Es ist der letzte ambulante Pflegedienst speziell für diese Zielgruppe, der von einer Aidshilfe getragen wird. Zum Jahresende muss der Regenbogendienst aus finanziellen Gründen eingestellt werden. Seine Geschichte offenbart die Schwierigkeiten, die bei der häuslichen Pflege von AIDS-Patienten heute auftreten.
Die Fahrzeiten sind ein großes Problem: Der Frankfurter Dienst betreut Patienten auch außerhalb der Stadt, in Offenbach oder im Taunus. Doch die Zeit, die die Pflegerinnen und Pfleger im Auto verbringen, kann nicht mit den Krankenkassen abgerechnet werden. Der Regenbogendienst wird durch Spenden unterstützt, aber das Geld reicht nicht: Angesichts eines jährlichen Defizits von rund 200.000 Euro muss das Angebot aufgegeben werden. "Wir wollen Sorge dafür tragen, dass unsere Patienten gut untergebracht werden in anderen Pflegediensten", sagt Stephanie Horn.
Doch das ist nicht immer einfach. Selbst unter Krankenpflegern und Pflegeschülerinnen sind Vorurteile und Ängste gegenüber HIV-positiven und AIDS-kranken Menschen verbreitet. Heiko Gerlach aus Frankfurt am Main ist Diplom-Pflegewirt und arbeitet freiberuflich als Berater für Pflegeeinrichtungen, daneben schult er Auszubildende. "Da ist Angst spürbar. Und von Betroffenen erfahre ich, wie schwer es ist, die Vorurteile zu durchbrechen."
Bei Menschen mit HIV potenzieren sich die Probleme
Selbst bei medizinisch ausgebildeten Fachleuten, die die Übertragungswege von HIV kennen, gebe es "völlig irrationale Ängste", hat auch Silke Eggers beobachtet, Referentin bei der Deutschen Aids-Hilfe. "Das liegt daran, dass HIV übertragbar ist, mit Sexualität zu tun hat und immer noch oft mit schwerer Krankheit und einem baldigem Tod gleichgesetzt wird“ - Tabu-Themen. Die Aids-Hilfe versucht aufzuklären und bietet Vorträge und Fortbildungen für medizinisches Personal an.
"Man muss sich allerdings nicht nur mit den Krankheitsbildern auseinandersetzen, sondern auch mit dem psychosozialen Umfeld", fordert Heiko Gerlach. Die Pflegenden müssen eine gute Portion Toleranz mitbringen - gegenüber der Lebensweise schwuler Männer, gegenüber Menschen, die Drogen genommen haben oder nehmen. Je nach Krankheitsverlauf machen sich im Alter hirnorganische Störungen bemerkbar, die Betroffenen werden nicht selten dement oder psychisch auffällig.
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Gerade die vielfältigen Probleme machen den hohen Zeitaufwand in der Pflege aus, erklärt Silke Eggers. Ein Beispiel: Der Pflegedienst kommt, um Medikamente zu verabreichen - dafür gibt es eine bestimmte Pauschale. Doch der Patient hat aufgrund seiner psychischen Situation oder seines Drogenkonsums noch nichts gegessen. So muss der Pflegedienst erstmal ein Frühstück zubereiten - Arbeitszeit, die von der Pflegekasse nicht bezahlt wird. Solche Begleit-Probleme gibt es zwar bei anderen Pflegebedürftigen auch, "doch bei Menschen mit HIV potenzieren sie sich häufig", sagt Eggers.
Ältere pflegebedürftige HIV-Infizierte und AIDS-Kranke sollten von geschulten und erfahrenen Pflegerinnen und Pflegern betreut werden. Doch sind deswegen gleich spezielle Pflegedienste für diese Zielgruppe nötig? Die Fachleute finden Argumente dafür und dagegen. Berater Heiko Gerlach meint, die Spezialisierung sei sinnvoll, weil die Erfahrung der Pflegenden mit der Zahl der Betreuten wachse. Erfahrene Fachkräfte wissen sofort, was zu tun ist, wenn zum Beispiel ein bestimmtes Medikament nicht anschlägt. Auch Silke Eggers plädiert für spezielle Pflegedienste – zumindest in Großstädten, wo besonders viele Menschen mit HIV leben. „Diese Pflegedienste nehmen eine Vorbildfunktion ein und zeigen: Die Schwierigkeiten sind lösbar!"
