Versinken ARD und ZDF im Sumpf der FIFA?

Versinken ARD und ZDF im Sumpf der FIFA?
Die ehrenwerte Gesellschaft namens FIFA wäre ohne die Medienunternehmen nie so ehrenwert geworden wie heute. Nur was sind eigentlich ARD und ZDF? Medienunternehmen oder öffentlich-rechtliche Körperschaften? Die Zukunft der FIFA stellt somit auch die Frage nach der medienpolitischen Zukunft von ARD und ZDF.

Was hat Fußball mit der FIFA zu tun? Das kann man etwa unter #opelistschwarzgelb nachlesen. Unter diesem Hashtag nutzt ein Autohersteller, der den BVB unterstützt, die mediale Aufmerksamkeit für das DFB-Pokalendspiel für seine eigenen Produkte. Auf die Idee könnte man natürlich auch in Wolfsburg kommen. Das hat durchaus kuriose Folgen. So berichtet die Bild über die Absage des FIFA-Sprechers Walter de Gregorio bei Günther Jauch, was Opel auf der Webseite zur entsprechenden Werbung mit diesem hashtag nutzt. Was Fußball mit der FIFA zu tun hat? Geld. Es ist der Schmierstoff, der alles zusammenhält. Es definiert die Rolle der Fußball-Verbände in gleicher Weise wie die Vermittlungsfunktionsfunktion der Medien zwischen Zuschauer und Sponsoren. Vom Spieler auf dem Platz bis zum wiedergewählten FIFA-Präsidenten Sepp Blatter sitzen in dieser Unterhaltungsindustrie „Fußball“ alle in einem Boot.

Sie haben ein gemeinsames Interesse: Das in diesem Geschäftszweig reichlich vorhandene Geld so zu verteilen, dass jeder sein Stück vom Kuchen abbekommt. Das reicht vom Verbandsfunktionär eines Zwergstaates, der im FIFA-Exekutivausschuss sitzt, bis zum Sportreporter, der als Tischtennis-Experte nie die Möglichkeit gehabt hätte, in gleicher Weise Einkommen zu generieren wie als Fußball-Experte. Immerhin wird man aber als Tischtennis-Experte nicht so belästigt wie etwa Marcel Reif in Dortmund. Dafür haben es die kritischen Journalisten auch im Fußball schwer, wie am Kollegen Jens Weinreich zu sehen ist. Wer über die Geldmaschine Fußball kritisch berichtet, und damit nicht Teil dieser fortgesetzten Akkumulation von noch mehr Geld ist, hat es wie Weinreich schwer. Er muss mit reduzierten Einkommen leben und hat für uns nur einen Trost bereit. Hier wird nämlich deutlich, was Journalismus ist: Der kritische Blick auf die Wirklichkeit, selbst wenn alle Protagonisten dieser Wirklichkeit davon nichts wissen wollen.

+++ Wer über die FIFA spricht, darf über die Rolle der Medien nicht schweigen. Sie nutzen den Fußball, um mit der Aufmerksamkeit des Publikums Einnahmen zu erzielen. Das betrifft ja nicht nur die Bild. Zugleich sind sie unabkömmlich, um die Geldmaschine am Laufen zu halten. Opel oder VW interessieren sich schließlich nicht für Fußball, sondern für den Verkauf ihrer Produkte. Der Fußball soll dabei helfen. Dafür bezahlen sie fürstliche Summen an die Medienunternehmen, die ein nützliches Gut anzubieten haben. Die Zuschauer sehen ja nicht nur Fußball, sondern kaufen auch neue Autos. Der Journalismus ist als Berichterstattung ein Teil dieser Maschine, die als Wettbewerbsmodell organisiert ist. Sie alle treffen dabei auf einen Monopolisten namens FIFA, der weltweit den Zugang zum Milliardenmarkt Fußball kontrolliert.

Er kann den Wettbewerb entsprechend nutzen, um Monopolrenditen zu erzielen. Das alles unter der Flagge eines Verbandswesens, das etwa im Tischtennis lediglich die Durchführung dieses Sports nach gemeinsamen Regeln sicherstellen soll. Wer wundert sich dann über die Transformation der FIFA in eine „ehrenwerte Gesellschaft“ alter Männer, allerdings ohne eine Zentrale auf Sizilien? Dort müssen Milliarden an wenige Akteure verteilt werden. Jeder will in diesem Club seinen Anteil haben, weil der Fußball auch sonst nur noch als Milliardenmarkt funktioniert. Das reicht vom Bundesligaprofi über den Sportreporter bis zum Verbandspräsidenten der Kaimaninseln. Allerdings sitzt nur Letzterer in Untersuchungshaft. Sein Einkommen soll er rechtswidrig erzielt haben, weil die Kaimaninseln im Gegensatz zu Deutschland nicht das Marktpotential haben, um ihrem Verbandspräsidenten eine so auskömmliche Aufwandsentschädigung wie dem DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach sicherzustellen.

