Mutmacher: Surfen und predigen ohne Arme und Beine

Mutmacher: Surfen und predigen ohne Arme und Beine
Er kann niemandem die Hand geben, denn er hat keine. Er kann auch nicht davonrennen, dazu fehlen ihm die Beine. Nick Vujicic wurde aufgrund eines Gendefekts ohne Gliedmaßen geboren. Der inzwischen 28-jährige Australier hat aber gelernt, sein Schicksal zu meistern.
28.03.2011
Von Marcus Mockler

Vujicic zieht mittlerweile als Motivationsredner um den Globus. In Großveranstaltungen ermutigt er seine Zuhörer, das Beste aus ihrem Leben zu machen. Das wird er auch am kommenden Samstag (2. April) tun, wenn er bei der Jugendevangelisation "Jesus House" in der Stuttgarter Porsche-Arena seinen Auftritt hat.

Nick Vujicic macht Witze über sich und seine Situation, wie sie nur ein Behinderter selbst machen darf. Wenn er zu jungen Leuten spricht, ulkt er, früher habe sein Leben noch Hand und Fuß gehabt. Oder er witzelt, seine übrigen Körperteile seien gerade in der Inspektion. Damit nimmt er den Zuschauern den Schrecken, den sein Anblick im ersten Moment auslöst.

"Will ich wirklich den Rest meiner Tage als Häufchen Elend verbringen?"

Seine Botschaft ist: Auch Menschen mit einem schweren Schicksal haben die Chance, ein großartiges Leben zu führen. "Will ich wirklich den Rest meiner Tage als Häufchen Elend verbringen? Oder will ich neu anfangen und wieder meinen Träumen folgen?", fragt er. Vujicic bekennt sich zum christlichen Glauben und steht oft als Prediger auf der Bühne. Mit zwei Stummelzehen, die ihm als einzige Extremitäten geblieben sind, blättert er in seiner Bibel.

Die Geschichte des in Kalifornien lebenden Australiers, der serbische Vorfahren hat, ist besser als die vom Tellerwäscher zum Millionär. Vujicic machte als Jugendlicher tiefe Krisen durch, seine Altersgenossen in der Schule nahmen wenig Rücksicht, manche bezeichneten ihn als "Monster". Einmal wollte er sich das Leben nehmen. Doch irgendwann verstand er, dass auch er Chancen hat.

Makabre Scherze und der Kampf um Unabhängigkeit

Er kämpfte um Unabhängigkeit. Mit dem Stummel am Rumpf konnte er bald einen elektrischen Rollstuhl steuern, ein liegendes Mobiltelefon betätigen und Kleidung mit Klettverschlüssen anlegen. Damit wurde auch der Toilettengang ohne fremde Hilfe möglich. Inzwischen hat sich Vujicic an viele Dinge gewagt, die man einem Menschen mit dieser Behinderung nicht zutrauen würde. Er taucht, surft auf Wellen und spielt Golf. Dabei klemmt er sich den Schläger zwischen Schulter und Kinn.

Den Sinn für makabre Scherze hat der Mann ohne Arme und Beine nicht verloren. So ließ er sich einmal von seinem Pfleger im Flugzeug ins Gepäckfach über den Sitzen legen, bevor die anderen Passagiere kamen. Als ein Fluggast das Fach öffnete, um seine Tasche hineinzulegen, fauchte Vujicic ihn an: "Können Sie nicht anklopfen?" Der Reisende bekam einen Riesenschrecken, konnte aber später über den Streich lachen.

Viele Zuhörer haben Tränen in den Augen

Wenn Vujicic spricht, haben die Zuhörer oft Tränen in den Augen. Der Effekt ist überall derselbe: Die Leute erkennen, um wie viel besser es ihnen körperlich geht als dem Redner. Und gleichzeitig sehen sie vor sich einen jungen Mann, der sprüht vor Energie, Optimismus und positiver Ausstrahlung. "Wer seine Träume aufgibt, steckt Gott in eine kleine Box", lautet einer von Vujicics Glaubenssätzen. Er wurde Schulsprecher für 1.200 Schüler, später machte er einen Abschluss in Buchhaltung und Finanzplanung.

Dabei hat sich der Mann ohne Gliedmaßen nicht in eine heile Welt zurückgezogen, in der er gut leben kann. Er reist auf alle Kontinente, hat Slums in Mumbai und an Müllhalden lebende Kinder in Kairo besucht. Die Begegnungen mit Notleidenden haben ihm auch deutlich gemacht, dass er bei weitem nicht der Ärmste ist, selbst wenn das manche beim ersten Anblick denken. "Ich kenne Menschen mit perfekten Körpern, die nicht halb so glücklich sind wie ich", schreibt er in seiner Autobiografie "Mein Leben ohne Limits", die seit kurzem auf deutsch erhältlich ist.

Nick Vujicic hat Träume. Eine Frau hätte er gerne und auch Nachwuchs. Er weiß, dass er nie Hand in Hand mit einer Geliebten spazieren oder ein Kind umarmen wird. Und trotzdem zweifelt er nicht, dass er einen guten Familienmenschen abgeben kann. Er ist überzeugt: "Die Vergangenheit kannst Du nicht ändern - die Zukunft schon."

epd