Therapie hilft Jugendlichen mit Borderline-Syndrom

Therapie hilft Jugendlichen mit Borderline-Syndrom
Bis zu zwei Prozent der Bevölkerung leidet Schätzungen zufolge am Borderline-Syndrom. Die dialektisch-behavioralen Therapie hilft, eigene Ziele zu setzen und Grenzen zu finden.
31.05.2010
Von Alexander Lang

Sie hat viele heimliche Tränen geweint, bis sie sich zu dem mutigen Schritt entschloss: "Ich erkannte, dass ich mein Leben ändern muss", erzählt die 17-Jährige in schnellem Redefluss. Die Gymnasiastin mit den schwarz gefärbten Haaren und schwarzen Klamotten erlebte jahrelang ein Chaos der Gefühle: Ständig stand sie unter extremer psychischer Anspannung, sie hatte kein Selbstwertgefühl, fand keinen geregelten Tagesablauf in Familie, Freundeskreis und Schule.

Wutausbrüche und Angstattacken

Hilfe sucht sie nun seit einigen Wochen in einer Verhaltenstherapie im Pfalzinstitut im pfälzischen Klingenmünster. Das Mädchen leidet am Borderline-Syndrom, einer ernsten Persönlichkeitsstörung. Während der zehn- bis zwölfwöchigen stationären Behandlung lernt die Patientin in der Jugendklinik des Pfalzklinikums für Psychiatrie und Neurologie, wie sie ihre starken inneren Spannungen abbauen und ihr Verhalten kontrollieren kann.

Bei Menschen mit Borderline-Syndrom gerät das Gefühlsleben durcheinander, die meist jugendlichen Betroffenen sind seelisch instabil. Die Folge sind oft Wutausbrüche, Stimmungsschwankungen und Angstattacken. Um "sich selbst wieder zu spüren" verletzen sich manche etwa mit Rasierklingen, beschreibt Oberärztin Susanne Lieb.

Und viele der "Bordies", wie sich die Jugendlichen selbst oft nennen, flüchten in den Alkohol- und Drogenkonsum, das Suizidrisiko ist hoch. Ihr Selbstbild pendelt zwischen narzisstischer Überhöhung und Selbstverachtung.

Dialektisch-behaviorale Therapie

Zwischen ein und zwei Prozent der Bevölkerung leiden Schätzungen zufolge am Borderline-Syndrom. Als Ursachen gelten neben einer genetischen Veranlagung vor allem traumatische Erlebnisse im frühen Kindheitsalter, die zu Entwicklungsstörungen führen. Dazu zählen auch emotionale Vernachlässigung sowie körperliche und sexuelle Gewalt. Am besten begegnet werden könne der Krankheit mit einer Therapie, die Jugendliche dazu motiviere, eigene Ziele zu setzen und Grenzen zu finden, sagt die Ärztin Lieb.

Bei der in den USA entwickelten sogenannten dialektisch-behavioralen Therapie für Jugendliche lernen die 13- bis 18-jährigen Mädchen und Jungen in Gruppenangeboten und Einzelgesprächen, Spannungszustände zu erspüren und ihnen etwas entgegen zu setzen. "Für die Patienten ist es harte Arbeit, alternatives Verhalten zu erlernen", berichtet Psychologin Sabine Metzner.

Während der Spannungszustände könne es ihnen helfen, die Treppen hoch und runter zu rennen, auf dem Fahrrad-Ergometer zu strampeln oder auch in eine Chili-Schote zu beißen. "Dabei erfahren sie, dass es okay ist, 'authentisch' zu sein und eigene Gefühle zu haben." Im Wirrwarr der Emotionen sei das Therapieziel, einen Mittelweg zu finden, sagt sie.

Achtsamkeitsübungen und Bewegung

Voraussetzung hierzu ist die Bereitschaft der Jugendlichen, an sich selbst zu arbeiten und die erlernten Fertigkeiten im täglichen Umgang mit der Krankheit zu üben. Zu der Therapie gehören Achtsamkeitsübungen ebenso wie Bewegung. Erlebnispädagogik komme vor allem bei den Jungen gut an, berichtet Pädagoge Alexander Wingerter. Mit seinen Patienten geht er regelmäßig zum Klettern, Paddeln oder Bogenschießen.

Noch immer werde hier und da gewitzelt, wenn man erzähle, dass man in psychiatrische Behandlung gehe, erzählt eine jugendliche Borderline-Patientin im Pfalzklinikum. Auch sie hat nur der Familie, engen Freunden und der Schulleitung den wahren Grund erzählt, weshalb sie einige Wochen von der Bildfläche verschwunden ist.

Die Schülerin kann bereits nach der "Halbzeit" bestätigen, dass ihr der stationäre Aufenthalt in der Klinik geholfen hat: "Ich habe meine Einstellung gegenüber dem Leben geändert", sagt sie. "Ich habe feste Regeln, einen festen Tagesplan und das alles ohne Zwang."

epd