Deutschland hat immer noch zu wenig Akademiker

Deutschland hat immer noch zu wenig Akademiker
Deutschland bildet nach Einschätzung der OECD immer noch zu wenig hochqualifizierte Akademiker aus, um seinen Bedarf an Fachkräften auch in Zukunft aus eigener Kraft zu decken.

Während hierzulande 25 Prozent der jungen Menschen ein Studium erfolgreich beenden, sind dies im Schnitt der 30 wichtigsten Industrienationen der Welt inzwischen 38 Prozent. Dies geht aus dem neuen Bildungsbericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) hervor, der am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde.

Auch bei den Ausgaben für Bildung fällt Deutschland zurück: Während nach internationalen Kriterien hierzulande 4,7 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Bildung ausgegeben werden, sind dies im OECD-Schnitt 6,2 Prozent. Nur die Slowakei, Tschechien und Italien investieren noch weniger als Deutschland in Bildung. Spitzenreiter sind die USA, Korea und Dänemark. Sie geben inzwischen über 7 Prozent des BIP für Bildung aus.

Geringe Studienneigung

Trotz der Wirtschaftskrise ist in Deutschland wie in allen anderen Industrienationen der Akademiker-Bedarf weiter gestiegen. "Es gibt keine Sättigung, der Ruf nach Höherqualifizierung auf dem Arbeitsmarkt hält weltweit an", sagte der deutsche OECD-Vertreter Heino von Meyer. Trotz deutlicher Verbesserungen in den vergangenen Jahren bleibt Deutschland unter den Industrienationen nach der Türkei, Belgien und Mexiko das Land mit der geringsten Studienneigung unter den jungen Menschen.

Dabei schützt laut OECD-Bericht ein Studium in allen untersuchten Staaten am besten vor Arbeitslosigkeit und sichert zugleich ein deutlich höheres Einkommen. In Deutschland verdient ein Akademiker danach im Schnitt 67 Prozent mehr als ein Beschäftiger mit betrieblicher Ausbildung. In kaum einer anderen Nation ist dieser Gehaltsabstand so hoch.

Angesichts des Geburtenrückganges in fast allen Industrienationen sei eine weitere Steigerung des Qualifikationsniveaus unverzichtbar, folgern die Wissenschaftler in dem über 500 Seiten starken Bericht. Verwiesen wird darauf, dass jetzt in Deutschland geburtenstarke Jahrgänge in Rente gehen, die Ende der 60-er und in den 70-er Jahren studiert haben. Mit den aktuellen Studentenzahlen werde man diese Fachkräfte nicht vollständig ersetzen können, sagte Meyer.

Bildung bringt auch dem Staat Erträge

Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) verwies darauf, dass nach deutscher Berechnung inzwischen 43 Prozent (2009) der entsprechende Altersjahrgänge studieren. Darin einbezogen sind allerdings auch alle Gaststudenten mit teils unsicherer Aufenthaltsperspektive aus Nicht-EU-Ländern. Der OECD-Bericht weist für Deutschland ohne Ausländer eine Studierquote von 36 Prozent (2008) aus.

Schavan hob hervor, dass Bund und Länder seit 2007 eine Milliarde Euro investiert haben, um 90.000 jungen Menschen zusätzlich ein Studium zu ermöglichen. Bis 2015 stünden für weitere 270.000 Studienanfänger noch einmal 3,6 Milliarden Euro für den Hochschulpakt zur Verfügung. "Dieses Geld ist gut angelegt."

Investitionen in Bildung bringen nach der Analyse der Bildungsforscher nicht nur für die Absolventen, sondern auch für den Staat hohe Erträge - sowohl durch wirtschaftliches Wachstum als auch durch höhere Steuereinnahmen bei den Einkommen. Die Pro-Kopf-Ausgaben pro Schüler und pro Student liegen in Deutschland kaufkraftbereinigt im Grundschulbereich leicht unter dem OECD-Schnitt, im Hochschulbereich leicht darüber.

Bildungsrepublik als Fata Morgana

Erstmals hat die OECD auch die betriebliche Berufsausbildung in 17 OECD-Staaten untersucht. Schavan hob hervor, dass aufgrund des deutschen Systems die Jugendarbeitslosigkeit hierzulande mit knapp zehn Prozent nur halb so groß sei wie im OECD-Schnitt mit fast 20 Prozent.

Die Forscher bescheinigen dem deutschen Berufsbildungssystem gute Erfolge bei der Integration junger Menschen auf dem Arbeitsmarkt. Kritisiert wird allerdings, dass gut ein Drittel aller Schulabgänger zunächst in einem kaum noch überschaubaren System von Warteschleifen und Ergänzungskursen landet, bevor sie eine Lehrstelle erhalten. Auch sollten die Berufsschulen mehr Basisqualifikationen vermitteln.

Der Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulrich Thöne, sagte unter Hinweis auf die im weltweiten Vergleich niedrigen Bildungsausgaben: "Die Bildungsrepublik Deutschland ist eine Fata Morgana." Allen Rechentricks der deutschen Finanzminister, Sonntagsreden und Bildungsgipfeln zum Trotz investiere die Bundesrepublik weiterhin viel zu wenig in die Bildung.

dpa