Stierhatz in Pamplona zwischen Kunst und Quälerei

Stierhatz in Pamplona zwischen Kunst und Quälerei
Heute ist in Pamplona die Stierhatz gestartet. Ein Spektakel, das tausende Schaulustige anzieht, für die Zuschauer nicht ungefährlich ist und bei Tierschützern Proteste hervorruft. Doch der Umgang mit den Stieren wie auch der Stierkampf entzweit mittlerweile auch Spanien.
07.07.2010
Von José Manuel González

In Pamplona finden dieses Jahr wieder vom 7. bis zum 14. Juli die Stierläufe zu Ehren des San Fermín statt, die in Spanien als "encierros" bekannt ist. Für den encierro – das heißt wörtlich übersetzt "Einschluss" - werden die Straßen der Innenstadt mit Barrieren abgeriegelt, so dass die Stiere nur in Richtung der Stierkampfarena rennen können. Die Teilnehmer bei der Stierhatz, darunter regelmäßig auch ausländische Touristen, versuchen eine kurze Wegstrecke möglichst neben einem Stier herzulaufen. Vor Beginn des encierro rufen die Läufer den Heiligen San Fermín an, zu dessen Ehren der Stierlauf stattfindet: "A San Fermín pedimos, por ser nuestro patrón, nos guíe en el encierro, dándonos su bendición. ¡Viva San Fermín! - Wir bitten Dich San Fermín, der Du unser Beschützer bist, uns während des Laufes zu leiten und uns Deinen Segen zu spenden. Es lebe San Fermín!"

Wegen der vielen Teilnehmer steigt auch die Verletzungsgefahr, die besonders in den engen Kurven hoch ist. Der Lauf endet in der Stierkampfarena, und die Stiere werden in die Stallungen getrieben. Am Abend findet dann der traditionelle Stierkampf statt, bei dem die Matadoren den Stier in der Regel töten.
Diese Fiesta zu Ehren des San Fermin entzweit Spanien, der Stierkampf ist in der spanischen Gesellschaft umstritten. Katalonien mit seiner linken Regierung plant in einem Referendum den Stierkampf gesetzlich zu verbieten, während die konservative Regierung der autonomen Region Madrid sich entschieden hat, den Stierkampf als Brauchtum zu schützen.

Die Debatte um den Stierkampf zeigt daher sehr deutlich den Riss, der durch das Spanien in der Zeit nach der Franco-Dikatatur geht. Für die Traditionalisten ist der Stierkampf eine großartige Kunst, deren Thema der Kampf zwischen Mensch und Tier ist. Die Gegner des Stierkampfes – ihnen ist auch das Lager der Ökologie-Bewegung zuzurechnen, - erinnern diese Fiestas an den Geist der Franco-Diktatur und an die Vergangenheit. Mit Fiestas ließen sich in der Franco-Zeit einerseits das Volk ruhigstellen, andererseits ist der Stierkämpfer ein Sinnbild des Machismo aus der Zeit der Diktatur: durch einen Sieg im Kampf schwingt sich ein Mann aus dem Nichts zu Ruhm empor, durch den Stierkampf kann der Arme Wohlstand erlangen. Der Stierkämfer symbolisiert, wie sich ein stolzer Spanier zur Franco-Zeit gerne selbst sah.
Es ist offensichtlich, dass sich diese beiden Weltsichten, die in der Debatte um den Stierkampf zu Tage treten, nur schlecht miteinander in Einklang bringen lassen. Es geht darum, die Vergangenheit loszulassen, damit diese nicht die Gegenwart weiter bestimmt.

Die protestantischen Kirchen stehen in dieser Diskussion eher auf Seiten der Tierschützer. Da sie als Minderheitskirchen aber in der spanischen Gesellschaft in der Regel sowieso nicht um ihren Rat gefragt werden, halten Protestanten sich mit öffentlichen Meinungsäußerungen zurück. Die einen gehen zu den Encierros und genießen dabei ihr Bocadillo mit Wein oder sehen sich das Spektakel im Fernsehen an, während andere einfach Zuhause bleiben und ihre Meinung für sich behalten.


José Manuel González ist in Spanien aufgewachsen und hat in Deutschland evangelische Theologie studiert. Er war zunächst Pastor in Spanien und ist seit zehn Jahren Pfarrer einer evangelischen spanischsprachigen Gemeinde in Duisburg.