Last-Minute-Geschenke: Baggerfahren in Knüllwald

Last-Minute-Geschenke: Baggerfahren in Knüllwald
Kurz vor Weihnachten stürmen die Menschen wieder die Läden und kaufen immer dasselbe: Parfüm und Krawatten. Dabei könnten sie Bagger fahren in Knüllwald-Remsfeld oder Parfüms mit Klosteinen kreieren.
20.12.2010
Von Roswitha Grabowski

War ja klar, dass es in diesem Jahr wieder nicht klappt. Im September war der Kopf noch voller Ideen für Weihnachtsgeschenke, die man spätestens im Oktober kaufen wollte. Aber irgendwie war ich dann doch mit Kürbissuppekochen beschäftigt und deshalb musste ich mich vier Tage vor Weihnachten wieder ins Gewühl werfen.

Verkäufer lieben das. In den Parfümerien werden letzten Ladenhüter weihnachtlich verpackt, weil bestimmt noch am Heiligen Abend kurz vor Ladenschluss ein Mann in den Dufttempel stürmt und 100 Euro auf die Theke knallt: "Geben Sie mir ein Parfum. Irgendwas. Für meine Frau."

Na die wird sich bedanken! Derlei abgestandene Essenzen mit Jasmin- in der Kopf und Basilikum in der Herznote haben ihren duftindustriellen Weg eigentlich längst heraus aus den Parfüms genommen. Über eine Zwischenstation als Raumduft fürs moderne Wohnzimmer und Dufttanne für den Rückspiegel, wo sie leidlich den Geruch eines 20 Jahre alten und nicht mehr wasserdichten Ford Granadas überdeckten, sind sie inzwischen im Klostein angelangt – quasi dem letzten Glied in der Verwertungskette. Wenn es hinterm Ohrläppchen nicht mehr tut: Unterm Rand geht immer! Dumm nur, wenn der Mann, das konditionierte Wesen, dann Blasendruck bekommt, wenn die Gattin sich für erotische Stunden nach der Bescherung eingenebelt hat. Ich frage mich ja sowieso, wer für so etwas 100 Euro ausgibt. Ein Wasser für 5,95 Euro tut es doch eigentlich auch. Und wer es individueller mag kann auch zwei, drei Klosteine in einem Liter Doppelkorn auflösen und in eine alte Flasche Ajax füllen: "Hier Schatz, hab ich selbst gemacht!"

Einmalige Erlebnisse

Umgekehrt sind Frauen ja auch nicht viel kreativer. In Bekleidungshäusern werden massenhaft Jeans in die Lager geräumt, um Platz für Krawatten in allen Farben zu schaffen. Besonders gern gekauft werden Binder mit Rudy dem Rentier oder Snoopy als Weihnachtsmann. Macht sich natürlich prima im Büro. Ich glaube Männer machen im Büro so Wettbewerbe. Wer zu Neujahr den schlimmsten Schlips oder den peinlichsten Pullover präsentieren kann, bekommt einen Kasten Bier. Sehr gern zeigt man auch Selbstgestricktes vor.

Inzwischen hat sich um das Thema "Last-Minute-Geschenke" aber eine echte Industrie entwickelt. Offenbar will man Düften und Krawatten hier nicht mehr kampflos das Feld überlassen. So wirbt beispielsweise eine Seite im Internet mit "einmaligen Erlebnissen" und entsprechenden "Last-Minute-Gutscheinen", die bis zum 24. Dezember geliefert werden.

Die leicht bekleidete Frau im Weihnachtskostüm, die einem auf der Seite einen lasziven Blick zuwirft, kann man aber für ein einmaliges Erlebnis nicht buchen, jedenfalls passiert nichts, wenn man auf sie klickt. Als "einmaliges Erlebnis" wird einem stattdessen ein Sushikochkurs in Sasbachwalden im Raum Karlsruhe präsentiert. Man bekommt sogar einen Rezeptblock zum Mitschreiben und ein Erinnerungsfoto dazu. Die Seite verspricht wirlich nicht zu viel! Rohen Fisch in Sasbachwalden schneiden wäre für mich sicher ein einmaliges Erlebnis. Einmal und nie wieder! Absolut "einmalig" werden auch Menschen über 150 cm das Angebot "Übernachtung im Minicooper" finden.

Baggerfahren in Knüllwald-Remsfeld

Auch das Kettenraupenfahren in Knüllwald-Remsfeld, bei dem angeblich Kindheitsträume wahr werden, dürfte ein einmaliges Erlebnis werden. Was sind denn das für Kinder, die davon träumen, mit dem Bagger durch Knüllwald-Remsfeld zu fahren? Wenn ich in Knüllwald-Remsfeld wäre, würde ich mir einen Porsche wünschen, damit ich schnell wieder weg bin.

Bizarr mutet auch die Werbung für das "Scherbenlaufen" an: "Sie stehen hinter dem Scherbenhaufen, blicken zurück und wissen: Das habe ich geschafft!" Na da kann man aber auch stolz sein, wenn man mal einen echten Scherbenhaufen hinterlassen hat. Gemessen an meinen Scherbenhaufen bin ich eigentlich dauernd stolz. Wozu da noch 49 Euro und eine Fahrt nach Bad Fallingbostel investieren? Und gibt es auch einen Kurs "verbrannte Erde hinterlassen" in Bad Wiessee oder einen Kurs "Mit dem Elefanten durch den Porzellanladen" in Meissen? Mit derlei einmaligen Erlebnissen wird das mit dem Angriff auf Krawatten und Düfte sicher nichts!


Roswitha Grabowski ist freie Journalistin und lebt in Oer-Erkenschwick.