TV-Tipp: "Ein starkes Team: Und vergib ihnen ihre Schuld"

Fernseher vor gelbem Hintergrund
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16. März, ZDF, 20.15 Uhr:
TV-Tipp: "Ein starkes Team: Und vergib ihnen ihre Schuld"
Ein klassischer Krimi: Der katholische Pfarrer Heintze wird tot im Beichtstuhl gefunden. Nach seinem Tod erhält das LKA Briefe mit Bibelzitaten, die auf Rache schließen lassen. Die Suche beginnt, wer den erzkonservativen Pastor auf dem Gewissen hat.

Der Abendhimmel über Berlin, eine Kirchenglocke erklingt, das Läuten mischt sich mit den Klängen einer Orgel. Die Kirchentür öffnet sich, Laub weht herein, einige Kerzen verlöschen im Luftzug; ein Schatten steigt die Treppe zur Empore hinauf. Bedrohlich mischt sich die Filmmusik ins Orgelspiel, das abrupt verstummt. Kurz drauf kommt die besorgte Pfarrhaushälterin in die Kirche und entdeckt das Blut, das aus dem Beichtstuhl sickert. "Und vergib ihnen ihre Schuld" lautet der Titel dieses Films, dessen optisch und akustisch ausgezeichnet gestalteter Prolog den passenden Vorgeschmack liefert: Pfarrer Heintze ist von der Empore gestürzt und anschließend in den Beichtstuhl geschleift worden. Nach seinem Tod erhält das LKA Briefe mit Bibelzitaten, die auf Rache schließen lassen. Tatsächlich galt der katholische Priester als erzkonservativ. Wer seine Ehe vor Gott geschlossen hatte, war für ihn nach einer Scheidung gestorben, die Trauung homosexueller Paare undenkbar. 

Jürgen Pomorin alias Leo P. Ard und Ulrich Zrenner waren auch für die erst kürzlich ausgestrahlte Folge des ZDF-Evergreens "Ein starkes Team" verantwortlich, als Otto Garber und Linett Wachow (Florian Martens, Stefanie Stappenbeck) in dem Thriller "Der Tausch" um das Leben ihres entführten Kollegen Klöckner (Matthi Faust) bangten. Episode Nummer 95 ist dagegen ein klassischer Krimi, in dem sich der Reihe mehrere Personen als Verdächtige aufdrängen. Bemerkenswert ist allerdings auch hier die Bildgestaltung (wieder Wolf Siegelmann), zumal das ästhetische Konzept diesmal gänzlich anders ist. Im letzten Film waren die Farben behaglich, diesmal sind viele Szenen dunkel und unterkühlt, was nicht nur die wenigen warmen Lichtinseln umso mehr betont, sondern auch die Veränderungen der Stimmung hervorhebt: Zu Beginn erscheint die vom Kerzenschein illuminierte Kirche als Zuflucht, später ist die Atmosphäre deutlich düsterer. 

Deshalb ist angesichts der heimeligen Beleuchtung seines Geschäfts auch ziemlich klar, dass Bäcker Lorenz (Thomas Arnold) den Pfarrer wohl nicht auf dem Gewissen hat, selbst wenn er gute Gründe gehabt hätte: Der Gottesmann hat ihn nach Scheidung und zweiter Heirat in der Kirchengemeinde zur Persona non grata erklärt. Das hatte erhebliche Umsatzeinbußen zur Folge, weshalb Herr Lorenz dem Pfarrer einige hasserfüllte Nachrichten geschickt hat; angesichts der Todesnachricht wünscht er ihm "viel Spaß im Fegefeuer". Dass er seiner Schaufensterwerbung zum Trotz keineswegs eigenes Handwerk, sondern andernorts erworbene und dann bei sich aufgebackene Fertigmischungen verkauft, macht ihn nicht glaubwürdiger. 

Natürlich bleibt es weder bei einem Mord noch bei einem Verdächtigen: Wenig später wird eine Anwältin für Kirchenrecht erschossen; sie war im Auftrag des ermordeten Pastors tätig. In diesem Fall konzentrieren sich die Ermittlungen vorübergehend auf die kurz zuvor entlassene Vorzimmerdame (Darja Mahotkin), die nicht nur einschlägig vorbestraft ist, sondern mit ihren sichtbaren Tätowierungen ohnehin nur bedingt dem Bild einer Kanzleimitarbeiterin entspricht; angeblich hat sie in die Kasse gegriffen. Weil es in Krimis dieser Art aber mindestens drei Verdächtige gibt, drängt sich schließlich und endlich ein Diakon als Täter auf, dem Heintze ebenfalls übel mitgespielt hatte. Der Mann galt als das gute Gewissen der Kirchengemeinde und kümmerte sich hingebungsvoll um Strafgefangene, durfte der Berufung aber aufgrund seiner Homosexualität nicht mehr nachgehen. Die erschossene Anwältin (Bettina Hoppe) sollte ihm gar eine Verführung Minderjähriger anhängen, der Mann hätte also in beiden Fällen ein erstklassiges Motiv, aber er hat auch das beste aller Alibis: Zum Zeitpunkt der Morde war er bereits selber tot. 

Nicht erst jetzt wird Krimifans auffallen, dass da noch eine weitere Figur durch die Handlung schleicht, die überdies nur bedingt sympathisch ist, aber ihren Kopf rechtzeitig aus der Schlinge zieht. Das macht Pomorins Drehbuch zwar nicht vorhersehbar, mindert den Reiz des Miträtselns aber doch spürbar, und natürlich hat es auch seine Bewandtnis, dass der Mörder sein Opfer in den Beichtstuhl geschleppt hat. In Sachen Spannung bleibt "Und vergib ihnen ihre Schuld" ohnehin deutlich hinter "Der Tausch" zurück. Sehr sympathisch sind allerdings wie fast immer die Zwischenmenschlichkeiten. Während die Geplänkel Garbers mit Rechtsmedizinerin Simkeit (Eva Sixt) oft etwas bemüht aussehen, ist das Zusammenspiel von Florian Martens und Stefanie Stappenbeck dank wie improvisiert wirkender beiläufiger Gesten von einer sympathischen Selbstverständlichkeit.