Warum Franz-Josef Strauß CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf Latein abgemahnt hätte

Warum Franz-Josef Strauß CDU-Generalsekretär Peter Tauber auf Latein abgemahnt hätte

Heute geht es um die fast perfekte politische Kommunikation der CSU. Außerdem um Kai Diekmanns Bart als journalistisches Geschäftsmodell. Aber wir stellen uns noch eine andere Frage: Ist die Eigentümerstruktur beim Spiegel noch zeitgemäß?

Diese Altpapier-Kolumne wird weiterhin auf Deutsch erscheinen. Das zur Beruhigung jener Leser, die weder Latein, noch klingonisch oder hessisch verstehen. Das bezieht sich auf eine Aussage des CDU-Generalsekretärs Peter Tauber auf Twitter. Er reagierte damit auf einen Antrag, den die CSU auf ihrem Parteitag am kommenden Wochenende in Nürnberg verabschieden will. Einwandererfamilien sollen auch zu Hause Deutsch sprechen.

„Wer dauerhaft hier leben will, soll dazu angehalten werden, im öffentlichen Raum und in der Familie deutsch zu sprechen.“

Zwar wissen wir nicht, wie die Klingonen darauf reagieren werden. Aber wir wissen in einer Medienkolumne, warum die CSU schon jetzt einen Preis für fast perfekte politische Kommunikation verdient hat. Denn Bayerns führende Partei ist sich über die Sinnlosigkeit ihres Antrages völlig im Klaren. Weder kann der Staat vorschreiben, wie man kommuniziert, noch kann er es kontrollieren. Aber die CSU will auch gar nicht, dass jeder Klingone in Zukunft Deutsch sprechen soll. Sie will lediglich die Medien zur Weiterverbreitung ihrer politischen Botschaft nutzen. Der CSU sitzt bekanntlich die AfD im Nacken und in Dresden demonstriert man mit wachsenden Teilnehmerzahlen unter dem Stichwort Pegida. Es gilt jene Wählergruppen zu bedienen, die schon immer der Meinung waren, es gäbe zu viele Klingonen und andere Ausländer in ihrem schönen Bayern. Die CSU kümmert sich um euch. Ihr seid anders als die Einwanderer, weil ihr schließlich schon immer nichts anderes gemacht habt, als zu Hause deutsch zu sprechen. Diese Botschaft wird eifrig über die Medien vermittelt. Mit jeder kritischen Bemerkung über diesen Antrag wird sie sogar noch effektiv unterstützt. Wer hat schon etwas gegen die Beherrschung der deutschen Sprache einzuwenden? Noch nicht einmal die Kritiker der CSU. Sie wird in der kommende Woche deshalb die Unschuld vom Lande spielen. Und damit zugleich die politische Agenda bestimmen, die ansonsten zumeist ohne die CSU formuliert wird. Was aber in dieser Botschaft zugleich vermittelt wird? Das Signal der Ausgrenzung. Schließlich gibt es überhaupt keinen Automatismus zwischen der Integrationsbereitschaft von Einwanderern und ihrem Sprachgebrauch zu Hause. Die Mehrsprachigkeit der Kinder sicherzustellen, ist bekanntlich auch ein Anliegen vieler binationaler Ehen. Das ist der politische Kollateralschaden dieser Kommunikationsstrategie. Zugleich dokumentiert es eine Veränderung im Selbstverständnis der Politik. Sie formuliert nicht mehr politische Inhalte, die sie anschließend kommuniziert. Es ist umgekehrt: Die Kommunizierbarkeit definiert die Formulierung politischer Inhalte. Ansonsten wäre die CSU nämlich gar nicht auf die Idee gekommen, offenkundigen Unsinn zur Grundlage eines Parteitagsantrages zu machen. Sie hat somit einen politischen Gassenhauer erster Ordnung gelandet und nach der Maut endlich wieder ein Thema gesetzt. Wer weiß aber nach der Maut-Erfahrung schon, was am Ende dabei herauskommen wird? Das flächendeckende Abhören aller deutschen Haushalte, um den Gebrauch des Deutschen zu gewährleisten? Sicher wird sich jemand finden, der uns erklärt, warum die DDR trotzdem viel schlimmer gewesen ist.

