Neues Spiele-Siegel bietet Orientierung für Eltern

Neues Spiele-Siegel bietet Orientierung für Eltern
Videospiele sind keine Nische mehr, das zeigt die Gamescom ganz deutlich. Sie sind längst im Massenmarkt angekommen. Trotzdem müssen Spieler und Hersteller noch immer gegen das Klischee ankämpfen, Videospiele machten dumm, dick und gewalttätig. Eltern finden sich in den Gängen voller Games in Elektronikmärkten kaum noch zurecht, für viele ist das eine fremde Welt, in die sich ihre Kinder da stürzen wollen. Ein neues Spiele-Siegel soll da Orientierung bieten.
19.08.2010
Von Hanno Terbuyken

"Pädagogisch wertvoll" soll auf den Spielepackungen prangen, verliehen nach sorgfältiger Prüfung durch eine unabhängige, pädagogisch kompetente Jury. "Wir haben bisher keine Einstufung, die von Medienpädagogen gemacht ist", erklärt Steffen Kahnt, stellvertretender Geschäftsführer des Bundesverbandes des Spielwaren-Einzelhandels (BVS). Das ändert sich nun. Für das neue Siegel hat sich der BVS mit dem Computerprojekt Köln e.V. zusammengetan, unter anderem zuständig für den renommierten Spieleratgeber NRW.

"Uns geht es darum, dass Spiele, die Spaß machen, auch wertvoll sein können", erklärt Torben Köhring, Projektleiter beim Spieleratgeber NRW. Hersteller können ihre Spiele einreichen, dann prüft eine Jury nach wissenschaftlichen pädagogischen Kriterien, ob das Spiel pädagogisch wertvoll ist. Auf acht Seiten sind die Vergabekriterien ausgeführt, verschiedene Unterkategorien wie "Soziales Verhalten", "Kreativität", "Bewegung", "Wissensvermittlung" oder "Strategisches Denken" verfeinern die Einstufung.

Orientierung für die Eltern: Da ist das Kind in guten Händen

"Die Jury ist eine Mischung aus Wissenschaft, Jugendarbeit, Erziehern, Lehrern und Elternarbeit", erklärt Kohring. 14 Fachleute vom Professor bis zur Erzieherin, alle mit pädagogischem Hintergrund, sitzen in der Jury und haben 27 Spiele einzeln geprüft. 80 Vorschläge aus den vergangenen zwölf Monaten waren eingegangen, "alle großen Marken haben Titel eingereicht", freut sich Kahnt, von Benjamin Blümchen bis zum Strategiespiel Anno 1404.

Das deutet darauf hin, dass das neue Label in der Branche gut angenommen wird. Die Macher betonen, dass sie natürlich gern mehr Spiele prüfen würden, die Ressourcen dafür aber noch nicht reichen. Denn bisher gibt es nur die Alterseinstufungen der USK, und die sind eine reine Jugendschutzprüfung. "Das heißt nicht, dass die Spiele für die Mindest-Altersstufe schon geeignet sind", erklärt Kohring, der selbst USK-Gutachter ist: "Es heißt nur, dass sie für dieses Alter prinzipiell unbedenklich sind."

Für das neue Label "pädagogisch wertvoll" wurden nur Spiele geprüft, die eine Alters-Freigabe der USK von 0, 6 oder 12 Jahren haben. Ziel ist, den Eltern eine Orientierung zu bieten – ab 16 kaufen die Jugendlichen ihre Spiele meistens selbst. Steffen Kahnt: "Wichtig ist, dass die Eltern sagen: Wenn ich mein Kind davor setze, ist es in guten Händen."

Spiele ab 16 oder 18 bisher unberücksichtigt

Pädagogische Effekte kann es aber auch bei Spielen ab 16 oder ab 18 geben. "Es ist eine Frage der Definition, was man unter Pädagogik versteht", sagt Matthias Flierl, stellvertretender Jugenschutzbeauftragter bei Turtle Entertainment, Europas größtem e-Sport-Veranstalter. Im Gaming-Sport tummeln sich vor allem ältere Spieler über 16 Jahren. "Der pädagogische Effekt liegt dabei vor allem im sozialen Bereich", sagt Flierl, nicht im eigentlichen Inhalt von Spielen wie Counterstrike oder der Fußballsimulation Fifa 11.

Bei den Spielen ab 16 oder 18 gibt es jedoch eine große Vielfalt. Während beim teambasierten Online-Spiel der Aspekt des "Wir-Gefühls" und sozialer Kompetenz statt des Spieleinhalts bei der pädagogischen Betrachtung im Vordergrund steht, transportieren Spiele wie die Rollenspiele Dragon Age oder Mass Effect 2 auch erwachsene Themen, vom Moralsystem bis zu Beziehungen und Sexualität. "Es gibt durchaus Inhalte, die auch Erwachsenen noch etwas beibringen", sagt Flierl.

"Vorteile darf man sich nicht kaufen können"

Das wissen auch die Initiatoren des Labels "pädagogisch wertvoll". "So eine Alterseinstufung für alle Spiele wäre der Traum eines Pädagogen", sagt Torben Kohring. Online-Rollenspiele wie World of Warcraft beispielsweise könnten, wenn sie die entsprechenden Kriterien erfüllen, das Label auch bekommen, meint Kohring, betont aber auch: "Wir berücksichtigen die Suchtgefahr eines Spiels" ebenso wie das Geschäftsmodell: "Vorteile darf man sich nicht kaufen können", ergänzt Steffen Kahnt.

Ob das Label dann wirklich mal auf einem Spiel ab 16 oder 18 zu sehen sein wird, bleibt abzuwarten, zunächst jedenfalls richtet sich die Auszeichnung an Spiele, die Eltern für ihre Kinder kaufen. Die Liste mit den 14 Spielen, die 2010 das Siegel "pädagogisch wertvoll" erhalten haben, ist auf der Homepage des Siegels, www.games-wertvoll.de, zu finden.


 

Hanno Terbuyken ist Redakteur bei evangelisch.de und berichtet von der Gamescom in Köln.