Mission im Alltag: "Bibel to go" für den Nahverkehr

Mission im Alltag: "Bibel to go" für den Nahverkehr
Jeder hat sie schon gesehen: Bibelverse, die meist in altmodischer Schrift auf Litfaßsäulen plakatiert sind. Michael Stahl, Vorsitzender des Christlichen Plakatdienstes Hamburg, will Plakatmission vom altbackenem Image befreien. Gerade hat der Plaktdienst Hamburg eine Plakatserie mit Motiven geschaltet, die zum Nachdenken im Alltag anregen will. Ist Plakatmission noch zeitgemäß? Ja findet Michael Stahl, aber die Plakate müssen gut gemacht sein und dem Betrachter Freiräume zur Interpretation einräumen.
07.11.2011
Von Michael Stahl

"Stehplatz, Schwarzfahrer, Warteschlange, Coffee to go…" Wer in diesen Wochen in der Hamburger U-Bahn unterwegs ist, reibt sich verwundert die Augen. Die Hamburger Künstlerin Eva Jung hat alltägliche Begriffe aus der Welt des öffentlichen Nahverkehrs in großen Lettern auf bunt leuchtende Plakate gebracht. Wer sie von Nahem betrachtet, entdeckt im Kleingedruckten einen Bibelvers, auf den das Schlagwort hinweist. Jung, die gerade in Cannes den Design-Preis "Goldenen Löwen" für ihre Gestaltung der Basis-Bibel erhalten hat, hat bereits viele solche "Wertvollworte" entwickelt. Viele Menschen kennen sie aus dem Internet oder als Karten-Set. 

Warteschlange" steht groß auf dem Plakat. Im Kleingedruckten steht:"Auch ihr müsst geduldig sein und dürft nicht mutlos werden. Denn Gott kommt bald." (Jakobus 5,8) Foto: Andreas Salomon-Prym/AFÖ

"Bibel to go" für den Alltag

Für den ökumenischen Christlichen Plakatdienst in Hamburg hat die Künstlerin nun eine Serie von 15 Großplakaten für die U-Bahn gestaltet. Mit einem Augenzwinkern bringt sie die Bibel ins Gespräch, wo Menschen unterwegs sind.

Auf anregende Weise – um die Ecke gedacht - bilden die Plakate einen geistlichen Störer im Bild der ansonsten kommerziell ausgerichteten Plakatwände: Evangelium als Überraschung, eine Botschaft zum Mitnehmen, Bibel "to go". So wünsche ich mir christliche Plakatarbeit. 

Plakate müssen Deutungsfreiheit ermöglichen 

Womit ich mich dahingegen schwer tue, ist die andere Sorte von Plakaten, die mir in der U-Bahn manchmal begegnet und eine "Plakatmission" als Absender hat: Da wird einfach nur in einer altertümlichen Schrift im altbackenen 50er-Jahre-Design ein Bibelvers in Großbuchstaben abgedruckt. "Jesus Christus rettet", heißt es da oder so ähnlich. Als sei mit so einem Vers schon alles gesagt und könnte von jedem verstanden werden.

[listbox:title=Mehr im Web[Christlicher Plakatdienst Hamburg e.V..##Wertvollworte von Eva Jung]]

Was mich stört, ist die enge biblische Hermeneutik solcher Plakate, denn sie lässt keinen Raum für die persönliche Interpretation. Viele Plakate sind von einem absoluten Wahrheitsanspruch getragen, die den Betrachtern keine Wahl oder eigene Deutung erlauben. Zu der zumeist christologischen Engführung gehört auch, dass fast ausschließlich neutestamentliche Verse ausgesucht werden, kaum welche aus der Hebräischen Bibel, dem Alten Testament. Die Plakate haben die Wirkung eines Einbahnstraßenschildes, das leider nur eine Richtung kennt.

Neugierde wecken

Doch Gottes Wege sind vielfältig und verlaufen in verschiedene Richtungen. Plakate sollten Neugierde auf die biblische Botschaft wecken, zu eigenen Assoziationen und Gedanken inspirieren. Die kirchliche Plakatarbeit braucht in diesem Sinne mehr Offenheit, mehr kreative Ideen und künstlerischen Mut. Dazu gehört auch die Bereitschaft, Plakatmotive im Dialog mit Kunst und Kultur zu entwickeln, statt einfach nur Bibelverse abzudrucken. Ich spreche deshalb lieber von einem Plakat-"Dienst" statt von einer Plakat-"Mission".

Niemand wird sich allein wegen eines Bibelplakats zu Christus bekehren oder gleich wieder in die Kirche eintreten. Aber ein Plakat kann dazu anregen, in der Geschäftigkeit des Alltages innezuhalten, im Licht eines biblischen Wortes über das eigene Leben nachzudenken und darüber mit anderen ins Gespräch zu kommen. Die Plakatarbeit kann missionarische Initiativen und Projekte unterstützen. "Was hindert's, dass ich Christ werde?" Das biblische Motto der EKD-Synode zum Beispiel wäre eine gute Idee für eine neue Plakatserie, die Menschen auf den Glauben neugierig macht und sie ins Fragen bringt.


Michael Stahl ist  Vorsitzender des Christlichen Plakatdienstes Hamburg e.V.