Argentinierin kämpft gegen den Verkauf von Schindlers Liste

Argentinierin kämpft gegen den Verkauf von Schindlers Liste
Der Fabrikant Oskar Schindler rettete während des Zweiten Weltkrieges mit seiner Frau Emilie mehr als 1200 Juden vor der Ermordung durch die Nazis. Nun will ein New Yorker Händler eine seiner Namenslisten mit geretteten Juden für zwei Millionen Euro verkaufen.
22.03.2011
Von Jan-Uwe Ronneburger

"Ein so wichtiges historisches Dokument muss in ein Museum", fordert Erika Rosenberg, argentinische Jüdin und Erbin von Emilie Schindler. Gemeint ist ein Original von Schindlers Listen, mit denen der deutsche Fabrikant Oskar Schindler und dessen Frau Emilie während des Zweiten Weltkrieges mehr als 1200 Juden vor der wohl sicheren Vernichtung durch die Nazis retteten.

"So etwas kann man doch nicht für Millionen verkaufen, während die Schindlers nach dem Kriege in bescheidenen Verhältnissen leben mussten", fügt Rosenberg in ihrer kleinen Wohnung in Buenos Aires im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa kopfschüttelnd hinzu.

Echtheit garantiert

Der New Yorker Memorabilien-Händler Gary J. Zimet sieht das anders. Er bietet die Namensliste im Internet zum Verkauf an. "Ein bewegenderes und historischeres Relikt des Zweiten Weltkrieges ist nicht vorstellbar. Die Chance, einen Gegenstand von derart unglaublicher Bedeutung zu erwerben, kommt nur einmal im Leben. Für Fragen stehen wir gern zur Verfügung. Preis auf Anfrage", wirbt Zimet. Die Nachrichtenagentur dpa hat gefragt: Drei Millionen Dollar (2,15 Millionen Euro) fordert er für insgesamt 14 Blatt mit 801 männlichen Namen. Die fünf Blätter mit insgesamt 297 Frauennamen der Schindler-Liste fehlen.

Es handele sich nicht um eine Versteigerung: "Wer zuerst kommt, erhält den Zuschlag", sagt Zimet. Es gebe schon mehrere Interessenten, aber wie viel sie geboten haben, will er nicht sagen. Die Echtheit stehe außer Frage, die Liste stamme aus der Familie von Schindlers jüdischem Buchhalter Itzhak Stern, der in Steven Spielbergs Welterfolg "Schindlers Liste" (1993) von Ben Kingsley dargestellt wurde.

"Es geht nicht um Geld …"

Rosenberg hat versucht, den Verkauf gerichtlich verbieten zu lassen, ist damit aber am 21. Dezember vergangenen Jahres vor einem Gericht in New York gescheitert. "Für mehr reicht mein Geld nicht, die Verfahrenskosten sind einfach zu hoch", sagt sie bedauernd. Dabei ist sie überzeugt, dass die Liste ihr zusteht. Sie sei die Erbin von Emilie, die nach dem Krieg mit ihrem Mann nach Argentinien emigrierte und 2001 im Alter von 93 Jahren starb.

Emilie war die Erbin des schon 1974 gestorbenen Oskar. Der hatte seine Frau nach wirtschaftlichen Misserfolgen 1958 verlassen und war nach Deutschland zurückgekehrt, ließ sich aber nie von ihr scheiden. "Damit das klar ist: Es geht hier überhaupt nicht um Geld. Ich fordere, dass dem Willen von Oskar und auch Emilie Rechnung getragen wird. Und beide wollten, dass die Dokumente über die Rettung der Juden in deutschen Museen der Öffentlichkeit zugänglich sind", begründet Rosenberg ihren Kampf.

Aber wohl keine der Originallisten ist in Deutschland ausgestellt. Auch das Bundesarchiv in Koblenz hat darüber Informationen. Der Erwerb der New Yorker Liste sei gleichwohl ausgeschlossen: "Das Bundesarchiv beabsichtigt nicht, sich am Ankauf der im Internet angebotenen Liste zu beteiligen."

"… sondern um Gerechtigkeit"

Rosenbergs Hand ruht auf einem Berg von Akten, Briefen, Antworten, Protokollen, Absagen, Gerichtsentscheidungen, die sich auf einem Tisch mit Spitzendecke stapeln. An den Wänden ihres Wohnzimmers hängen viele Fotos: darunter auch Rosenberg mit dem früheren Bundespräsidenten Roman Herzog und mit Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder.

Für Rosenberg ist die Missachtung ihrer Rechte an dem Nachlass von Oskar Schindler schlicht die Fortsetzung der Missachtung von Emilies Rolle bei der Rettung der Juden. "Sie hat immer empfunden, dass ihre Leistung nicht gewürdigt wurde", erinnert sie sich. Zehn Jahre nach ihrem Tod solle zumindest ihr letzter Wille nicht missachtet werden, dass die Dokumente in Deutschland zu sehen sind. "Es geht mir um Gerechtigkeit", sagt Rosenberg, für die Emilie "wie ein Ersatz für meine von den Nazis ermordete Großmutter" war.

dpa