5 geistliche Gründe, warum wir Schöpfungszeit brauchen

Präses Thorsten Latzel
© epd-bild/Thomas Lohnes
Es braucht Zeit, um Schönheit zu entdecken: Schöpfungszeit. Um die gute Idee der Schöpfungszeit weiter zu verbreiten und zu gestalten, gibt es einen begleitenden Kalender und fünf praktische Impulse von Präses Thorsten Latzel.
Gastbeitrag von Präses Latzel
5 geistliche Gründe, warum wir Schöpfungszeit brauchen
Die Zeit vom 1. September bis 4. Oktober soll als SCHÖPFUNGSZEIT gewürdigt werden. Warum? Dazu liefert
Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, als Botschafter der Aktion "Schöpfungszeit" fünf gute Gründe in einem Gastbeitrag für evangelisch.de.

1. Schönheit entdecken

Mit Paul Gerhardt formuliert: "Geh aus, mein Herz, und suche …" Gottes schöne Schöpfung. Sie ist bezaubernder als die Mona Lisa, faszinierender als der Eifelturm. Und dabei einfach gratis. Darum: Springe nackt in einen Waldsee! Lausche mit geschlossenen Augen dem Rauschen einer Espe! Erklimme frühmorgens einen Berg, wenn die Sonne aufgeht! Und dann, liebe Seele, dann sprich mit deinem Schöpfer: "Gott, du hast alles weise geordnet. Himmel, Erde, Meer, Berge, Flüsse, Tiere, Pflanzen. Ich selber bin Teil deiner Schöpfung. Danke, dass ich wunderbar gemacht bin. In der Hektik des Alltags vergesse ich das allzu oft. Öffne mir die Augen, das neu zu sehen." Es braucht Zeit, um Schönheit zu entdecken: Schöpfungszeit.

2. Leid an mich heranlassen

Auch an diesem Tag werden wieder über 150 Arten aussterben. Es werden Urwälder gerodet, Gewässer mit Plastik zugemüllt, Gletscher schmelzen. "Gott, wir kriegen es nicht hin. Kommen nicht raus aus unserer welt- wie selbstzerstörenden Lebensweise. Wir wissen längst, was Klimawandel bedeutet. Erleben Dürren, Hitzezeiten, Großbrände, Starkregen. Und wieder sind die Ärmsten am stärksten betroffen. Menschen werden umkommen, andere fliehen müssen. Gott, hilf uns heraus aus diesem selbstverschuldeten Wahnsinn." Schöpfungszeit heißt, das Leiden meiner Mitgeschöpfe an mich heran- und mich bewegen zulassen.

3. Anders leben

Es ist höchste Zeit, dass sich grundlegend etwas ändert: unsere Art zu konsumieren, reisen, essen, leben. Doch dazu braucht es mehr als die tägliche Prise aus Katastrophennachricht, Panik oder Verzicht. Die Klimakrise lässt sich weder rein technisch noch moralisch lösen. Ihre Ausmaße sind ja längst gut bekannt. Doch das führt allzu oft zu Resignation, Ausblenden oder Verzweiflung. "Was kann ich schon tun? Das Problem ist zu groß, mein Beitrag dagegen viel zu klein." Doch der Glaube vertraut trotzig darauf, dass Gott etwas tut. Und dass ich berufen bin, Teil davon zu sein. In der Bibel heißt dies Umkehr und gehört zu den allerersten Worten Jesu. In der Schöpfungszeit kann ich selbst ein anderer werden.

4. Hoffen lernen

In der Schöpfungszeit können wir eine neue "transformative Spiritualität" einüben. Mit Dietrich Bonhoeffer gesprochen: Beten, Tun des Gerechten und Warten auf Gottes Reich. Alles drei ist notwendig: Beten, als wenn all unser Arbeiten nichts nützte. Und Arbeiten, als wenn all unser Beten nichts nützte. Und am Abend des Tages meine Brille zusammenfalten und darauf vertrauen, dass Gott die Welt in seinen Händen hält. Eine solche Haltung macht trotzig und getrost. Sie hilft, gesellschaftliche, politische Strukturen zu verändern, alles zu tun, was ich selbst tun kann. Und sie bewahrt mich zugleich davor, mich selbst zu überfordern oder zu lähmen. Es ist gut, wenn wir Zeit haben, um aus der Bibel so neu hoffen zu lernen: Finde dich nicht ab mit der Zerstörung der Schöpfung. Tue, was in deiner Kraft steht. Und rechne mit Gott!

5. Konkret werden

Zu einer tätigen Hoffnung gehört es, nicht im Möglichen zu schweben, sondern tapfer das Machbare zu tun. Wie ein Vogel, der mitten in der Nacht anfängt vom Licht des neuen Tages zu singen. Sein Gesang bewirkt nicht, dass es Tag wird. Aber er lässt sich davon bestimmen. Bezogen auf Gottes Schöpfung: Was ist meine Aufgabe? Wo kann ich einen Unterschied machen – mit einem zeichenhaften Handeln in diesen fünf Wochen Schöpfungszeit? Einer der schönsten Sätze, die Martin Luther niemals gesagt hat, die unseren protestantischen Glauben aber gut beschreiben, ist der mit dem Apfelbäumchen: Wenn andere vom Untergang der Welt reden, pflanzen wir Apfelbäumchen. Jetzt ist Schöpfungszeit. Auf, und lasst uns Apfelbäume pflanzen! Schöne, vielfältige, alte Sorten, auf dass – so Gott will – unsere Kinder sie einmal ernten.

evangelisch.de dankt Dr. Thorsten Latzel, Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland und Botschafter der Aktion "Schöpfungszeit", für diesen Gastbeitrag.