Sprossen sind's: Bei EHEC-Suche schließt sich Kreis

Sprossen sind's: Bei EHEC-Suche schließt sich Kreis
Nach wochenlangem EHEC-Bann haben die Behörden am Freitag Gurken, Tomaten und Salat für unbedenklich erklärt. Das freut nicht nur die Bauern. Bei Sprossen dagegen verdichten sich die Hinweise auf den mysteriösen Darmkeim. Das Aufatmen ist groß, obwohl es letzte Sicherheit noch nicht gibt.
10.06.2011
Von Sascha Meyer und Günther Voss

Die obersten EHEC-Fahnder sind erleichtert. Doch wissenschaftlich-nüchtern bleiben sie natürlich auch jetzt, da ihre wochenlange Ursachensuche endlich einen Verdacht eingegrenzt hat. Er könne nun ganz klar sagen, "dass Blattsalate, Tomaten und Gurken wieder verzehrt werden sollen", verkündet Andreas Hensel, Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), am Freitag in Berlin. "Weil das gesunde Lebensmittel sind."

Ebenso klar warnen die Behörden aber weiter vor Sprossen, bei denen sich nun ein Kreis bei den mühsamen Recherchen nach handfesten Beweisen zu schließen scheint: Erstmals wurden auf Sprossen aus einem bereits gesperrten Hof in Niedersachsen Bakterien des aggressiven EHEC-Typs O104 nachgewiesen. Das Aufatmen reicht bis in die Bundesregierung, die wegen des Krisenmanagements unter Beschuss geraten ist. Völlige Entwarnung mag aber noch niemand geben.

"Ein Stück weit erleichtert"

"Wir sind ein Stück weit erleichtert", sagt Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) schon vor dem Fund. Nachdem die Vorsichtshinweise für Gurken, Tomaten und Salat offiziell aufgehoben sind, "können die Menschen sich wieder über das Pfingstwochenende an diesen Produkten freuen". Und auch Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP), der sich an der Seite seiner Kabinettskollegin im Reichstag äußert, spricht nach Wochen der Verunsicherung von einem guten Signal für alle Bürger. Mit der Beschränkung auf Sprossen sei jetzt klarer, wie man sich vor einer Infektion mit dem gefährlichen Darmkeim schützen könne.

Dass der Sprossen-Hof im niedersächsischen Bienenbüttel sich als immer heißere Spur erwies, hatten die Ermittler in der Nacht zu Freitag mit einer fast kriminalistischen Methode herausgearbeitet: Der "rezeptbasierten Restaurant-Kohortenstudie", wie der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Reinhard Burger, berichtet. Für fünf Gruppen von insgesamt 112 Menschen, darunter 19 erkrankte, werteten die Forscher diverse Daten aus: Speisekarten, Bestelllisten und Fotos, auf denen Teller samt Garnierung zu sehen waren. Dabei fiel der Sprossen-Verdacht klar ins Auge.

Wenige Stunden später vervollständigte ein neues Analyse-Ergebnis das Puzzle weiter. Untersucht wurde eine geöffnete Sprossenpackung aus der Mülltonne eines Hauses im Rhein-Sieg-Kreis. Sie stammte aus dem verdächtigen Biobetrieb in Niedersachsen. In dem Haushalt waren nach Behördenangaben zwei Familienmitglieder nach dem Verzehr von Sprossen an EHEC erkrankt. Für Entwarnung ist es freilich zu früh. "Der Ausbruch ist noch nicht vorbei", sagt Burger vor dieser Entdeckung. Zwar weise der Trend bei Neuerkrankungen stabil nach unten. Dennoch sei mit weiteren Fällen zu rechnen, auch mit Todesopfern.

Der letzte Beweis fehlt

Nicht liefern können die Fahnder vorerst den letzten Beweis, wie die gefährlichen Bakterien auf die Keimlinge gelangten. Vieles spricht dafür, dass es eine Übertragung vom Menschen auf die Sprossen gab: bei der Ernte, beim Verpacken oder auf andere Weise. Auch über die Düngung könnte es passiert sein. Wahrscheinlich ist, dass die Epidemie, die bisher mehr als 30 Menschen das Leben kostete, demnächst verebbt - aber auch dann könnten wichtige Fragen nach der Herkunft des Killerkeims offen bleiben. Die Experten ermitteln vorerst weiter, Hunderte Proben sind noch nicht getestet. Eine politische Manöverkritik soll beim nächsten Ministertreffen folgen. "Es ist nicht der Zeitpunkt für abstrakte Föderalismusdiskussionen", heißt es im Verbraucherministerium, solange die Seuche noch schwele.

Hoffnung keimt bei Gemüsebauern, denen die Gurken-Tomaten-Salat-Warnung das Geschäft total verhagelt hat. Die Landwirte wollen nun das Vertrauen der Verbraucher zurückgewinnen und setzen darauf, dass sich der Markt normalisiert, wie der Bauernverband erklärt. Bei einer eigentlich als Protest geplanten Aktion in Hamburg wurde Bauern und Händlern in Hamburg Gratisgemüse aus der Hand gerissen, als die neuen Erkenntnisse bekanntwurden. Da will der Gesundheitsminister von Abstinenz bei Frischgemüse auch nichts mehr wissen: "Ich gehe", sagt der bekennende Hobbykoch Bahr, "am Samstag auf den Wochenmarkt und freue mich auf Tomatensalat mit Schafskäse und Basilikum". 

dpa