####LINKS####+++ Der Spiegel hätte diese Woche sicherlich die gesamte Ausgabe mit der Rubrik Rückspiegel gestalten können. Das Drama um den Chefredakteur Wolfgang Büchner fand mit dessen teuren Ausscheiden aus dem Verlag ein Ende. Der Spiegel ist zu einem guten Beispiel für den Gegensatz von gut gemeint und gut gemacht geworden. Gut gemeint war sicherlich die damalige Entscheidung des Spiegel-Herausgebers Rudolf Augstein gewesen, die Mehrheit am Verlag den Spiegel-Mitarbeitern zu schenken. Ob aber mittlerweile etwas Gutes dabei herauskommt? Daran sind mehr als nur Zweifel erlaubt. Im Spiegel-Verlag entwickelte sich jene Zwei-Klassen-Gesellschaft, die die Branche in der Digitalisierung kennzeichnet. Redakteure bei Spiegel online sind von jenen Privilegien ausgeschlossen, die zu Augsteins Zeiten als Teilhabe der Mitarbeiter an der Gelddruckmaschine „Spiegel Verlag“ definiert worden war. Jeder Veränderungsversuch muss daher immer zugleich als Angriff auf die Privilegien jener Redakteure gewertet werden, die es in die Mitarbeiter-KG geschafft haben. Diese Spaltung der Belegschaften zwischen Stammbelegschaften und den prekär beschäftigten Ergänzungsspielern kennzeichnet zwar den Arbeitsmarkt auch außerhalb der Verlagsbranche, aber entwickelt beim Spiegel eine besondere Dynamik. Der in Umbruchsituationen immer zu beobachtende Rückzug auf alte Gewissheiten könnte dort besondere Folgen haben. Veränderungen und die Anpassung der Strukturen an neue Bedingungen ist die klassische Aufgabe des Unternehmers. Im Journalismus von Chefredakteuren oder Herausgebern. Sie können das zwar nicht gegen die Mitarbeiter machen, aber haben eine andere Rolle zu spielen. Sie müssen antreiben, Ideen ausprobieren, dürfen gerade nicht den lähmenden Konservativismus bedienen, der Institutionen mit einer großen Tradition immer dominieren wird. Beim Spiegel fragt man sich schon, wie in dieser Eigentümerstruktur eine solche Person mit dem entsprechenden Rollenverständnis gefunden werden soll. Zu Augsteins Zeiten war der Spiegel nach dem Erscheinen des Focus ebenfalls in eine Krise geraten. Augstein setzte mit seiner Autorität Stefan Aust als Chefredakteur durch, der das Blatt konsolidierte. Die Eigentümerstruktur könnte sich beim Spiegel als fatal erweisen, die unter Umständen erst durch eine Umwandlung der Mitarbeiter KG in eine Stiftung aufgelöst werden könnte. Jenseits dessen wird sich aber das Zeitfenster schließen, wo Verlage noch genügend Handlungsspielraum haben, um sich neu aufzustellen.

 

„Das Zeitfenster, in dem traditionelle Medien sich für das Geschäft mit unabhängigem Journalismus im digitalen Zeitalter neu finden müssen, wird sich in nicht allzu ferner Zukunft schließen. Wer dann keinen Plan hat, seine Marke auf Papier und digital zu vermarkten, wird seine Position einbüßen. Warten die Verantwortlichen beim „Spiegel“ zu lange, könnte sich am Ende noch die Frage stellen, wer in der Lage wäre, den Verlag ganz zu übernehmen. Der „Spiegel“ made by Bertelsmann?“

Es wurde allerdings sogar schon der Bauer-Verlag als zukünftiger Spiegel-Eigentümer genannt. Es ist eben nichts mehr völlig absurd.

