Leo Kirch: Der Spieler in der Strickjacke ist tot

Leo Kirch: Der Spieler in der Strickjacke ist tot
Leo Kirch gehörte zu den Gründungsvätern des Privatfernsehens in Deutschland. Jahrzehntelang herrschte er über einen weit verzweigten Medienkonzern mit Film, Fernsehen und Formel 1. Jetzt starb er im Alter von 84 Jahren.
14.07.2011
Von Michael Ridder

Am Ende hatte Leo Kirch einfach kein Glück. Der früher so erfolgsverwöhnte Medienmogul wollte 2007 noch einmal auf die ganz große Bühne zurück, gemeinsam mit der Deutschen Fußball Liga (DFL) hatte er ein neues TV-Vermarktungsmodell für die Bundesliga ersonnen. Der damals 81-Jährige sollte als Zwischenhändler fungieren und der Liga Einnahmen von 500 Millionen Euro pro Jahr garantieren. Doch das Bundeskartellamt lehnte die Pläne ab, und Kirch war aus dem Spiel. Es blieb ihm seine Firma KF 15, die Anteile am Konzern Constantin Medien hält und die am Donnerstag seinen Tod bestätigte.

Seit dem Zusammenbruch seines Imperiums im Jahr 2002 war Kirch überwiegend durch Rechtsstreitigkeiten mit der Deutschen Bank aufgefallen. Sein Vorgehen mutete zuweilen wie ein Rachefeldzug an. Kirch machte den früheren Vorstandschef der Bank, Rolf Breuer, für die Insolvenz seines Konzerns mitverantwortlich. Breuer hatte 2002 in einem TV-Interview die Kreditwürdigkeit der Kirch-Gruppe in Zweifel gezogen. Doch die juristischen Bemühungen blieben weitestgehend erfolglos: Im Februar dieses Jahres wies das Landgericht München eine Schadenersatzklage über 1,3 Milliarden Euro gegen die Deutsche Bank ab.

Eng mit dem Privatfernsehen verbunden

Kirch, der am 21. Oktober 1926 in Würzburg geboren wurde, hatte eine steile Karriere als Medienpionier hingelegt. Der studierte Betriebswirt und Mathematiker gründete 1955 seine erste Firma mit Namen Sirius-Film und kaufte Rechte an Kinofilmen, die für eine Ausstrahlung im Fernsehen geeignet schienen. Ein lukratives Geschäft, das Kirch bis hin zu einer Monopolstellung ausbaute. Zeitweilig stammte jeder zweite Film im deutschen Fernsehen aus Kirchs Archiv.

Prominent wurde Kirch mit der Einführung des Privatfernsehens in den 80er Jahren. Bei Sat.1 war er als Investor ein Mann der ersten Stunde, weitere Sender wie ProSieben oder der Bezahlkanal Premiere folgten. Da er außerdem in die Filmproduktion eingestiegen war, kontrollierte der Unternehmer bald die ganze Verwertungskette von Medieninhalten: Herstellung, Vertrieb, Senderechte, Synchronisation, Verleih, Video, Merchandising und Ausstrahlung. Die komplizierte Firmenstruktur mit Schachtel- und Überkreuzbeteiligungen war immer wieder Gegenstand teils bewundernder, teils skeptischer Betrachtungen.

Zum Feindbild der linken Medienkritik wurde der gläubige Katholik durch seine Beziehungen zur Politik und seinen Einstieg beim Axel-Springer-Verlag. Freunde fand Kirch vor allem in den Unionsparteien: Er pflegte enge Kontakte zum bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß (CSU) und Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU), bei dessen zweiter Hochzeit im Jahr 2008 er Trauzeuge war. Nach der CDU-Spendenaffäre stellte Kirch auf Bitten Kohls eine Millionen Mark zur Verfügung, um Schaden von der Partei abzuwenden.

Premiere war der Absturz von Kirch

In den 90er Jahren herrschte Kirch dank seiner gut geölten Netzwerke über ein Medienimperium, das in Deutschland seinesgleichen suchte. Doch dann pokerte er zu hoch und lieferte sich vor allem mit der ARD einen Bieterwettkampf um Fußball-Rechte, der auf einem spektakulär überhöhten Preisniveau stattfand. Der Versuch Kirchs im Jahr 2001, mit späten Bundesliga-Sendeterminen auf Sat.1 die Zuschauer zu einem Premiere-Abo zu zwingen, missglückte gründlich. Kurze Zeit später, als die Krise der "New Economy" voll durchschlug, waren seine Hauptunternehmen insolvent.

Am Ende hatte Kirch zu viele Milliarden in den Bezahlsender Premiere gepumpt, der heute als Sky Deutschland weiter besteht, und musste Insolvenzantrag stellen. Seit der Pleite machte Kirch den früheren Chef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, für den Niedergang verantwortlich und kämpfte in mehreren Prozessen gegen ihn und die Deutsche Bank. Breuer hatte wenige Monate vor der Pleite der Kirch-Gruppe 2002 in einem Interview die Kreditwürdigkeit Kirchs angezweifelt. Nach dem Interview hätten die Banken ihm kein Geld mehr gegeben, meinte Kirch.

Wenige Monate vor seinem Tod traf er erstmals im Gericht auf seinen Kontrahenten Breuer. Kirch war bei diesem Auftritt schon sichtlich krank. Er kam im Rollstuhl und hatte Mühe zu sprechen. Auf ärztlichen Rat brachen die Richter die Befragung schließlich ab. Kirch litt seit langem unter den Folgen von Diabetes und verlor schon vor Jahren einen Großteil seines Augenlichts. Trotzdem kam er auch noch nach der Pleite der Kirch-Gruppe fast täglich in sein Büro in der Münchner Innenstadt.

Wie geht es weiter im Prozess gegen Breuer?

Wie es mit dem Prozess nun weitergehen wird, ist unklar. Das Oberlandesgericht München war am Donnerstag zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Da Kirch seine Prozesse nicht als Privatperson, sondern im Namen einer Firma geführt hat, können sie nach Einschätzung von Experten aber fortgesetzt werden. Für seine Nachfolge habe Kirch schon vor Jahren gesorgt, sagte ein Vertrauter.

Kirch galt als öffentlichkeitsscheu. Mit seiner Frau Ruth lebte er zurückgezogen in München-Bogenhausen, Interviews gab er nur wenige. Durch eine schwere Zuckerkrankheit war Kirch so stark sehbehindert, dass er in seinen letzten Lebensjahren keine Texte mehr lesen konnte. Da private Details kaum bekannt waren, blieben die Ansichten zu seiner Person widersprüchlich. Einerseits erschien er als bodenständiger Unternehmer mit Strickjacke, als letzter Vertreter der Wirtschaftswunder-Generation, andererseits als Spieler, der mit riesigen Summen geliehenen Geldes jonglierte. Nach seinem Tod dürfte es eine Fülle weiterer Deutungsversuche geben.

 

epd/dpa