Das Elektroauto ist Merkels großer Ökotraum

Das Elektroauto ist Merkels großer Ökotraum
Kanzlerin Merkel träumt trotz Stotter-Starts weiter den Traum von einer Million Elektroautos bis 2020. Der Staat will nun mit Geld, Sonderrechten und Steuervorteilen helfen. Doch Merkel betont, jedes Jahr müsse nun neu geschaut werden, ob das Ziel machbar bleibt.
17.05.2011
Von Georg Ismar

Der quietschgelbe Wagen von Wolfgang Lohbeck ist vor der weißen Fassade des Kanzleramts nicht zu übersehen. Das vor 16 Jahren in der Schweiz entwickelte "Smile-Car" ist der Gegenentwurf der Umweltorganisation Greenpeace zur milliardenschweren Entwicklung von Elektroautos in Deutschland. Dank einer Optimierung des Motors verbraucht der Benziner auf Langstrecken nur etwas mehr als zwei Liter, der CO2-Ausstoß pro Kilometer liegt bei lediglich 60 Gramm.

"Das Versenken von Milliarden für die Elektroauto-Entwicklung halte ich für falsch", sagt Lohbeck, während drinnen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beim "Elektroauto-Gipfel" am Montag der Industrie das Zugeständnis abringt, keine Kaufprämien von mehreren tausend Euro pro Elektroauto zu fordern. Bei großen Karossen und Kombis werde die Wirtschaftlichkeitsschwelle niemals erreicht, sagt Lohbeck. Er gibt dem E-Auto nur eine Zukunft für kleine, leichte Wagen, also den Stadtverkehr. Er sei nicht prinzipiell gegen das E-Auto, nur sei weit mehr zu gewinnen, wenn auch die Optimierung von Leistung und Verbrauch bei Autos mit Verbrennungsmotor vorankomme.

Es ist noch viel zu tun im Elektro-Wunschland

Während Lohbeck seine Runden dreht, berät Merkel am Montag in der Regierungszentrale mit der Autoindustrie und den Chefs der großen Energiekonzerne RWE, Eon, Vattenfall und EnBW, wie Deutschland mit seinem Fokus auf schwere und schnelle Wagen den Anschluss an E-Auto-Länder wie Frankreich und China bekommen kann.

Von der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) erhält sie nach 2010 den zweiten Zwischenbericht und der spricht eine klare Sprache: Es ist noch viel zu tun, wenn das Mutterland des Autos auch hier Leitmarkt werden soll. Bis 2014 soll es als ersten Schritt bis zu 7.000 öffentliche Ladestationen geben, das Problem: Eine Säule kostet bis zu 9.000 Euro - die Umweltverbände fürchten bereits, dass die Energiekonzerne sich hier den Zugriff alleine sichern wollen. Und das E-Auto kostet bisher im Schnitt fast 10.000 Euro mehr als ein vergleichbares Modell, das mit Sprit statt Strom fährt.

Natürlich sind sie alle mit Elektro- und Hybridautos gekommen, vor dem Kanzleramt kommt es zu einem kleinen Stau. Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) muss erstmal acht Minuten warten. Im Vergleich zu 2010 habe Deutschland einige Plätze gut gemacht, sagt er. Er sieht Deutschland dank Fortschritten bei Forschung und Batterieentwicklung unter den Top Fünf und betont, dass der globale Wettstreit um das beste E-Auto nicht in einen Subventionswettlauf ausarten dürfe.

Milliardenförderung für die Batterie-Forschung

Merkel, Ramsauer und der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) wollen am Mittwoch im Kabinett mit einem Aktionsplan das E-Auto weiter anschieben. Neben einer zehnjährigen Befreiung von der KfZ-Steuer für alle bis 2015 angemeldeten Autos, einer Kaufoffensive des Bundes für elektrisch betriebene Dienstwagen, steuerliche Vorteile für die Anschaffung von E-Auto-Fuhrparks durch Unternehmen soll es Sonderrechte wie das Benutzen der Busspuren und Sonderparkzonen geben. Ramsauer bringt das auf folgende Kurzformel: "Wer Elektroauto fährt, spart Steuern und genießt Vorteile im Straßenverkehr".

Doch das Rätsel bleibt, wie binnen neun Jahren aus 2.300 Autos mit Stromantrieb in Deutschland bis 2020 eine Million E-Autos und bis 2030 sogar sechs Million Fahrzeuge werden sollen. Merkel malt mit ihrer Hand eine steile Kurve. Bis 2014 soll es laut NPE-Bericht 101.000 Elektroautos geben, ab 2017 ist ein steiler Zuwachs mit mehreren hunderttausend neu zugelassenen Stromfahrzeugen binnen drei Jahren anvisiert. Die Industrie verspricht 30.000 zusätzliche Arbeitsplätze bis 2020 und will bis zu 17 Milliarden Euro investieren.

In den nächsten Jahren sollen vier Milliarden Euro vor allem in die Erforschung der Batterietechnik fließen, davon eine Milliarde Euro zusätzlich vom Staat, bisher gab es nur 500 Millionen Euro für die Forschung aus dem Konjunkturpaket II. "Die wirklich breite Markteinführung wird noch ein paar Jahre auf sich warten lassen", sagt Merkel. "Wir machen Jahr für Jahr einen Check und gucken, wie kommen wir voran." Die Kanzlerin fährt also erst einmal nur auf Sicht beim Traum einer grüneren Verkehrszukunft. Notfalls müsse nachgesteuert werden, bekräftigt die langjährige Golffahrerin.

Geparkte E-Autos könnten ihren Strom ins Netz einspeisen

In Regierungskreisen wird betont, dass die Starthilfe keine einseitige Erfüllung von Industrieforderungen sei. Dabei wird auf das Beispiel des Flugzeugbauers Airbus verwiesen, der umstrittene Hilfen bekommen habe, die sich aber dank neuer Jobs und Steuerzahlungen rentierten. "Das Geld fließt auch beim Elektroauto zurück", heißt es.

Der Vorsitzende der Elektromobilitäts-Plattform, der frühere SAP-Manager Henning Kagermann, verweist zudem auf die großen Vorteile von Elektroautos beim Atomausstieg durch die Funktion als Stromspeicher - geparkte E-Autos können bei Bedarf auch etwas Strom ins Netz abgeben, wenn gerade kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint. Bereits mit einer Million E-Autos könnten sechs Prozent der Speicherkapazität aller vorhandenen deutschen Pumpspeicherkraftwerke erreicht werden.

dpa