Klimaschutz: China ist noch lange kein Saubermann

Klimaschutz: China ist noch lange kein Saubermann
China ist weltweit führend beim Ausbau erneuerbarer Energien. Umweltschützer auf dem Weltklimagipfel sind voll des Lobes. Doch der größte Klimasünder verringert nicht den Ausstoß seiner Treibhausgase, sondern bremst nur ihren rasanten Anstieg. Das Wachstum hat Vorrang.
03.12.2010
Von Andreas Landwehr

In der Klimapolitik hat China zwei Gesichter - ein schmutziges und ein sauberes. Als größter Kohleverbraucher heizt kein Land der Erde die globale Erwärmung so stark an wie die zweitgrößte Wirtschaftsmacht. Ein Viertel aller Treibhausgase stammen heute aus China. Auf der anderen Seite fördert kein Land der Erde so massiv den Ausbau erneuerbarer Energien wie China. Jede Stunde geht ein Windrad in Betrieb. Nirgendwo gibt es mehr solarbetriebene Wasserheizer. Nur Deutschland investiert gemessen an seiner Wirtschaftskraft noch etwas mehr in saubere Energieträger als das aufstrebende Schwellenland.

"China erkundet aktiv seinen eigenen Weg einer kohlenstoffarmen Entwicklung", sagt Wu Changhua, China-Direktorin der unabhängigen Umweltorganisation Climate Group. "Gleichzeitig bringt die Anhäufung von Bevölkerung und Umweltbelastungen sowie die unausgewogene Entwicklung der Wirtschaft Schwierigkeiten und Herausforderungen." Teilnehmer des Klimagipfels in Cancún in Mexiko schwanken zwischen Begeisterung über diese "saubere Revolution" im bevölkerungsreichsten Land und blanker Verzweiflung, dass all das auch nicht ausreichen wird, um die Erde vor katastrophaler Erwärmung zu bewahren.

Auf dem richtigen Weg - aber nicht schnell genug

Wachsen die chinesischen Treibhausgas-Emissionen mit acht Prozent so weiter wie bisher, während Europa seine 20-prozentige Verringerung umsetzt, wird jeder Chinese im Jahr 2020 doppelt soviel zur Erderwärmung beitragen wie ein Europäer. Die in China bis 2020 angestrebte Verdoppelung des Anteils erneuerbarer Energien am Verbrauch auf 15 Prozent wird von einer gleichzeitigen Verdoppelung der Energienachfrage weit in den Schatten gestellt. Chinas Wirtschaft wird schätzungsweise mit acht Prozent im Jahr davondampfen.

Trotzdem ist China auf dem richtigen Weg, wenngleich nicht schnell genug. Der Energieverbrauch gemessen an der Wirtschaftsleistung hat sich seit 1980 um etwa 60 Prozent verringert. Bis 2020 will China für jeden erwirtschafteten Yuan zusätzlich 40 bis 45 Prozent weniger Energie als 2005 aufwenden. Schneller als in den kühnsten Träumen entwickelt sich die Windenergie. Greenpeace Chef Kumi Naidoo spricht von einer "chinesischen Erfolgsgeschichte". Er sieht voraus, dass in China überall Windfarmen entstehen und dreckige Kohlekraftwerke ersetzen: "Das ist keine Illusion", sagt Naidoo. "China hat das Potenzial, die globale Supermacht der sauberen Energie zu werden."

Es gibt aber auch Probleme - nicht nur mit der Qualität seiner Windräder, sondern auch mit der Lage vieler Windparks in entlegenen Regionen, wo das Stromnetz schwach ausgebaut ist. Die Stromversorger sind trotz gesetzlicher Auflagen zurückhaltend, die Windkraft einzuspeisen. Viele Windturbinen sind heute nicht einmal ans Netz angeschlossen. Werden diese Anfangsprobleme aber gelöst, könnte China bis 2020 bis zu 230 Gigawatt an Windkraftkapazitäten aufbauen, schätzt Greenpeace. Das entspräche 13 mal soviel Strom, wie das größte Wasserkraftwerk der Welt am Drei-Schluchten-Damm produziere.

Elektroräder kontraproduktiv

Bis 2020 will China außerdem die Wasserkraft verdoppeln. Als drittgrößter Produzent von Ethanol will es die Produktion bis 2020 auf zwölf Millionen Tonnen verdoppeln. Auch die Atomkraft wird massiv ausgebaut. 24 Atommeiler sind im Bau, weitere geplant. Bis 2020 will China die Kapazitäten verachtfachen. Sechs Prozent des Stroms sollen dann aus Atomkraft kommen. Die Sonnenenergie entwickelt sich hingegen eher schwierig. China produziert zwar mehr Solarzellen als jedes andere Land, doch werden 97 Prozent exportiert. Bis 2020 will es seine Solarkapazitäten von 50 Megawatt 2008 auf 20 Gigawatt ausbauen.

Die rasante Entwicklung von Elektrofahrzeugen in China sehen Umweltschützer mit gemischten Gefühlen. Mehr als 120 Millionen elektrische Fahrräder rollen schon auf den Straßen. Doch der Strom wird in China auch in Zukunft zu 80 bis 90 Prozent aus Kohle kommen. "Elektroautos sind schon nicht billig", sagte Hu Xiulian, Forscherin der Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC). "Wenn dann noch Kohlestrom genommen wird, wird es sehr teuer." Die Umwelt werde auch nicht geschont. "Würde Solarenergie genutzt, wäre das alles anders."

Riesige Potenziale im Hausbau

Große Einsparpotenziale hat die Industrie, die in China 70 Prozent der Energie verbraucht, verglichen mit einem Drittel in den USA. Auch Gebäude sind in China ein Problem. Sie brauchen pro Quadratmeter doppelt soviel Energie wie in entwickelten Ländern. Nur vier Prozent erfüllen neu erlassene Umweltstandards. 18 Prozent der Energie fließt in China in Gebäude. Das kann sich bis 2030 noch verdoppeln, wenn sich die Urbanisierung wie erwartet fortsetzt, schätzt Climate Group.

So können selbst der starke Ausbau erneuerbarer Energien in China den Ausstoß von Treibhausgasen nicht reduzieren, sondern nur ihren starken Anstieg verlangsamen. Zwar schließen sich Umweltschutz und Entwicklung nicht aus - doch in China überwältigt das rasante Wachstum der Wirtschaft, die sich maßgeblich auf schmutzige Energien stützt, die angestrebte Nachhaltigkeit durch saubere Energien. Entwicklung genießt Vorrang. Diese "fundamentale Paradoxie" in der Energiepolitik müsse gelöst werden, sagen Forscher. Sonst werde Chinas Wirtschaft nur größer, aber nicht unbedingt sauberer.

dpa