiffe den Bestand in den traditionellen Fanggebieten der älteren Kutter und kleinen Boote. Und wo die Industriekonkurrenz nicht den Bestand an Fischen gefährdet, machen sie durch ihre großen Fangmengen die Preise kaputt. So mangelt es an der deutschen Küste keineswegs an Krabben. "Die Netze sind prall gefüllt", sagte Peter Breckling vom Verband der deutschen Kutter- und Küstenfischer in Hamburg. Doch der Erzeugerpreis von 1,50 Euro reichte trotz Rekordfängen in 2011 kaum, "um den Diesel und den Decksmann zu bezahlen". Das Geschäft machen der Groß- und Einzelhandel: Im Laden kostet ein Kilo ungepulter Krabben 7,99 Euro.

Doch die Küstenbewohner wehren sich. In der jüngsten Ausgabe des Verbandsorganes "Fischerblatt" bieten gleich 49 Eigentümer ihren Kutter zum Verkauf an. Aus Protest gegen die Niedrigstpreise im monopolisierten Großhandel und die Tatenlosigkeit der Regierungen. Mittlerweile ist der Krabben-Kampf im Bundestag angekommen. Cornelia Behm, landwirtschaftspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis90/Die Grünen: "Die Bundesregierung ist im Hinblick auf die Bewältigung der Krise weitgehend konzeptionslos." Die Regierung wehrt sich und verweist auf Gespräche mit den Niederlanden. Eine Krabben-Konferenz in Amsterdam mit Regierungsvertretern auch aus Dänemark und Belgien, mit Wissenschaftlern und Fischern soll bei der Lösung helfen. Klar sei aber auch, so Staatssekretär Peter Bleser vom Bundeslandwirtschaftsministerium in Berlin, es werde keinerlei "Eingriffe in den Wettbewerb" geben. Wenigstens organisatorische Unterstützung kommt aus den Fischereiministerien in Kiel und Hannover. Aber auch dort wiegelt man ansonsten ab: "Der Schlüssel für die Lösung liegt bei den Fischern selbst."

Das scheinen das nun ähnlich zu sehen. Die spektakulären Kutter-Kleinanzeigen für die "Liekedeelers", "Palomas" und "Hindenburgs" - allesamt "noch in der Fischerei tätig" - seien "ein kleiner Anstoß an die Politik", den Konkurrenzkampf zu regulieren, warnt Sprecher Hamann. Doch viele Fischer wollten auch "wirklich ihren Kutter verkaufen". Eine gemeinsame Vermarktungsorganisation als Gegenmacht sei nun geplant, man arbeite gerade an der Satzung. Noch sind die 220 Haupterwerbs-Krabbenfischerbetriebe in Deutschland in acht Erzeugerorganisationen zersplittert. Die Vorbereitungen für den Zusammenschluss der Fischer in einer einzigen Genossenschaft "laufen auf Hochtouren".


Hermannus Pfeiffer arbeitet als freier Wirtschaftspublizist in Hamburg.