Es geht auch um die Akzeptanz einer Lebensweise
In Berlin gibt es einen solchen Spezialdienst: Der frühere Pflegedienst der Aidshilfe ist in eine Firma überführt worden, die Felix Pflege gGmbH. Deren Schwerpunkte liegen in der Versorgung von HIV-positiven, an Aids oder Hepatitis C erkrankten Menschen sowie Menschen mit psychiatrischen oder onkologischen Krankheitsbildern. Die Fachleute bieten Fortbildungen für Pflegepersonal an, nicht nur für die eigenen Leute. "Es geht dabei auch um die Akzeptanz der Lebensweise von marginalisierten Zielgruppen", erklärt Jens Ahrens, Referent für Selbsthilfe und Gesundheitsförderung bei der Berliner Aids-Hilfe.
Ähnlich sieht es Lutz Middelberg, Geschäftsführer von "Care24", einer gGmbH in Düsseldorf. "Ich meine auch, dass spezielle Dienste für diese Zielgruppe eine große Rolle spielen. Es geht um die Haltung der Mitarbeiter und die Kenntnis der Erkrankung, sie brauchen spezielles Fachwissen und pädagogische Kompetenz." Care24 ist eine hundertprozentige Tochter der AIDS-Hilfe Düsseldorf. Der Pflegedienst wurde ausgegliedert, damit der Verein das finanzielle Risiko nicht allein trägt. Versorgt werden auch andere Pflegebedürftige, "ausschließlich HIV-Patienten würden wir nicht schaffen", sagt Middelberg.
In ländlichen Gebieten lohnen sich solche spezialisierten Pflegedienste in der Regel nicht. Dort müssen "normale" Pflegedienste die HIV-infizierten und AIDS-kranken Patienten mit versorgen. Silke Eggers kennt gute Beispiele von kleinen ambulanten Pflegediensten auf dem Land, die bereit sind, alle Patienten unabhängig vom Hintergrund und der Lebensweise aufzunehmen. Gegenüber anderen Patienten, die Vorurteile und Ängste äußern, nehmen die Pflegerinnen sogar die HIV-Infizierten in Schutz. „Aber das sind leider noch Ausnahmen, viel häufiger stoßen HIV-Patienten bei den Pflegediensten auf Schwierigkeiten oder werden gar nicht erst aufgenommen.“
Hochbetagte HIV-Infizierte werden in ganz normalen Altersheimen leben
In Hannover und dem Umland hat der Pflegeverein SIDA e.V. eine trickreiche Lösung gefunden: Die Dienstleistung des Vereins besteht hauptsächlich darin, chronisch kranke Menschen zuhause mit Infusionen zu versorgen - auch im Umland. Dafür gibt es laut Pflegedienstleiter Holger Bayer eine recht ordentliche Vergütung, die es dem Dienst erlaubt, HIV-infizierte Pflegebedürftige bei den Terminen auf dem Land mit zu betreuen - die Fahrzeiten fallen nicht ins Gewicht. "Wir hatten erst Muffe, ob das so geht", gibt Bayer zu, "aber es macht überhaupt keine Probleme. Ein Patient nutzt dem anderen. Die verhalten sich sehr solidarisch."
Die Herausforderungen werden in Zukunft steigen. Denn die Zahl der HIV-Infizierten - momentan nach Angaben der Deutschen AIDS-Hilfe bei rund 73.000 - steigt kontinuierlich an. Jedes Jahr infizieren sich rund 2700 Menschen neu, und jedes Jahr sterben rund 500 an den Folgen von HIV. Wer sich heute ansteckt, hat durch die guten Behandlungsmöglichkeiten eine fast normale Lebenserwartung, könnte also eines Tages als hochbetagter Mensch in einem ganz normalen Altenheim leben - mit HIV.
Und auch diejenigen, die sich in den 80er und 90er Jahren infiziert haben, rechneten wohl in den seltensten Fällen damit, überhaupt alt und pflegebedürftig zu werden. "Das Altenhilfesystem ist noch nicht wirklich auf diese Menschen vorbereitet", sagt Silke Eggers. Doch Visionen und Ideen sind da: Die Frankfurter Aidshilfe plant ein Altenheim speziell für ältere Menschen mit HIV und AIDS. "Es gibt den Bedarf", sagt Pressesprecherin Stephanie Horn. "Aber die Finanzierung muss noch geklärt werden."