+++ Im Gegensatz zum Spiegel hat Springer eine funktionierende Führungsstruktur. Mathias Döpfner baut den Verlag zu einem Anbieter digitaler Inhalte um, die auch noch etwas mit Journalismus zu tun haben können. Das mag man alles für schrecklich halten. Aber offensichtlich hat der Verlag ein kohärentes Geschäftsmodell, das er auch konsequent umsetzt. Im Journalismus ist dabei der Chefredakteur der Bild, Kai Diekmann, der ungekrönte König moderner Kommunikationsstrategien. Er nutzt die sozialen Medien höchst effektiv, um die Markenbildung der Bild zu unterstützen. Da wird sogar sein Bart und eine spätere Rasur zum höchst effektiven Mittel, um ein Verlagsprodukt wie „Ein Herz für Kinder“ zu vermarkten. Warum Springer gelingt, woran alle sonst scheitern? Offensichtlich an der Affinität der Online-Medien mit dem klassischen Boulevard-Journalismus, den Bild in Deutschland fast als Monopol betrieben hatte. Die Aufmerksamkeitsökonomie war schon immer das herrschende Paradigma der Bild gewesen. Insofern hat sich in jenem Transformationsprozess, den die Digitalisierung für alle Medienanbieter erzwingt, für Springer am wenigsten geändert. Früher hatte man für die Produktion von Neuigkeiten 24 Stunden Zeit. Heute ist die Neuigkeit in der Zeitung das Ergebnis dessen, was sich über den Tag als solche durchzusetzen vermochte. Nicht mehr der Redakteur entscheidet darüber, sondern er reagiert auf die Prioritätensetzung in sozialen Netzwerken. Wie Diekmann seinen Bart in den sozialen Netzwerken instrumentalisiert hat, ist insoweit ein Lehrstück über den Wirkungsmechanismus heutiger Mediensysteme. Zu Augsteins Zeiten wäre niemand auf die Idee gekommen, Diekmanns Bart überhaupt zu thematisieren, bestenfalls als Glosse auf den hinteren Plätzen oder in der Regenbogenpresse. Aber damals wäre auch ein CDU-Generalsekretär nicht auf die Idee gekommen, Klingonisch und Latein in einem Atemzug zu nennen. Er hätte dann sicher von Franz-Josef Strauß eine Abmahnung auf Latein erhalten. Strauß sprach es fließend.


Altpapierkorb

+++ Wie die Digitalisierung der Politik zu schaffen macht, zeigt sich noch an einem anderen Fall. Frühere Politiker und andere Prominente haben den Aufruf „Wieder Krieg in Europa? Nicht in unserem Namen!“ formuliert. „Mehr als 60 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Medien warnen in einem Aufruf eindringlich vor einem Krieg mit Russland und fordern eine neue Entspannungspolitik für Europa. Ihren Appell richten sie an die Bundesregierung, die Bundestagsabgeordneten und die Medien. Initiiert wurde der Aufruf vom früheren Kanzlerberater Horst Teltschik (CDU), dem ehemaligen Verteidigungsstaatssekretär Walther Stützle (SPD) und der früheren Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne). "Uns geht es um ein politisches Signal, dass die berechtigte Kritik an der russischen Ukraine-Politik nicht dazu führt, dass die Fortschritte, die wir in den vergangenen 25 Jahren in den Beziehungen mit Russland erreicht haben, aufgekündigt werden", sagt Teltschik zur Motivation für den Appell.“ Darüber lässt sich bekanntlich diskutieren. Was aber in dieser Generation völlig fehlt, ist jede Ahnung über moderne Medien. Ein Blog oder eine Homepage? Fehlanzeige. Eine Vernetzung des Aufrufs über die sozialen Netzwerke? Nicht zu finden. Es ist ein Remake dessen, wie zu Augsteins Zeiten solche öffentliche Debatten geführt worden sind. Immerhin hätten damals aber die Feuilletons eine Debatte dazu angefangen. Es ist ja nicht mehr auszuschließen, dass sie heute sogar das verpennen. Die Mentalität, die hinter dieser Ignoranz gegenüber dem heutigen Mediensystem zu finden ist, formuliert ein alter Recke wie Wolfgang Herles vom ZDF.

+++ Für Asien interessiert man sich in Deutschland nur, wenn dort von einem Taifun zu berichten ist – oder aus Nordkorea. Wie die Medien im wilden Galopp der klassischen Zeitungsente hinterherjagen, ist hier zu lesen.

