Weniger Kirchenvorstände, mehr Chancen

Drei Personen stehen in der Kirche, hinter einem Altar und sind im Gespäch
epd-bild/Daniel Peter
Stefanie Hölscher-Marx (r.), Yvonne Kiesel und Pfarrer Tilman Schneider erwarten positive Effekte für ihre Gemeinde.
Kirchengemeinden in Bayern
Weniger Kirchenvorstände, mehr Chancen
Im Herbst werden die Kirchenvorstände in Bayern neu gewählt. Es werden deutlich weniger sein als noch vor sechs Jahren. Weil die Zahl der Kirchenmitglieder sinkt und weil man schlankere Strukturen will.

Die bayerische Landeskirche reicht von Aschaffenburg bis Passau, von Kempten bis Wunsiedel - überall gelten die gleichen Regeln, und doch gibt es regional große Unterschiede. Zum Beispiel bei Verwaltung und Organisation: Während es in manch kleinen Dekanaten noch Dutzende Kirchengemeinden mit vielen Kirchenvorständen gibt, sind es in anderen Dekanaten mit vielen Gemeindegliedern nur wenige. Zur Kirchenvorstandswahl im Herbst ist da einiges in Bewegung - auch wegen sinkender Mitgliederzahlen.

Ein Kirchenvorstand in der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) hat verschiedene Aufgaben. Als größtenteils gewähltes Gremium muss er Personalentscheidungen treffen - wenn eine Pfarrstelle neu besetzt werden soll oder eine Kindergarten-Leitung gesucht wird. Darüber hinaus befasst sich der Kirchenvorstand mit strategischen Fragen der Gemeindeentwicklung und legt mit den Hauptamtlichen Schwerpunkte in der Arbeit der Gemeinden fest. Je nach Gemeindegröße gehören dem Kirchenvorstand bis zu 18 Mitglieder an.

Klingt nach viel Arbeit und erst einmal wenig Spaß - doch so würde Stefanie Hölscher-Marx aus Thüngen im unterfränkischen Dekanat Würzburg das nicht stehen lassen wollen. "Klar, es gibt auch mal Themen, die nicht so schön sind", sagt die gelernte Erzieherin und Mutter von zwei Kindern. Vor allem aber könne man gestalten, wie Kirche vor Ort sein soll. Für sie ist der Kirchenvorstand mehr als ein "Kirchengemeinderat", es sei auch eine geistliche Gemeinschaft: "Ich habe über dieses Ehrenamt wieder näher zu meiner Kirche gefunden."

Ihren bisherigen Kirchenvorstand wird es nach der Wahl im Herbst so nicht mehr geben. Aber nicht nur, weil die oder der ein oder andere nicht mehr kandidieren oder berufen wird, sondern vor allem, weil das Gremium nicht mehr bestehen wird. Die Kirchengemeinden Thüngen-Arnstein und Karlstadt bilden seit Januar eine Pfarrei - mit dem schönen Namen "Im Main-Werntal". Und diese Pfarrei soll künftig nur noch einen gemeinsamen Kirchenvorstand haben. "Aus zwei Gremien machen wir dann also eins", sagt Pfarrer Tilman Schneider.

Gemeinden rücken zusammen

Damit liegen sie "Im Main-Werntal" voll im Trend. Im Dekanat Würzburg, mit rund 65.000 Evangelischen eines der großen Dekanate in der Landeskirche, gibt es aktuell 37 Kirchenvorstände - nach der Wahl werden es noch 28 sein. Diese Reduktion um mehr als ein Viertel ergibt sich durch neue Pfarreienbildungen oder auch eine verstärkte Zusammenarbeit von bereits als Pfarrei organisierten Kirchengemeinden, sagt Dekan Wenrich Slenczka: "Die Struktur unserer Kirche muss schlanker werden. Das fängt auf der Gemeindeebene an."

Eine Umfrage des Evangelischen Pressedienstes unter den mehr als 60 evangelischen Dekanaten der Landeskirche hat ergeben, dass die Zahl der Kirchenvorstands-Gremien im Gros der Dekanate sinkt - und wegen sinkender Gemeindegliederzahlen auch die Zahl der Mitglieder in den Gremien. Neben Würzburg fällt vor allem das Dekanat Schweinfurt auf. Dort sinkt die Zahl der Kirchenvorstands-Gremien von derzeit 28 auf mindestens 15, vielleicht sogar auf 13. Auch in Kronach-Ludwigsburg wird deutlich von 21 auf 15 Gremien reduziert.

Weniger Sitzungen

Warum das sinnvoll ist, erklärt Pfarrer Schneider so: Die Kirche vor Ort solle vor allem das Gemeindeleben, den Glauben aktiv gestalten, für die Menschen da sein. "Deshalb haben wir alles andere, was Zeit frisst, versucht abzugeben." Um die Kita-Verwaltung kümmert sich nun ein Zweckverband. Den kirchlichen Friedhof hat man an die Kommune verkauft. Denn es brauche ehrenamts-taugliche Strukturen, betont Schneider: "Dazu gehört, die Zahl der Sitzungen möglichst niedrig zu halten." Zum Zeitabsitzen sei heute niemand mehr bereit.

Ob das auch klappt, wenn aus den beiden bislang eigenständigen Kirchenvorständen in der Pfarrei "Im Main-Werntal" einer wird? Pfarrer Schneider ist zuversichtlich. Ebenso Kirchenvorstandsmitglied Yvonne Kiesel aus Arnstein. Die Mittelschullehrerin und Mutter zweier Kinder arbeitet seit 2021 als berufenes Mitglied im KV mit und ist in der Kindergottesdienstarbeit aktiv. "Arnstein und Thüngen haben schon bisher in vielen Dingen gut und intensiv zusammengearbeitet - künftig sind wir noch eine Gemeinde mehr und eben ein Gremium."

 

Sowohl Stefanie Hölscher-Marx als auch Yvonne Kiesel können sich vorstellen, im künftigen, gemeinsamen Kirchenvorstand der Pfarrei mitzuarbeiten. Pfarrer Schneider würde sich darüber freuen: "Wir brauchen Leute, die positiv für die Kirche einstehen, die vom Evangelium angerührt sind." Er halte wenig davon, solche Gremien nach beruflichen Kompetenzen zu besetzen: "Meine Erfahrung ist, dass es nicht gerade zielführend ist, wenn beispielsweise für anstehende Bauprojekte gezielt Architekten in den Kirchenvorstand geholt werden."

Ganz ohne Gremien vor Ort wird es auch "Im Main-Werntal" künftig nicht gehen. Der Kirchenvorstand wird zwar für die ganze Pfarrei gewählt und berufen - in den drei jeweiligen Kirchengemeinden wird es aber sogenannte Ortsausschüsse geben, in denen alle Interessierten zusammen an lokalen Projekten arbeiten können. "In solch lockeren Ausschüssen sehe ich große Chancen", sagt Hölscher-Marx. Denn anders als beim Kirchenvorstand müsse man sich nicht gleich für sechs Jahre binden: "Man kann projektbezogen ein- und aussteigen."