Der Vatikan will dasselbe wie die "Occupy"-Bewegung

Der Vatikan will dasselbe wie die "Occupy"-Bewegung
Der Päpstliche Rat für Gerechtigkeit und Frieden hat vorgeschlagen, eine Weltnotenbank einzurichten. Die Finanzmärkte müssten weltweit aus einer Hand gesteuert werden. Diese Forderung dürfte den Demonstranten der Occupy-Bewegung gefallen - dass sie umgesetzt wird, ist allerdings unwahrscheinlich. Dem Vatikan geht es mehr um ein Signal.
24.10.2011
Von Bettina Gabbe

Kurz vor dem G-20-Gipfel in Cannes wartet der Vatikan mit dem Ruf nach einer Reform der internationalen Finanzmärkte auf, die in ihrer Radikalität den Forderungen der "Occupy Wall Street"-Bewegung kaum nachsteht. "Wir machen weniger Lärm", betonte der Sekretär des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, Mario Toso, bei der Vorstellung eines Vatikandokuments, das auf die Gründung einer Weltnotenbank dringt. Inhaltlich bestünden jedoch große Übereinstimmungen mit der Protestbewegung, räumte der Vatikanvertreter am Montag ein. "Man darf keine Angst vor neuen Vorschlägen haben, auch wenn sie das bestehende Gleichgewicht destabilisieren", mahnen die Autoren des Dokuments.

Papst Benedikt XVI. hatte angesichts der anhaltenden Krise bereits 2009 in seiner Sozialenzyklika "Caritas in veritate" (Die Liebe in der Wahrheit) zur Einführung einer "politischen Weltautorität" aufgerufen. Das neue Dokument des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden trägt den umständlichen Titel "Für eine Reform des internationalen Finanz- und Währungssystems im Hinblick auf eine öffentliche Autorität mit universalen Kompetenzen".

Der Papst hat den Text gar nicht gelesen

Auf eine Analyse der Ursachen der Krise folgen konkrete Vorschläge wie die Einführung einer Finanztransaktionssteuer und eine Kapitalerhöhung der Banken. Die Forderung nach einer Steuerung der Finanzmärkte und Gründung einer politischen Institution, die weltweit bindende Entscheidungen treffen kann, begründen die Autoren mit der wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich. "Wir wollen die Welt zum Nachdenken provozieren", sagte der Präsident des Päpstlichen Rats für Gerechtigkeit und Frieden, Kardinal Peter Turkson, bei der Erläuterung des Vatikan-Dokuments. Dabei gestehen die Verfasser ein, dass die internationalen Institutionen immer weniger effizient bei der Regulierung und Transparenz der Finanzmärkte sind. Eine Umsetzung der vatikanischen Forderungen scheint damit eher unwahrscheinlich, obwohl sie von großen Teilen der westlichen Öffentlichkeit geteilt werden.

Vatikansprecher Federico Lombardi sagte, es handle sich nicht um ein Papstdokument. Offenbar aus Angst vor negativen Reaktionen relativierte der Vatikan die Bedeutung der Note darüber hinaus, indem er sich nachträglich korrigierte. Nicht der Heilige Stuhl, wie es ursprünglich hieß, sondern allein dessen päpstlicher Rat wollten mit dem Dokument zur aktuellen Debatte beitragen. Der Papst hat den Text demnach nicht zu Gesicht bekommen.

Vom Nutzen einer Weltwirtschaftsregierung

"In einer zunehmend globalisierten Welt ist allein eine Weltautorität kompatibel mit der neuen Wirklichkeiten und den Bedürfnissen der Menschheit", heißt es in dem neuen Vatikandokument. Um zu einer schrittweisen Einführung einer solchen Weltregierung in Wirtschafts- und Finanzfragen zu gelangen, müssten zunächst die Vereinten Nationen und andere Institutionen wie die Europäische Zentralbank gestärkt werden.

Eine weltweite Wirtschaftsregierung müsse sich von "archaischen Kämpfen" zwischen Nationalstaaten verabschieden, um Frieden und Sicherheit, Entwicklung sowie freie, stabile und transparente Märkte zu garantieren, fordert das Vatikan-Dokument. Der römische Wirtschaftswissenschaftler Leonardo Becchetti verwies auf den Nutzen stabiler Märkte auch für Industriegesellschaften. Die griechische Schuldenkrise bedrohe nicht nur die griechische Wirtschaft sondern auch die Sozialsysteme in anderen EU-Ländern wie Deutschland. Aus dieser Perspektive sei eine stärkere Regulierung der Märkte auch im Interesse derjenigen, die bislang von seiner wachsenden Entfesselung profitieren.

epd