UN-GE-RECHT! Der deutsche Lärm-Aktionsplan

UN-GE-RECHT! Der deutsche Lärm-Aktionsplan
Deutschland ist bekanntlich ein Land der Meckerer. Kaum etwas, wogegen der Deutsche nicht klagt - sei es vor Gericht, vor den Nachbarn oder vor Kollegen. Aber manchmal meckert er zu laut. Gerade wenn es laut wird.
27.01.2011
Von Ursula Ott

"Spiel dein Leben laut!" heißt der Werbeslogan von you fm, das ist die Jugendwelle des Hessischen Rundfunks. Dabei machen die Jugendlichen gar nicht mehr viel Lärm, finde ich. Die meisten, die ich in der U-Bahn, im Fitness-Studio oder auf dem Schulhof sehe, haben eh ihre Knöpfe im Ohr. Hören tut man nicht viel von ihnen. Wahrscheinlich hören sie you fm.

Und trotzdem häufen sich die Klagen derer, die alles zu laut finden. Kinderlärm. Glockengeläut. Kirmes. Gegen alles wird vor Gericht geklagt. Heute steht in meiner Lokalzeitung, dass es auf hessischen Volksfesten künftig schärfere Lärmschutzauflagen geben soll. Weil es bei "Public Viewing, Hessentag und Umzügen immer wieder Beschwerden gibt." Ja, klar gibt es Beschwerden, wenn die Bevölkerung immer älter wird und immer ruhebedürftiger. Aber muss man dem nachgeben, brauchen wir dafür wirklich ein neues "Lärmmanagement" und einen "Lärmaktionsplan"?

Es ist nicht nur ungerecht, es ist wirklich ziemlich albern. Leben ist laut, allein der Lärmpegel in einem durchschnittlichen Klassenzimmer oder einer Bahnhofshalle ist enorm. "Eine normal geführte Unterhaltung im Büro kann 60 Dezibel erreichen", sagt das Hessische Landesamt für Umwelt und Geologie. Dieses Amt muss sich nämlich jetzt mit den Lärmklagen rund um Feste und Public Viewing beschäftigen. Und bei 60 Dezibel tagsüber drohen Herz- und Kreislauferkrankungen, das haben dort die Beamten errechnet.

Lieber Lärm als Lärmwehklagen

Und was machen wir jetzt? Im Büro weniger reden? Das wär aber schade, weil es jetzt schon Kollegen gibt, die lieber Emails ins Nachbarbüro schicken als vorbeizukommen. Und das Public Viewing im Sommer, wenn die Frauen-Fußball-WM in die Stadt kommt? Das sagen wir am besten auch ab, dann können wir die Spiele aber auch gleich nach Qatar verlegen. Da halten zumindest Frauen sowieso weitgehend den Mund.

Ich weiß, dass Lärm nerven kann. Wenn in unserer Familie alle durcheinander schreien, und das passiert mindestens einmal am Tag, denke ich manchmal, ich kriege gleich einen Hörsturz. Ja, das Leben ist laut. Aber wenn wir nach Spanien oder in die Türkei reisen, finden wir das ganz toll, wie lebendig es da ist und wie lange man abends draußen sitzen kann im Sommer. Die südlichen Länder machen abends – Lärm. Wir Deutschen machen – einen Lärmaktionsplan. Armes Deutschland.

Und ständig dieser Lärm:


 

Über die Autorin:

Ursula Ott, 45, ist stellvertretende Chefredakteurin von chrismon und Chefredakteurin von evangelisch.de. Sie hat auch eine Homepage: www.ursulaott.de.