Lammert: Internet verändert Bedingungen für Zeitungen

Lammert: Internet verändert Bedingungen für Zeitungen
Das Internet hat nach Einschätzung von Politikern, Journalisten und Kirchenvertretern das Erscheinungsbild, die Inhalte und Arbeitsbedingungen der Tageszeitungen verändert.

Die elektronischen Medien dominierten die Rahmenbedingungen für die Printmedien, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Montag in Essen auf dem Zeitungskongress 2010 des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV). Dies setze die Zeitungen unter Druck. Es gebe einen zunehmenden Trend zum Vorrang von Schlagzeilen vor Nachrichten, von Bildern vor Texten, von Personen vor Sachverhalten, von Unterhaltung vor Information und von Schnelligkeit vor Gründlichkeit.

Beschleunigung bei Arbeitsbedingungen

Auch der Landesbischof der Evangelischen Landeskirche Baden, Ulrich Fischer, bestätigte diese Entwicklung. Er verwies auf die Berichterstattung über die Alkoholfahrt der ehemaligen Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann, oder über Missbrauchsfälle in der Kirche. Die Chefkorrespondentin des Berliner "Tagesspiegels", Tissy Bruns, sagte, es gebe bei den Arbeitsbedingungen bei Tageszeitungen eine unglaubliche Beschleunigung. "Die Zeitungen neigen dazu, den schnellen Medien hinterherzugehen." Während früher eine Zeitung am Tag entstanden sei, seien es heute durch die ständigen Aktualisierungen mehrere.

Lammert bescheinigte den Tageszeitungen zugleich eine wichtige Rolle als Leitmedium: "Zeitungen sind systemrelevant für die Demokratie." Während Internetnutzer vor allem nach Inhalten suchten, die ihren Interessen entsprächen, böten Tageszeitungen ein komplexes und analytisches Informationsangebot. Selbst bei 14- bis 19-Jährigen gelte die Zeitung als das glaubwürdigste Medium, unterstrich der CDU-Politiker.

BDZV-Präsident Helmut Heinen rief die Verleger dazu auf, die Stärken der Tageszeitungen wie Glaubwürdigkeit oder ihre lokale und regionale Verwurzelung auch in ihren Online-Angeboten zu nutzen. Dazu seien aber auch neue Erlösmodelle nötig: "Qualitätvoller Journalismus kostet Geld." Für journalistische Inhalte müsse es auch faire Einnahmen geben. Die Finanzierung der kontinuierlich ausgebauten Internetpräsenzen der Tageszeitungen sei noch nicht gelöst, Einnahmen seien vorläufig nicht zu erwarten.

Kritik an öffentlich-rechtlichen Angeboten

Heinen sprach sich erneut für die Einführung eines eigenen Leistungsschutzrechtes für die Verlage aus. "Die Verfolgung unserer Rechte im Internet muss durch eine gesetzliche Regelung vereinfacht werden", forderte er. Zu den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gehöre ferner die Erhaltung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes. Zeitungen seien unverzichtbar für das Funktionieren der Demokratie. Von daher sei es nicht einzusehen, dass der Staat die tägliche Zeitungsinformation überhaupt mit einer Steuer belege.

Als Wettbewerbsverzerrung kritisierte der Vorstandschef der Axel Springer AG, Mathias Döpfner, die kostenlosen Online-Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender. Döpfner forderte, Angebote wie die geplante "Tagesschau"-App der ARD für Mobiltelefone müssten kostenpflichtig sein. Während die gebührenfinanzierten Rundfunkanstalten "digitale Gratiszeitungen" präsentierten, müssten die Verleger am Online-Markt konkurrieren, um Erlöse zu erzielen.

Der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust wies die Vorwürfe zurück. Für ihren öffentlichen Auftrag der Meinungsbildung müssten die Rundfunkanstalten auch in den von jungen Leuten genutzten Medien vertreten sein. Zudem stellten die öffentlich-rechtlichen Internetangebote mit relativ geringen Reichweiten "keine große Gefahr" für private Anbieter dar.

epd