Große Mahnerin: Freya von Moltke vor 100 Jahren geboren

Große Mahnerin: Freya von Moltke vor 100 Jahren geboren
Freya von Moltke (1911-2010) wurde durch ihre Vorträge, Vorlesungen und Publikationen zu einer "Botschafterin des Widerstands": Die Ehefrau des 1945 hingerichteten Widerstandskämpfers Helmuth James Graf von Moltke war bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr eine starke Persönlichkeit und unnachgiebige Mahnerin. Am heutigen Dienstag wäre sie 100 Jahre alt geworden.
28.03.2011
Von Rieke C. Harmsen

"Wenn ich nicht eine Christin und Rheinländerin gewesen wäre, hätte ich das nicht überlebt", erklärte Freya von Moltke in einem Interview über auf ihren Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Freya von Moltke bildete gemeinsam mit ihrem Mannes Helmuth James von Moltke den Kern des "Kreisauer Kreises". Heimlich traf sich die Widerstandsgruppe auf dem schlesischen Gutshof, um Pläne zu schmieden für die Zeit nach der Hitler-Diktaktur.

Würdigungen für eine starke Frau

Freya von Moltke hielt nach der Hinrichtung ihres Mannes in Folge des missglückten Hitler-Attentats das Andenken an die Widerstandskämpfer wach - bis zu ihrem eigenen Tod im Jahr 2010. Aus Anlass ihres 100. Geburtstags am 29. März 2011 wird Freya von Moltke nun gewürdigt: Es sind zwei Biografien erschienen und der Briefwechsel zwischen dem Ehepaar Moltke mit dem Titel "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel - September 1944 bis Januar 1945". In der Geburtsstadt Köln wird eine Ausstellung gezeigt, es gibt zahlreiche Lesungen und Workshops.

Freya Deichmann wurde am 29. März 1911 in Köln geboren. Die Familie - der Vater Carl Theodor war Bankier - zählte zu den reichsten der Stadt, zugleich gehörte sie einer protestantischen Minderheit an. Mutter Ada war eine unabhängige und starke Frau, die sich karitativ und kulturell engagierte. Sie zog Freya und ihre Brüder in einem Bürgerhaus in Domnähe auf. Die Sommermonate verbrachten sie im weitläufigen Haus Hombusch bei Mechernich in der Eifel.

Die Schule verließ Freya mit 16 Jahren, "aus Faulheit", wie sie später zugab. In der Wirtschaftlichen Frauenschule Löbichau in Thüringen fühlte sie sich allerdings unterfordert und holte das Abitur nach. Den Sommer 1929 verbrachte sie im Haus Seeblick am österreichischen Grundlsee bei der Reformpädagogin und Germanistik-Professorin Eugenie Schwarzwald. Dort begegnete sie auch ihrem künftigen Ehemann Helmuth von Moltke: "Ich sah ihn und mein Herz stand still", notierte sie.

Als Ehefrau unterstützt sie ihren Mann - bei allem

Ein Jahr später besuchte sie Moltke auf dem schlesischen Gut Kreisau: "Ich liebte alles dort. Sie hatten kein Geld, aber das habe ich gar nicht bemerkt", erinnerte sie sich später. Helmuth, der 1925 mit einem Jurastudium begonnen hatte, war kurz zuvor von seinem Vater nach Kreisau geholt worden, um den desolaten Betrieb vor dem finanziellen Ruin zu retten.

Moltke liebte seine "Pim", allerdings zögerte er, sie zu heiraten, weil Ehe ihm als zu "großes Wort" erschien und er lieber studentisch lose und kinderlos leben wollte. Die Hochzeit am 18. Oktober 1931 in Köln wurde im kleinen Rahmen gefeiert, mit Gottesdienst im Haus und einem "kleinen Diner für 14 Leute". Für ein Jahr ging das junge Ehepaar nach Kreisau, dann nach Berlin, um das juristische Studium zu beenden. Nach dem überraschenden Tod der Schwiegermutter Dorothy im Juni 1935 zog Freya mit 24 Jahren nach Kreisau, um den Gutshof zu bewirtschaften, während ihr Ehemann in Berlin blieb. Im November 1937 wurde der erste Sohn Helmuth Caspar geboren, vier Jahre später folgte Conrad.

Als Helmut von Moltke 1940 mit seinen Widerstandsaktivitäten begann, unterstützte ihn Freya. Bei den Treffen des "Kreisauer Kreises" sorgte sie für das Wohlergehen der Gäste, hörte zu und beriet ihren Mann, ohne sich direkt in die Widerstandsarbeit einzubringen. Im Januar 1944 wurde Moltke verhaftet. Nun folgte eine lange Zeit des Bangens und Hoffens. "Im Grunde ist das schönste, das diese Wochen uns geschenkt haben, unsere gemeinsame Vorbereitung auf Deinen Tod, mein Geliebter", schrieb Freya von Moltke in einem der letzten Briefe, die Gefängnispfarrer Harald Poelchau ihrem Mann in die Zelle schmuggelte.

Sie hielt die Erinnerung wach

Nach der Hinrichtung ihres Mannes am 23. Januar 1945 in Berlin-Plötzensee und einer kurzen Wiederkehr nach Kreisau musste Freya den Gutshof nach Kriegsende verlassen: "Wir waren ohne Existenz, Geld ist gar nicht der richtige Ausdruck", bezeichnete Freya den Zustand, der sie dazu bewog, mit ihren Söhnen 1947 nach Südafrika zu gehen. 1956 kehrte Freya nach Deutschland zurück und begann mit ihrer publizistischen Arbeit: Sie veröffentlichte mit Annedore Leber das Buch "Für und wider" zur Geschichte des Widerstands, publizierte die Briefe ihres Mannes und ihre "Erinnerungen an Kreisau".

Als sie dem früheren Lehrer ihres Mannes, Eugen Rosenstock-Huessy, begegnete, verliebte sich Freya in den dreiundzwanzig Jahre älteren und verheirateten Juristen. Nach dem Tod von dessen Ehefrau Margit zog Freya zu Rosenstock-Huessy nach Norwich in Vermont. Nach dessen Tod 1973 notierte sie, es seien "kostbare Jahre" gewesen, in denen sie Wurzeln geschlagen habe in Vermont.

Längst war Freya von Moltke mit ihren Vorträgen, Vorlesungen und Publikationen zu einer "Botschafterin des Widerstands" geworden. Sie unterstützte den Aufbau der internationalen Jugendbegegnungsstätte im polnischen Krzyzowa, dem früheren Kreisau und gründete 2004 die "Freya-von-Moltke-Stiftung für das Neue Kreisau". Es war ihr Vermächtnis. Freya von Moltke starb am 1. Januar 2010 in Vermont mit 98 Jahren.


Leseempfehlungen:

  • Sylke Tempel: Freya von Moltke - Ein Leben. Ein Jahrhundert. Rowohlt Berlin, 19,95 Euro.
  • Frauke Geyken: Freya von Moltke - Ein Jahrhundertleben. Beck Verlag München, 19,95 Euro.
  • Freya von Moltke und Helmuth von Moltke: Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel: September 1944 - Januar 1945, Beck Verlag München, 29,95 Euro.
epd