Doppelmord aufgeklärt - Motiv des Verdächtigen unklar

Doppelmord aufgeklärt - Motiv des Verdächtigen unklar
Zwei Jugendliche sind tot, der mutmaßliche Täter sitzt wegen Mordes in Untersuchungshaft. Die Polizei hat Beweise - aber keine Klarheit, warum die 14-jährige Nina und der 13-jährige Tobias sterben mussten.
24.11.2010
Von Matthias Brunnert

"Die Beweise sind eindeutig", sagt Oberstaatsanwalt Hans Hugo Heimgärtner. Die Mordkommission sei davon überzeugt, dass Jan O., ein junger Mann mit Drogen- und Alkoholproblemen, der Doppelmörder von Bodenfelde ist. Auch der Ermittlungsrichter in der niedersächsischen Kreisstadt Northeim sieht das so. Er hat den 26-Jährigen am Dienstagabend in Untersuchungshaft geschickt, wegen "Mordes in zwei Fällen" - begangen aus "Mordlust". Northeims Kripochef Andreas Borchert sieht in dem Verdächtigen einen Mann "mit Potenzial zum Serientäter".

Verdächtiger wohl psychisch krank

Dennoch ist der Fall für die Ermittler nicht abschließend geklärt. Denn warum der arbeitslose 26-Jährige die beiden jungen Menschen, zu denen er vorher wohl keinerlei Beziehung hatte, in einem Waldstück am Ortsrand umgebracht hat, bleibt für die Ermittler ein Rätsel. Der Leiter der Mordkommission, Hartmut Reinecke, geht davon aus, "dass der Täter psychisch gestört ist". Der Mann selbst hat für sein Verhalten bisher keine Erklärung gegeben.

"Mordlust als Tatmotiv für schwere Gewaltverbrechen ist sehr selten", sagt Oberstaatsanwalt Heimgärtner. Von Mordlust spreche man, wenn ein Täter "im Tötungsvorgang selbst Befriedigung findet, wobei die Opfer austauschbar sind". Die Staatsanwaltschaft prüft, ob sie ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gibt.

In Bodenfelde hat die Festnahme für große Erleichterung gesorgt. "Hier hatten alle Angst um ihre Kinder", sagt Bürgermeister Hartmut Koch. "Man musste befürchten, dass der Täter weiter tötet".

Intensive Suche nach Vermisster blieb vergeblich

Anders als das Motiv ist der zeitliche Ablauf der Verbrechen für die Mordkommission inzwischen klar: Am Montag vor einer Woche hatte die 14-jährige Nina - wie schon mehrfach zuvor - im Streit die Wohnung ihrer Familie verlassen. Vermutlich wurde sie noch am selben Abend getötet. "In einer Kombination aus Erwürgen und Erstechen" habe der 26-Jährige das Mädchen umgebracht, sagt Kripochef Borchert.

Die Mutter meldete Nina am nächsten Tag als vermisst. "Wir haben intensiv nach dem Mädchen gesucht", sagt Northeims Polizeichef Hans Walter Rusteberg. "Es gab auch mehrere Hinweise von Zeugen, die Nina im Ort gesehen haben wollen." Doch diese Beobachtungen waren falsch. Als die Polizei nach ihr suchte, war Nina bereits tot.

Tobias starb mehrere Tage später. Er hatte am Samstagabend gegen 20 Uhr noch einen Freund zum Bahnhof gebracht. Dort muss er seinem Mörder begegnet sein. Auch Tobias wurde erwürgt und erstochen. Ob ein Messer, das die Polizei in einem nahen Bach fand, die Tatwaffe ist, wird noch untersucht. Die eigene Mutter fand die Leiche des 13-Jährigen am Sonntagmittag. Kurz darauf entdeckte die Polizei ganz in der Nähe das tote Mädchen.

"Wir haben uns natürlich gefragt, ob Tobias noch leben könnte, wenn wir intensiver nach Nina gesucht hätten", sagt Polizeichef Rusteberg. "Aber wir haben alles getan, was in einem solchen Fall üblich und möglich ist."

Im Zug festgenommen

Dass die Mordkommission dem 26-Jährigen auf die Spur kam, verdankt sie dem Hinweis eines jungen Mädchens. Kurz bevor der Mann am Samstagabend Tobias umbrachte, hatte er die Jugendliche angesprochen und ihr seine Handynummer gegeben. Am Montagabend schnappten dann im Zug die Handschnellen, als Jan O. von Bodenfelde nach Uslar fahren wollte.

Offen ist, ob der 26-Jährige die Taten unter Einfluss von Alkohol und Drogen begangen hat. Bei seiner Festnahme zwei Tage nach dem zweiten Mord hatte er zwar etwas Alkohol im Blut. Unter Drogeneinfluss stand er aber nicht. Das war bei Jan O. oft anders. Nach einer Serie von Diebstählen, die er hauptsächlich zur Beschaffung von Drogen begangen hatte, wurde er zu zwei Jahren und neun Monaten Haft und zu einer Drogentherapie verurteilt. Zuletzt war er zur Bewährung auf freiem Fuß.

"Es ist gut, dass der Mann gefasst ist", sagt Bürgermeister Koch. "Wir sind alle froh." Das schreckliche Kapitel sei für den Ort damit aber noch lange nicht abgeschlossen. "Man kann noch gar nicht abschätzen, was das alles langfristig für Auswirkungen hat."

dpa