+++ Nur welche Rolle spielen ARD und ZDF in diesem Milliardenmarkt? Beide bezahlen 432 Millionen € für die Senderechte an den Weltmeisterschaften 2018 und 2022. Im Gegensatz zu den sonstigen Akteuren in diesem Markt müssen sie diese Summen noch nicht einmal auf dem Markt refinanzieren. Der deutsche Gebührenzahler subventioniert auf diese Weise den Monopolisten namens FIFA. ARD und ZDF haben vor allem ein medienpolitisches Interesse an diesen Senderechten. Es soll die Legitimation des öffentlich-rechtlichen Rundfunks sicherstellen. Das Ziel ist nachvollziehbar. Nur welchen Preis bezahlen wir dafür? Schließlich sind sie damit ein Teil dieser ehrenwerten Gesellschaft geworden. Und wie sehen diese Verträge zwischen der FIFA und den Sendeanstalten aus? Was passierte eigentlich, wenn die Weltmeisterschaften 2018 und 2022 ohne die Europäer stattfänden?

Nur einmal als Szenario, gewissermaßen ohne Franz Beckenbauer und die Uhren von Karl-Heinz Rummenigge gedacht. Müssten beide Sender dann trotzdem mit dem bekannten Aufwand berichten? Vom packenden Spiel zwischen Nepal und den Kaimaninseln in der Vorrunde? Die FIFA betrachtet nämlich Fernsehübertragungen nur als Plattformen für ihre Sponsoren, um damit zusätzliche Einnahmen zu erzielen. Oder gibt es ein vertragliches Rücktrittsrecht, wenn die FIFA kein Weltverband mehr sein sollte? Müssten sich FIFA, ARD und ZDF sogar an die UEFA wenden, um dort Schadensersatz geltend zu machen? Lauter ehrenwerte Fragen an eine nicht ganz so ehrenwerte Gesellschaft, wenn man den Begriff nicht nur als Synonym für die Mafia verwenden will. In seiner TV-Kritik zur FIFA-Sendung von Günther Jauch hat Christoph Becker den ehemaligen FIFA-Mitarbeiter Guido Tognioni zitiert. Dieser sprach von der FIFA als einem „geschlossenen System“:

„Den bemerkenswertesten Satz der Sendung sagte denn auch ebenfalls Tognoni: „Die Fifa ist ein geschlossenes System. Die Fernsehanstalten rennen ihr die Bude ein, die Sponsoren sind sprachlos.“ Das ist, in aller Kürze, die Wahrheit. 432 Millionen Euro. Von uns, für Blatters Fifa. Aber darüber wurde bei Jauch nicht gesprochen. Vierhundertzweiunddreißig Millionen. Genug.“

Die Debatte über die FIFA bleibt wohlfeiles Gerede, wenn alle so argumentieren wie ZDF- Intendant Thomas Bellut.

„Nein. „Wir wollen das Ereignis haben“, das ZDF komme an der FIFA nicht vorbei, sagte ZDF-Intendant Thomas Bellut. Das ZDF sieht trotz des neuen FIFA-Skandals die Übertragung der Fußball-Weltmeisterschaften in Russland (2018) und Katar (2022) nicht gefährdet. Die Rechte an den Übertragungen seien bereits erworben, Vertragsverhandlungen stünden nicht an, stellt Bellut nach einer Sitzung des ZDF-Fernsehrats in Berlin klar.“

Es dominiert das Interesse des ZDF an den Übertragungsrechten der Fußball-Weltmeisterschaften. Bellut verhält sich damit nicht anders als alle anderen Akteure in diesem Sumpf namens „organisierte Kriminalität“, den das amerikanische Justizministerium jetzt trocken legen will. Nur ist das Interesse Belluts medienpolitischer Natur, weil der Gebührenzahler den Marktmechanismus zu dessen eigenen Lasten kompensiert. Allerdings sind ARD und ZDF öffentlich-rechtliche Körperschaften, die keineswegs wie konventionelle Medienunternehmen agieren dürfen. Wofür bezahlen wir als Gebührenzahler sonst diesen Apparat?

Die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten haben in Europa Marktmacht, ansonsten könnten sie nicht ihre private Konkurrenz in dem Rechtepoker über die Übertragungsrechte der FIFA ausstechen. Es ist von ihnen schlicht nur eines zu erwarten: Diese im Sinne des öffentlichen Interesses an einen Fußball einzusetzen, der nicht zum Selbstbedienungsladen degeneriert. Wer soll das sonst tun, wenn noch nicht einmal ARD und ZDF? An dieser Frage wird sich somit entscheiden, ob diese beiden Sender weiterhin eine medienpolitische Bedeutung als Korrektiv zum reinen Marktmodell haben, das beim Fußball seine kriminellen Grenzen enthüllt hat. ARD und ZDF haben ihre 432 Millionen € im Sinne des Gemeinwohls einzusetzen. Das kann man man ansonsten wohl kaum vom DFB oder der UEFA erwarten. Die wollen nämlich von den 432 Millionen € auch nur möglichst viel in die eigenen Taschen leiten. Da sollte sich niemand etwas vormachen, selbst wenn man Franz Beckenbauer und die Uhren von Karl-Heinz Rummenigge nicht mitdenkt.