+++ Was Medien in der Digitalisierung mit Aufklärung zu tun haben? Die taz berichtet von einer Konferenz in London. „Seymour Hersh, hier nennen sie ihn „Sy“, ist nun wirklich einer der Großen. Der legendäre US-amerikanische Investigativjournalist sitzt da vorne in seinem dunkelgrauen Anzug und seine ganze Körperhaltung markiert einen Gegensatz: Sein Oberkörper ist etwas zusammengesunken, die Knie schlackern lässig hin und her. Und dann spricht er in dieser Scharfsinnigkeit, die sein Eigenstellungsmerkmal markiert. Er sagt dies und das, dann meint er: „Es geht immer nur um die Gegenerzählung.“ Er, Sy, habe schon viele Erzählungen gehört – denken wir nur an den Irak-Krieg, an all die Lügenmärchen von Massenvernichtungswaffen und anderem. „Guter Journalismus“, sagt Hersh, „muss die Gegenerzählungen finden.“ Im Bart von Kai Diekmann ist die aber nicht zu finden.

+++ Leserbriefe gibt es übrigens auch noch. Bedenkenswertes dazu von Paul-Josef Raue im Journalismus Handbuch. „Was sie verändern? Wir sind uns sicher: Sie verändern viel in den Köpfen der Mächtigen, die schon lauschen, wie das Volk denkt – vor allem um ihre Macht zu sichern oder die Macht zu bekommen. Veränderung hat immer etwas mit der großen Zahl zu tun: Den größten Einfluss nimmt der Bürger, der sich direkt in der Politik engagiert – ob in seinem Ortsteil oder im Kreis, im Landtag oder im Bundestag. Wer abstimmen kann, der regiert mit und hat die Macht. Die Chance mitzuregieren hat jeder. Wer nicht regieren will, der kann seine Stimme erheben – aber er hat nur die Macht der Argumente auf seiner Seite und die Macht der Überzeugung, so andere sich überzeugen lassen. Die Macht des freien Wortes ist in einer Demokratie so wichtig wie die Kontrolle der Macht. Deswegen ist sie so wertvoll in der Zeitung der Bürger.“ Etwas von diesem Pathos ist dem Journalismus nicht nur in Thüringen zu empfehlen.

+++ Der Verkauf des Debatten-Blogs The European an einem der „reichsten Deutschen“ hat damit aber sicher nichts zu tun. Es ist aber immerhin positiv zu nennen, wenn die „reichsten Deutschen“ auch in solche Projekte investieren. Man kann sein Geld bekanntlich auch sinnloser verprassen.

+++ Schließlich plant das ZDF einen Ersatz für „Wetten dass“ mit Johannes B. Kerner. Die letzte Folge läuft am kommenden Samstag. Das Spannende an dem Format? Es ist nicht spannend. Es reicht aber auch, gute Unterhaltung anzubieten. Die lässt sich auch mit den einfachsten Mitteln gewährleisten, wie gestern Abend Günther Jauch und Barbara Schöneberger auf RTL zeigten. Der Rest von „Menschen, Bilder, Emotionen“ wirkte dagegen wie Fußball-Begeisterung aus der Konserve.

+++ Der CSU-Gassenhauer ist jetzt sogar mit einem hashtag geadelt worden: #yallaCSU.

+++ Im Bild-Blog verlinkt Ronnie Grob auf das Gespräch von Per Mertesacker mit Boris Büchler, das vergangenen Donnerstag in der Zeit erschienen ist. Grob verweist auf das richtige Zitat. Büchler: „Das werfe ich euch Medienjournalisten von den überregionalen Zeitungen ja immer vor: das Verwissenschaftlichen und Bemäkeln dieser 90 Sekunden! Natürlich gibt es unten am Spielfeldrand nur einen begrenzten Fragenkanon! Ich kann direkt nach dem Abpfiff – schon aus Achtung vor dem Athleten – doch keine Fragen stellen, für die ich später vielleicht einen Poetenpreis bekomme. Einige Kritiker in ihren Büros machen es sich da sehr einfach: mokieren sich immer über unsere vermeintlich sinnentleerten Fragen. Aber wenn eure Blätter alle paar Jahre – immer, wenn EM oder WM ist – mal ein paar Kollegen schicken, fragen viele gar nicht, sondern halten nur still ihre Tonbandgeräte mit rein.“

+++ Was ist "exclusiv"? Das fragt sich Stefan Niggemeier. Aber immerhin beantragt das Altpapier Exclusivität für die Umwandlung der Mitarbeiter-KG beim Spiegel in eine Stiftung. Sie findet bei deren Angehörigen begeisterte Zustimmung. Ansonsten empfehlen wir zu diesem Thema Mancur Olson.

Das nächste Altpapier gibt es wieder am Dienstag.

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