Shopping im Einkaufszentrum - mit schlechtem Gewissen?

Shopping im Einkaufszentrum - mit schlechtem Gewissen?
Keine Innenstadt mehr ohne Einkaufszentrum oder -galerie. Ob neuer Gebäudekomplex oder eingebunden in bereits bestehende Immobilien - stets betonen die Planer, damit die City und den Einzelhandel zu beleben. Stimmt das? Oder werden bestehende Geschäfte vom Markt verdrängt?
20.12.2010
Von Martina Töpfer

Wem nutzen die Einkaufszentren? Den Investoren, die eine möglichst hohe Rendite mit dem Wirtschaftsobjekt erzielen wollen? Den Betreibern, die durch möglichst effiziente Mieterauswahl ein Maximum an Mietpreisen erreichen möchten? Den Kommunen, die eng mit Betreibern zusammenarbeiten, ihnen notwendige Genehmigungen zum Bau beziehungsweise Umbau von oft 15.000 oder mehr Quadratmetern erteilen müssen?

Vielleicht liegt der Nutzen tatsächlich vor allem beim Konsumenten, wie häufig behauptet wird. Manche Vorteile der Zentren sind offensichtlich: kurze Wege zwischen den einzelnen Geschäften, die meist ideale Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel, gute Erreichbarkeit durch eigene Parkhäuser, Schutz vor der Witterung und natürlich ihre Funktion als Treff- und Ausgangspunkt für weitere Unternehmungen in der Stadt.

Die neue Stadtmitte

Die Geschichte der Galerien ist lang. Die wohl bekannteste ist die Galerie Vittorio Emanuele II in Mailand, die noch heute unter anderem durch ihre Lichtdurchlässigkeit prägend für die Konzeption von Passagen und Galerien ist. Die ersten deutschen Einkaufszentren entstanden in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Seit 1990 boomt deren Entwicklung. Neun von zehn Zentren liegen inzwischen in den Innenstädten statt wie anfangs nicht selten auf der grünen Wiese.

Waren es früher die öffentlichen Dorfplätze oder die freien Flächen vor den Kirchen, so sind es inzwischen häufig die Innenstadt-Galerien und -Passagen, wo man sich trifft - wetterunabhängig. Neben den Gastronomiebereichen gibt es oft Sitzgelegenheiten, in der Vorweihnachtszeit machen Pianisten, Chöre und große Weihnachtsbäume den Besuch für Menschen jeden Alters attraktiv.

Voraussetzung dafür ist jedoch ein Mietermix innerhalb eines Centers, der sowohl Angebote für Teenager als auch für die "Generation 50 plus" beinhaltet. Ein klares Zeichen setzen in diesem Zusammenhang Center, die beispielsweise sowohl Theater oder Akustikgeschäfte als auch Skateboardanbieter oder Fitnesscenter zu ihren Mietern zählen oder an Wochenenden junge Bands für Auftritte engagieren. Durch diesen Mix können Einkaufszentren zu Begegnungsstätten der Generationen wachsen.

Filialisten als Mieter bringen die Gefahr der Austauschbarkeit

Und doch geht es immer auch um den Konflikt zwischen Uniformität und Individualismus. Die Investoren von Einkaufszentren sind vordergründig an einer Renditemaximierung interessiert. Dafür ist ein Faktor entscheidend: die Mieteinnahmen. Die Betreiber sind an einem möglichst vielfältigen Mietermix interessiert, der es Konsumenten ermöglicht, neben Versorgungseinkäufen auch Waren des nicht-täglichen Bedarfs zu kaufen.

Tatsächlich entsteht aber der Eindruck, dass die Filialisten - vom Mediamarkt und der Drogeriekette bis zum Fast-Food-Restaurant - die individuellen Einzelhandelsgeschäfte verdrängen. Die Verdrängung ist nicht zwangsläufig, sondern steuerbar, denn Letztere können schlicht die geforderten Mieten oft nicht zahlen. Genau damit jedoch geht die Individualität verloren und damit der Reiz eines Zentrums. Sind gleich mehrere Einkaufszentren einer Stadt gleichermaßen mit Filialisten besetzt, werden sie als austauschbar wahrgenommen. Einziger Ausweg: Die Betreiber der Zentren müssen sich von der Uniformität lösen.

Einbindung ins gewachsene Stadtbild

Jede Stadt hat ihren geschichtlichen Hintergrund. Damit verbunden ist das über die Zeit gewachsene einzigartige Stadtbild. Da Einkaufszentren, Galerien und Passagen an Bedeutung in den Innenstädten stark gewonnen haben, sollte am historischen Kern angeknüpft werden und dieser auf die heutige Zeit und die heutigen Bedürfnisse übertragen werden.

Schließlich besuchen Konsumenten eine andere Stadt mit der Erwartung, Neues kennenzulernen. Ihr Anreiz besteht darin, das Gewohnte für absehbare Zeit gegen neue Impulse zu tauschen. Dies geht aber nur, wenn ein Stadtzentrum seine Individualität beibehält und die Einkaufszentren sich anpassen - nicht umgekehrt. Entsteht dann (nicht zuletzt durch erschwingliche Mieten) ein bunter Mietermix, der sowohl aus kleinen inhabergeführten Geschäften als auch aus Filialisten besteht, macht es den Konsumenten um so mehr Spaß, dort einzukaufen. Ohne schlechtes Gewissen.


Martina TöpferMartina Töpfer ist Dipl.-Betriebswirtin (FH) und Verfasserin von "Galerien, Einkaufszentren und Einzelhandel" (VDM Verlag 2009, 164 S., 68 Euro) zum Thema Stadtentwicklung. Sie lebt in Düsseldorf.