CDU-Chefin Merkel wirbt für Reformen und Europa

CDU-Chefin Merkel wirbt für Reformen und Europa
Beim CDU-Parteitag verteidigt Kanzlerin Merkel ihre Kursänderungen und wirbt bei ihrer verunsicherten CDU für Reform-Mut. Europa erklärt sie zum Schlüssel der Zukunft, ihre Partei bittet sie um Gefolgschaft. Die Mindestlohn-Debatte brachte sie auf den gefassten Kompromiss: Im Prinzip ja, aber nicht flächendeckend, einheitlich und politisch bestimmt.

Mit klaren Bekenntnissen zu Europa und Mindestlöhnen sowie einer Kampfansage an den Rechtsextremismus will Kanzlerin Angela Merkel ihrer verunsicherten CDU neue Orientierung geben. Beim CDU-Parteitag am Montag in Leipzig rief sie Partei und Bürger zugleich zu mutigen Reformen auf. "Wir leben in Zeiten epochaler Veränderungen", sagte die CDU-Vorsitzende. Es könnten heute nicht Antworten von vor 30 Jahren für richtig gehalten werden.

Überraschend machte sie sich für ein neues Verbotsverfahren gegen die rechtsextremistische NPD stark. Nach den Neonazi-Morden an neun Ausländern und einer Polizistin will sie die Erfolgsaussichten für ein solches Verfahren prüfen lassen. Dazu legte sie dem Parteitag mit CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und anderen einen Initiativantrag vor. Das Bundesverfassungsgericht hatte ein erstes Verbotsverfahren 2003 gestoppt, weil Verbindungsleute des Verfassungsschutzes in der NPD aktiv waren. Merkel nannte die Morde eine Schande für das Land.

Die CDU als "deutsche Europapartei"

Mit Blick auf die Schuldenkrise in Europa bat die Parteichefin die CDU ungewöhnlich offen um Geschlossenheit und Veränderungsbereitschaft. Der Parteitag müsse das Signal senden: "Wir verzagen nicht, wir jammern nicht, wir nörgeln nicht, sondern wir wissen, dass wir eine Aufgabe haben." Dann könne die CDU große Volkspartei der Mitte bleiben. Die Europäische Union (EU) sei vielleicht "in der schwersten Stunde" seit dem Zweiten Weltkrieg. "Die historische Bewährungsprobe unserer Generation ist es, zu zeigen, dass unser Kontinent, unser Europa es schaffen kann, den Augenblick der Krise zu einer Wende zum Guten zu nutzen."

Der Parteitag beschloss einen Leitantrag zur Europa-Politik, wonach die CDU die Eurozone mit ihren 17 Mitgliedsstaaten verteidigen, chronischen Schuldenstaaten aber einen freiwilligen Austritt ermöglichen will. Sie sollen dann aber EU-Mitglied bleiben. Ferner setzt sich die CDU für eine Finanztransaktionssteuer ein - notfalls nur in der Eurozone - ohne den Finanzplatz London. Die Kriterien zur Euro-Stabilisierung sollen verschärft werden.

Der Vorsitzende der Europäischen Volkspartei (EVP) und frühere belgische Regierungschef Wilfried Martens sagte vor den Delegierten: "Der Schlüssel zur Lösung der europäischen Schuldenkrise liegt in Deutschland." Mit ihren bereits umgesetzten Sozial- und Arbeitsmarktreformen sei die Bundesrepublik ein "Modell für ganz Europa". Gröhe rief: "Wir sind die deutsche Europapartei." Die Sorgen der Bürger würden ernstgenommen. Antieuropäischen Stimmungsmachern werde sich die CDU aber entgegenstellen.

Merkel: Kursänderungen schaden der CDU nicht

Merkel verteidigte die CDU-intern umstrittenen Kursänderungen bei der Bildung, Mindestlohn, Atomausstieg und Wehrpflicht. Die CDU verliere dabei weder Fundament noch Kompass.

Sie warb für den erst am Vortag zwischen den Parteiflügeln gefundenen Kompromiss für die geplante CDU-Forderung nach Mindestlöhnen: "Niemand von uns will einen flächendeckenden, einheitlich politisch festgelegten gesetzlichen Mindestlohn." Zur Realität gehöre aber auch, dass es nicht für alle Beschäftigungsverhältnisse Tarifverträge gebe. Dort solle es eine Lohnuntergrenze geben. Die Höhe solle sich an allgemeinen Aussagen spezifischer Branchentarifverträge orientieren und von Gewerkschaften und Arbeitgebern ausgehandelt werden.

Die Parteichefin verteidigte zudem die lange umstrittenen Pläne für eine neue Schulpolitik, über die der Parteitag an diesem Dienstag abstimmen soll. Gemäß einem Zwei-Wege-Modell soll es demnach neben dem Gymnasium eine Oberschule geben, in der Haupt- und Realschulen zusammengelegt werden. Merkel bekannte sich klar "zum Gymnasium und gegen die Einheitsschule", fügte aber auch hinzu: "Funktionierende Hauptschulen können und werden bestehenbleiben."

dpa