Altpapierkorb

+++ Warum guter Journalismus wichtig ist, kann man jeden Tag bei der FIFA erleben. Daher zuerst die gute Nachricht des Tages. Die Prenzlauer Berg Nachrichten machen nach ihrem Crowdfunding Projekt weiter. Im Gegensatz zur FIFA kann von der fortlaufenden Akkumulation von noch mehr Geld beim Lokaljournalismus bekanntlich nicht die Rede sein. Zu dem Thema findet man auch etwas bei Breitband im Deutschlandradio-Kultur. Was Geschäftsmodelle im Journalismus betrifft, haben wir via Turi noch eine gute Meldung: Ein Dino namens Newsweek lebt wieder.

+++ Wo die Akkumulation auch nicht mehr funktioniert? Bei den Fotografen: Sie treten daher in den Streik!

+++ Ein Thüringer Lokalsender übernimmt die Programme von RT-Deutsch ohne Kommentierung? Ein interessantes Experiment. Was einen aber wirklich wundert, warum die Programmmacher von RT-Deutsch nicht die Thüringer Kollegen entsprechend abmahnen? Schließlich klauen diese damit Traffic, die bekanntlich wichtigste Währung in diesem Internet. Das könnte aber damit zu tun haben, dass RT-Deutsch genauso wenig wie ARD und ZDF ein Medienunternehmen ist, sondern ein russischer Staatssender, wo Geld bekanntlich nur eine sekundäre Rolle spielt. Deshalb ist das wohlfeile Gemecker der Thüringer Landesmedienanstalt über die fehlende Ausgewogenheit dieses Programmangebots etwas seltsam. Berichten eigentlich ARD und ZDF ausgewogen über ihre Interessen an Fußball-Senderechten? Eher sollte man eine andere Frage stellen: Hat der Thüringer Lokalsender damit RT-Deutsch die Rechte eines Lokalsenders überlassen? Das ist so auch in der Thüringer Allgemeinen zu lesen.

+++ Ob bei uns die Bilder von Sepp Blatter beim FIFA-Kongress hängen bleiben. Oder nicht doch die Michel Platini, dem Präsidenten der UEFA? Er soll sogar geweint haben angesichts des schweren Schicksals mit dem Kollegen der FIFA befreundet zu sein. Das wissen wir alles nicht. Dafür hat Paul-Josef Raue einen interessanten Text zu dieser Frage in seinem Blog. Es geht um ein gelungenes Bild, das ein Flugzeug zwischen zwei Türmen zeigt. Nur muss man sich dafür wirklich entschuldigen, obwohl es Assoziationen an 9/11 wecken kann, aber eben nicht muss?

+++ Der Mensch ist vergesslich. Das kann eine Gnade sein, wie jeder weiß. Nur vergisst das Internet nichts, wenn es auch ein Recht auf Vergessen gibt. Nur ist das bekanntlich ein Recht darauf, in Suchmaschinen nicht gefunden zu werden. Damit beschäftigt sich Markt und Medien im Deutschlandfunk.

+++ Wer die Funktion von Empörungswellen im Netz verstehen will, sollte diesen Dialog zwischen Annette Baumkreuz und Don Alphonso lesen. Er zeigt nämlich überraschenderweise, wie Kommunikation gelingen kann, selbst wenn sie sich mit Empörung beschäftigt. Das Erfolgsrezept nennt sich Unaufgeregtheit.

+++ Mit den Supernerds im Kölner Schauspiel von vergangenem Donnerstag beschäftigte sich noch einmal Thomas Knüwer in seinem Blog. Der Titel lautet „Experimentieren und scheitern“. Wie man auch ohne Experimentieren scheitern kann, zeigte ja die Reaktion von ZDF-Intendant Thomas Bellut auf den FIFA-Skandal. Zum Thema „digitale Gesellschaft“ ansonsten noch dieser Artikel von Lutz Hachmeister.

+++ Der Verleger Alfred Neven DuMont ist am Sonntag im Alter von 88 Jahren verstorben. Einen Nachruf von Joachim Frank findet man im Kölner Express.

+++ Was sonst noch fehlt? Der früher Videotext genannte Teletext wird heute 35 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch!

Das Altpapier gibt wieder am Dienstag.

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