Zweifellos, Darren Aronofskys neuer Film mit Natalie Portman ist in fast jeder Beziehung das faszinierende Gegenstück zu seinem letzten Werk "The Wrestler" mit Mickey Rourke. Ging es dort um einen alten, abgetakelten Ringer, der sich mit seinem Körper in der Welt der Trash-Kultur ausdrückt, so dreht sich hier alles um eine junge, aufstrebende Ballerina, die sich mit ihrem Körper im Kosmos der Hochkunst darstellt. Die Ballerina ist in der Populärkultur vielleicht die härteste und zugleich zarteste weibliche Figur. In unzähligen Ballettfilmen ist sie gezeigt worden als unerbittlich in ihrer Disziplin und ihrem Willen, aber auch als äußerst verletzlich in ihrer Kunst, stets den großen Einflüssen der mächtigen Selbstdarsteller des Theaterbetriebs, aber auch des eigenen Unbewussten ausgesetzt.
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Natalie Portman als Nina ist auf den ersten Blick eine typische junge Ballerina - extrem fleißig und schon meisterlich in der Tanztechnik. Gegenüber den anderen Tänzerinnen scheint sie nicht missgünstig zu sein. Da sie noch zu Hause bei ihrer Mutter in einem recht engen New Yorker Apartment wohnt, ist das Ballett alles für sie. Manchmal wirkt Nina wie die schöne, extravagante Version eines weiblichen "nerd". Häufig ist Aronofskys Kamera auf ihren Hinterkopf gerichtet. Sie klebt dabei förmlich an ihr, verfolgt sie und ihre Sichtweise der Welt. Diese Bildeinstellung hatte Aronofsky auch in "The Wrestler" verwendet. Man glaubt, Mickey Rourke oder Natalie Portman zu beobachten, wie sie als Akteure eine Art Welttheater betreten und verzweifelt versuchen, zu Autoren dieser Wirklichkeit zu werden.
Portmans Nina ist im Grunde eine Gefangene. Gefangen in ihrem Körper, dem sie nicht den kleinsten Exzess gestattet. Gefangen in der Ballettmaschinerie. Gefangen auch in der Wohnung der Mutter, die von einer großartigen Barbara Hershey ("Hanna und ihre Schwestern") gespielt wird. Diese Mutter ist eine Kämpferin; für die Tochter hat sie die eigene Künstlerkarriere aufgegeben. Mit und durch Nina will sie nun die Welt erobern. Als Lenkerin des Lebens und Psycho-Mom droht sie Nina zu einer Marionette zu machen.
Ninas Probleme und Ängste spitzen sich zu, als ihr ein erster großer Karrierehöhepunkt bevorsteht. Der zwielichtige Starchoreograph Thomas, den der Franzose Vincent Cassel verkörpert, gibt Nina eine Doppelrolle in seiner Neuinterpretation von "Schwanensee". Nina soll nicht nur den weißen Schwan tanzen, sondern auch sein böses, schwarzes Gegenstück. Um den "black swan" aus Nina herauszulocken, fordert sie der verführerische Thomas mit seinen schmierigen Avancen heraus.
Melodram über das Leben, die Kunst und den Wahn
Der Karrierestress und die Identifikation mit der Doppelrolle haben natürlich längst Ninas abgründige Seiten freigelegt. Sie beginnt, sich selbst zu verletzen und nimmt überall Schemen und Phantome wahr. Aronofskys Film ist ein düsteres Werk. An manchen Stellen wird er ganz und gar zum Horrorfilm. Nina sieht sich in den anderen oder die anderen als Teil ihres eigenen Wesens. Sie spiegelt sich in ihrer schönen, draufgängerischen Kollegin Lilly und vor allem in der schmerzlichsten Figur des Films, der ehemaligen Primaballerina Beth, die von Winona Ryder als melancholische Furie dargestellt wird.
Das Finale ist dann ein irrwitziges Melodram über das Leben, die Kunst und den Wahn. Als weiblicher Dr. Jekyll und Mr. Hyde tanzt Nina förmlich in die Schizophrenie. Bei diesem Showdown möchte man Natalie Portman wieder mit Mickey Rourke vergleichen, man möchte geschlechtsspezifische Unterschiede feststellen. Aber man ist überrascht, wie ähnlich sich die beiden in ihren Selbstzerstörungsfantasien sind. Überschreitung des Körperlichen, Sehnsucht nach Perfektion, Doppelgängermotive: am Ende wird klar, dass "Black Swan" ein zutiefst romantischer Film ist, die Wiederentdeckung der düsteren Romantik im heutigen New York.
USA 2010. Regie: Darren Aronofsky. Buch: Mark Heyman, Andres Heinz, John McLaughlin. Mit: Natalie Portman, Vincent Cassel, Mila Kunis, Barbara Hershey, Winona Ryder.
Länge: 110 Min. FSK: Ab 16, ff.