Filmkritik der Woche: "The Tourist"

Filmkritik der Woche: "The Tourist"
Ein enttäuschendes Hollywood-Debüt trotz großer Stars: "The Tourist" mit Angelina Jolie und Johnny Depp von Oscar-Preisträger Florian Henckel von Donnersmarck.
15.12.2010
Von Frank Schnelle

Es ist das Hollywood-Debüt von Florian Henckel von Donnersmarck. Vier Jahre nach dem Triumph von "Das Leben der anderen" kommt der deutsche Regisseur mit "The Tourist" in die Kinos. Der Amerikaner Frank (Johnny Depp) fährt nach Europa, um Abstand von einer verflossenen Liebe zu gewinnen. Im Zug von Paris nach Venedig lernt er die schöne Elise (Angelina Jolie) kennen, die nach der ersten gemeinsamen Nacht auf unerklärliche Art und Weise verschwindet.

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Der nichtsahnende Frank befindet sich plötzlich auf der Flucht vor brutalen russischen Killern und der nicht minder rüde agierenden Polizei. Die von Angelina Jolie gespielte Elise Ward ist ein wahrhaft glamouröser Charakter: eine Frau mit Geheimnis, souverän und selbstbewusst, von betörender Eleganz und Schönheit. Alles hat sie unter Kontrolle, ihre perfekt ondulierte Mähne ebenso wie ihre eleganten Kostüme, ihre Bewacher vom Secret Service ebenso wie den tumben Frank.

Jolie stilisiert Elise zum perfekten Kunstprodukt, und schafft es dabei, das Mondäne ironisch zu verfremden, das Ganze als lässiges Spiel zu präsentieren. Mit ihrer exaltierten Darstellung trifft Jolie den richtigen Ton. Sie deutet an, wie aus "The Tourist" großes Entertainment hätte werden können: mit mehr Mut zur artifiziellen Überhöhung und mehr Spaß an der Leichtigkeit.

Am Anfang sieht es so aus, als wolle der Film genau diesen Kurs einschlagen. Alles am extravaganten Retro-Chic des Films erinnert an die Gentlemangaunerkomödien von Alfred Hitchcock und Stanley Donen: die grandiose Architektur und die pittoreske Szenerie, das warme mediterrane Licht, die pompöse Musik. Auch die Kamera hat etwas Kraftvolles, Dynamisches mit ihren flüssigen, präzisen Bewegungen.

Depp als Durchschnittstyp fehlbesetzt

Doch je mehr das Rätsel um den verschwundenen Trickbetrüger Alexander Pearce vor den Zuschauern ausgebreitet wird, desto unausgegorener wirkt das erzählerische Gesamtkonzept. Dass zwischen Jolies Elisa und dem von Johnny Depp erstaunlich lahm angelegten Frank keine Funken fliegen, lässt ein Vakuum entstehen, wo eigentlich das Herz des Films schlagen müsste.

Ohnehin ist Depp als Durchschnittstyp komplett fehlbesetzt, eine Tatsache, die die Macher dazu verführte, ihn so unattraktiv wie möglich erscheinen zu lassen: mit Zottelmähne und Ziegenbart, untersetzt und schwerfällig. Ob Elisa ein Spiel mit ihm spielt, ob sie Gefühle für ihn entwickelt oder diese nur vortäuscht und ob dieser ausdruckslose, nie selbst aktiv werdende Schlaffi das überhaupt verdient hätte, darüber schweigt sich das Drehbuch beharrlich aus.

Was die zentralen Handlungselemente betrifft, bleibt dieses Remake erstaunlich nah an seiner Vorlage, Jérôme Salles "Fluchtpunkt Nizza". Wo es eigene Wege geht, trifft es die falschen Entscheidungen. Donnersmarck fährt die Action gegen null und inszeniert das wenige, was noch vorhanden ist, ziemlich hüftsteif.

Trotz großer Gesten und erhabener Töne verfehlt "The Tourist" sein selbsterklärtes Ziel, auf Augenhöhe mit Hollywoods alten Meistern zu operieren, um Längen. Es ist nur ein kleiner Schritt von der Grandezza zum Größenwahn.

USA 2010. Regie: Florian Henckel von Donnersmarck. Buch: Florian Henckel von Donnersmarck, Christopher McQuarrie, Julian Fellowes. Mit: Angelina Jolie, Johnny Depp. L: 97 Min. FSK: ab 12, ff

epd