SPD will nach Scheitern von Rot-Grün mit CDU sprechen

SPD will nach Scheitern von Rot-Grün mit CDU sprechen
Die rot-grünen Koalitionsgespräche in Berlin sind an drei Kilometern Autobahn gescheitert. Vor allem die Grünen sind sauer. Die SPD will nun mit der CDU sprechen - aber nicht mehr diese Woche.

Die Grünen haben verärgert auf das Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der SPD in Berlin reagiert. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, geht sogar von nachhaltigen Folgewirkungen für die Zukunft von Rot-Grün insgesamt aus. "Grüne denken an die Glaubwürdigkeit. Das ist einer unserer höchsten Werte. Und ich bin mir sicher, kein Grüner wird das der SPD vergessen", was mit dem Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit in Berlin passiert sei, sagte sie der "Leipziger Volkszeitung" (Donnerstag).

Hauptgrund für den misslungenen Auftakt der Koalitionsverhandlungen mit den Grünen am Mittwoch waren die unüberbrückbaren Meinungsverschiedenheiten zur Verlängerung der Stadtautobahn A100 um 3,2 Kilometer. Der SPD-Landesvorstand beschloss am Abend einstimmig, nun mit der CDU über eine Koalition zu sprechen. SPD-Landeschef Michael Müller kündigte an, die Vorgespräche mit der CDU sollten möglichst schon in der kommenden Woche beginnen.

Wowereit begründete das Ende der Verhandlungen mit dem seit langem andauernden Streit um die Autobahn: "Bei dem Thema A100 sind die Positionen offenbar nicht in Einklang zu bringen", sagte er.

"Rot-Grün scheitert an Wowereits fehlender Bereitschaft"

Die Grünen warfen Wowereit vor, eine Koalition mit ihnen nie gewollt zu haben. Parteichefin Claudia Roth sagte der "Frankfurter Rundschau" (Donnerstag), die Grünen hätten sich auch bei ihrem "Kernanliegen", dem Nein zum Autobahn-Ausbau, kompromissbereit gezeigt. Wowereit habe jedoch jede Verhandlung darüber abgelehnt. "Rot-Grün scheitert also nicht an der A 100, sondern an Wowereits fehlender Bereitschaft, überhaupt auf einen potenziellen Partner zuzugehen und uns auf Augenhöhe zu begegnen."

Der CO-Vorsitzende Cem Özdemir sagte den "Ruhr Nachrichten" (Dortmund/Donnerstag): "Wowereit fürchtet offenkundig um die Mehrheit in den eigenen Reihen." Die Grünen seien eben "keine Abnicker wie die Linkspartei", sondern selbstbewusst: "Das ist für Wowereit offenbar schon zu viel."

Der SPD-Bundesvorsitzende Sigmar Gabriel nannte das Nein der Grünen zur Autobahn 100 in Berlin unverständlich. Er rief die Grünen dazu auf, ihre Haltung zu Verkehrsprojekten generell zu überdenken. Eine moderne wirtschaftsfreundliche Infrastruktur sei die Grundlage des Wohlstands in Deutschland, dazu gehörten auch Autobahnen, Schienenwege, Stromtrassen und Pipelines, sagte er der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Donnerstag).

Rot-Grün hätte mit zusammen 76 Mandaten im Berliner Abgeordnetenhaus nur eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit gehabt, die zur Wahl des Regierenden Bürgermeisters notwendig ist. SPD und CDU haben dagegen mit 86 Mandaten zehn Stimmen mehr.

Wowereit: Rot-grünes Scheitern ohne Wirkung für Bund

Wowereit sieht in den geplatzten Koalitionsbestrebungen mit den Grünen keinen Nachteil für die Bundespolitik. "Das hat keine Auswirkung auf die Bundesebene. Da ist eine andere Situation", sagte Wowereit dem RBB-Inforadio am Donnerstag. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Berliner Abgeordnetenhauswahl, Renate Künast, zeigte sich im ZDF-"Morgenmagazin" dagegen besorgt: "Das Signal in den Bund ist nicht unbedingt positiv."

Wowereit sagte, er könne die Enttäuschung vieler SPD-Mitglieder nachvollziehen, sieht in einem Koalitionswechsel von der Linkspartei zur CDU auf Landesebene aber keinen Widerspruch: "Wir haben das für den Wahlkampf ja nicht ausgeschlossen." Es gebe Konfliktpunkte mit der CDU, etwa bei Bildungs- und Integrationspolitik. Diese müssten in förmlichen Koalitionsverhandlungen geklärt werden. "Aber ich gehe davon aus, dass das möglich ist."

Künast schob die Schuld an den gescheiterten Gesprächen zu Wowereit: "Meine These ist: Er wollte gar nicht." Die SDP habe Kapitulationsverhandlungen mit den Grünen geführt und keine Koalitionsverhandlungen. "Wenn Wowereit gewollt hätte, wäre es gegangen."

Keine unüberbrückbaren Hindernisse mit der CDU

Damit steht die Hauptstadt nach fast zehn Jahren Rot-Rot vor einer Neuauflage der großen Koalition. Von 1991 bis 2001 hatten SPD und CDU unter umgekehrten Vorzeichen miteinander in Berlin regiert - die SPD als Juniorpartner in dem vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) geführten Senat.

Die Christdemokraten sind nach den Worten ihres Landes- und Fraktionsvorsitzenden Frank Henkel dafür bereit. "Sollte es ein Verhandlungsangebot der SPD geben, werden wir uns dem nicht verschließen", sagte Henkel der Nachrichtenagentur dpa. Bereits nach der Wahl hatte es eine erste Sondierungsrunde mit der CDU gegeben. Danach hieß es von beiden Seiten, es gebe keine unüberbrückbaren Hindernisse.

dpa